Ausgabe 2/2016 – 1. März 2016 EZB:NICHT AM ENDE DER MÖGLICHKEITEN Die Europäische Zentralbank (EZB) tut vieles, erreicht aber bislang wenig. Dennoch bleibt sie ihrer Politik des Quantitative Easing (QE) treu. Sie sieht hierzu keine Alternative. Die Medizin scheint ihr die richtige zu sein, nur die Dosis noch nicht. Am Ende ist die Geldpolitik aber noch lange nicht. Und im Ernstfall kommt es zur Kollaboration mit der Fiskalpolitik. WUNSCH UND WIRKLICHKEIT Die EZB tritt am 10. März zur nächsten Ratssitzung zusammen. Auf seiner Dezember-Sitzung hat der Rat den Zinssatz für die Einlagefazilität um 10 Basispunkte auf -0,3% abgesenkt. Außerdem wurde das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) um sechs Monate verlängert. Die Käufe im Umfang von 60 Mrd. Euro monatlich werden bis Ende März 2017 fortgeführt – erforderlichenfalls auch darüber hinaus und so lange, bis der EZB-Rat erkennt, dass die Inflationsentwicklung mit dem Inflationsziel in Einklang steht. Gegenwärtig liegt dieses bei „nahe, aber unter 2%“. Ferner wurde beschlossen, Tilgungen der erworbenen Schuldtitel wieder anzulegen und das kaufbare Anleihespektrum auszuweiten. Es umfasst nun auch Schuldtitel regionaler und lokaler Gebietskörperschaften. Die Erfolgsbilanz der EZB-Politik fällt gemischt aus: Inflation kann doch nicht so einfach hergestellt werden. Am „erfolgreichsten“ war die Politik beim Euro-Wechselkurs, auch dank der amerikanischen Notenbank, die auf den Pfad vorsichtiger Zinserhöhungen eingeschwenkt ist. Der Euro wertete seit Anfang 2014 bis heute real und handelsgewichtet um 10% ab. Eine Abwertung schwächt jedoch die reale Kaufkraft der Konsumenten und senkt das Einkommensniveau ab. Zwar sind die Importpreise zuletzt wieder gestiegen, aber der Verfall der Rohstoffpreise – ein Phänomen außerhalb des Einflussbereichs der EZB – verhinderte steigende Inflationsraten. Und trