S E I T E 12 D I E W E LT D I E N S TAG , 2 8 . O KT O B E R 2 014 WIRTSCHAFT GERHARD HEGMANN, NINA TRENTMANN UND GESCHE WÜPPER I Die schöne neue des Welt Fliegens TECHNICON DESIGN Das fensterlose Geschäftsflugzeug, so wie es sich ein französisches Designbüro vorstellt. Ixion heißt das Konzept – statt Ausblicken gibt es Einblicke in virtuelle Welten. Und dabei wird Treibstoff eingespart Durchs Weltall reisen oder den Regenwald durchkämmen – künftig könnten im Flugzeug virtuelle Welten zu erleben sein. Forscher rechnen in fünf Jahren mit ersten Tests. Doch wollen Passagiere wirklich auf den Blick aus dem Fenster verzichten? bahn sehen. Denn es handelt sich vorerst nur um ein Konzept-Flugzeug. „Wir wollten damit eine Diskussion anstoßen, die Leute zum Träumen und Nachdenken bringen“, sagt Designchef Gareth Davies. „Ich habe mein Team herausgefordert, aus den traditionellen Denkschemata in Bezug auf das Innen- und Außendesign von Businessjets auszubrechen.“ Sehr schnell hätten sie sich dabei auf die Idee geeinigt, die Fenster wegzulassen. „Das hilft, Gewicht zu sparen, den Bau zu vereinfachen und es eröffnet enorm viele Möglichkeiten für das Innendesign“, erklärt Davies. Mit dem Konzept-Flugzeug hat das auf die Transportindustrie spezialisierte französische Designbüro den International Yacht & Aviation Award gewonnen. „Wir dürfen ja meist nicht über die Projekte unserer Kunden sprechen, an denen wir arbeiten“, sagt Davies. „Für uns war das deshalb auch eine Möglichkeit zu zeigen, was wir in der Lage sind, zu tun.“ Auch in Großbritannien wird mit Hochdruck an Flugzeugen der Zukunft geforscht. Das Centre for Process Innovation in Sedgefield im Nordosten Englands arbeitet seit fünf Jahren daran, Materialien für die Innenausstattung von Flugzeugen zu entwerfen, so dass diese ohne Fenster auskommen. Dafür sollen flexible Displays auf der Basis von gedruckter Elektronik bald dort montiert werden, wo heute noch Fensteröffnungen sind. „Eines der schlagenden Argumente ist natürlich das Gewicht“, sagt Tom Taylor, Direktor für Zukunftstechnologien am Zentrum für Prozessinnovation. „Die neuen Displays sind sehr leicht und sehr dünn, verglichen mit herkömmlichen Scheiben.“ Für die Passagiere bedeute der Verzicht auf herkömmliche Fenster ein neues Flugerlebnis. „Die Fluggäste können sich aussuchen, was sie auf ihrem Display sehen wollen“, sagt er. Es sei denkbar, Kameras an den Tragflächen oder am Flugzeugrumpf zu montieren, so dass die Passagiere auch ohne Fensterscheiben auf ihren digitalen Displays sehen können, was unter und neben ihnen passiert. Es ist keine völlig neue Idee, die Taylor da präsentiert – Militärmaschinen und Transportflugzeuge kommen längst ohne Fenster aus – sie scheint aber angesichts des steigenden Kostendrucks in der Luftfahrtbranche attraktiver zu werden. „Mit jedem Prozent Gewicht, das Sie verringern, sparen Sie ein halbes Prozent Treibstoff ein“, sagt Taylor. Denn für die Fluggesellschaften ist die Fensterlosigkeit ein heikles Thema. So kann sich beispielsweise Carolyn McCall, Chefin der Billig-Airline Easyjet, nicht vorstellen, dass ihre Flugzeuge einmal ohne natürlichen Ausblick unterwegs sein werden. „Das würde mich zu Tode erschrecken“, sagt sie. Lediglich für lange Nachtflüge seien fensterlose Flugzeuge eine Option, findet sie. Passagieren könnte die Vorstellung, nicht sehen zu können, wohin sie fliegen, ebenfalls Angst einjagen. Auf der Businessjet-Messe in Las Vegas hätten die meisten Besucher jedoch positiv auf das fensterlose Konzeptflugzeug Ixion reagiert, berichtet Gareth Davies vom französischen Designbüro Technicon Design. Da wundert es auch nicht, dass Tom Taylor zufolge bereits mehrere große Unternehmen im britischen Sedgefield angefragt haben. „Wir arbeiten bereits mit einigen von ihnen zusammen“, VR HYPERSPACE n einen engen Sitz gezwängt, nebenan schnarcht ein dicker Mann, in der Reihe dahinter brüllt ein Baby: Welcher Passagier der Economy Class träumt in einem solchen Moment nicht davon, statt im Flugzeug in einem bequemen Liegestuhl am Südseestrand zu sitzen. Dieser Wunsch könnte schon bald Wirklichkeit werden. Verschiedene Firmen erforschen derzeit Konzepte für fensterlose Flugzeuge, in denen virtuelle Welten eine wichtige Rolle spielen. Die Möglichkeiten scheinen nahezu unbegrenzt. So könnte Passagieren etwa der Eindruck vermittelt werden, auf dem Nachbarplatz säße kein schnarchender Fremder, sondern ein guter Freund. Oder aber sie finden sich plötzlich an einem Palmenstrand oder im Dschungel wieder oder sitzen statt in der Flugzeugkabine im vertrauten Wohnzimmer. Was sich wie eine verrückte Idee anhört, konnte bereits in den nächsten Jahrzehnten Realität sein. Schon jetzt arbeiten mehrere Firmen in Europa und den USA an fensterlosen Flugzeugen, die im Inneren riesige Bildschirme haben sollen. „Wir gehen von der schrittweisen Einführung der Displaytechnik für mehr Komfort in der Kabine aus“, sagt Oliver Stefani, Forscher am Fraunhofer-Institut IAO in Stuttgart. Dort werden an einem Modell bereits transparente fensterlose Kabinen samt Displays am Boden erforscht. Aus Sicht der Flugzeugproduktion wären fensterlose Flugzeuge zu begrüßen. „Ein Rumpf ohne Fenster bringt produktionstechnisch viele Vorteile“, sagt der Ingenieur und Experte für Kohlefaserbauteile, Torsten Lorenz. „Jedes Fenster bedeutet zusätzliches Gewicht. Der Ausschnitt ist auch eher ungünstig für die Festigkeit.“ Dennoch sind die Flugzeughersteller Airbus und Boeing bisher davor zurückgeschreckt, Zivilmaschinen ohne Fenster, also ohne Ausblick auf die natürliche Umgebung anzubieten – aus Angst, das könnte bei den Passagieren nicht gut ankommen. Doch allmählich freunden sie sich mit dem Gedanken an. So hat Airbus in den USA kürzlich ein Patent für ein Cockpit angemeldet, in dem die Fenster ganz oder teilweise durch hochauflösende Bildschirme ersetzt werden. Die US-Firma Spike Aerospace will bereits 2018 den ÜberschallBusinessflieger Spike S-512 Supersonic Jet auf den Markt bringen – ohne Fenster für die Passagiere. Ohnehin dürften die virtuellen Welten im Flugzeuginneren zuerst in kleinen Geschäftsflugzeugen eingeführt werden. Das Designbüro Technicon Design aus der Nähe von Paris beispielsweise hat auf der Businessjet-Fachmesse NBAA in Las Vegas im vergangenen Jahr den Ixion vorgestellt – ein Konzept für ein fensterloses Geschäftsflugzeug. Statt Glasscheiben verfügt der Businessjet über riesige Panorama-Bildschirme, auf die die Umgebung mit Hilfe von Kameras übertragen wird. Die Passagiere können jedoch auch andere Szenen wählen. Je nach Stimmung kann das der Regenwald, ein Flug über Paris oder sogar durch das Weltall sein. Auch Videokonferenzen oder das Abspielen von Kinofilmen sind möglich. Den Ixion wird man jedoch nicht so schnell auf einer Start- Schöne Aussichten statt Ärger mit dem Vordermann: Virtual Reality im Flugzeug ANZEIGE WAS IST GLÜCK? EPOS – das neue iPad-Magazin für Wissen und Geschichte – stellt in seiner 2. Ausgabe die Frage nach unserer stärksten Sehnsucht: dem Glück. 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Noch sind allerdings einige technische Probleme zu lösen, zum Beispiel die Frage, wie ein biegbares Display einerseits wasserdicht bleibt, andererseits aber auch nicht austrocknet. Die Verbesserung des Passagierkomforts bis zum Jahr 2050 stand auch im Mittelpunkt des EU-Projekts „Virtual Reality Hyperspace“, das kürzlich mit neun Partnern aus sechs Ländern abgeschlossen wurde. Neben Wissenschaftlern waren daran auch die Entwicklungsabteilung von Airbus sowie der Satellitenhersteller Thales Alenia Space beteiligt. Zu den Beratern zählten auch Firmen wie etwa die Lufthansa. Der Schlussbericht des Gremiums steht jedoch noch aus. Die an dem Projekt beteiligte Wissenschaftlerin Betty Mohler vom Max-Planck Institut für biologische Kybernetik verweist auf die die enormen Möglichkeiten künstlicher Welten. „Unabhängig davon, ob die Zukunft fensterlose Flugzeugdesigns bringt, klagen derzeit die meisten Passagiere über ihren begrenzten Raum“, sagt sie. Tatsächlich sitze nur eine geringe Zahl von ihnen derzeit an einem Fenster. „Über virtuelle Realität möchten wir positive Illusionen über mehr Platz schaffen.“ Mohler geht davon aus, dass künftig nicht nur große Displays an Bord Kunstwelten vorspiegeln, sondern die Passagiere beispielsweise Spezialbrillen tragen werden, über die ihnen individuelle virtuelle Welten vorgespielt werden. Damit sei es möglich, selbst auf einem engen Sitzplatz sein Umfeld auszublenden, sagt sie. Durch die Illusion eines veränderten Raumes könne auch das Körpergefühl geändert werden. So lasse sich beispielsweise die beengende Rückenlehne des Vordermanns im Flugzeug mit Hilfe einer Computerbrille einfach transparent wegschalten. Nach Angaben Mohlers gibt es sogar erste Versuche mit solchen Brillen, bei denen der Sitznachbar in eine andere Person verwandelt werden kann – also in einen künstlichen Stellvertreter oder Avatar. Dann könnte beispielsweise der beste Freund neben einem sitzen, sobald man ein spezielles Headset aufgesetzt hat. Zudem könnte auch das Äußere der Mitreisenden verändert werden, die Art, wie sie wahrgenommen werden. „Wir können ihr Bild manipulieren“, sagt Mohler. Etwas dünner, etwas dicker, statt einem Mann eine Frau – alles scheint möglich. Selbst das eigene Aussehen könnte über Datenbrillen verändert wahrgenommen werden. Die Technik virtueller Welten könnte sogar die Einteilung der Passagierkabine ändern, heißt es in der Branche. Statt Economy, Business und First Class könnten dann unterschiedliche technische Möglichkeiten für die Einteilung sorgen. Möglich seien Kontaktzonen, in denen Treffen mit Freunden stattfinden, die von der Erde auf Riesendisplays ins Flugzeug übertragen werden. Doch bevor all das Realität wird, seien noch einige technische Probleme zu lösen, deutet Mohler an. Auch Oliver Stefani vom Fraunhofer-Institut gibt zu, dass noch Verbesserungsbedarf besteht. Noch sei die Technik teilweise zu teuer oder die Computerbrillen für die Passagiere zu unpraktisch. Dennoch ist er überzeugt, dass diese Technologien irgendwann an Bord kommen werden.
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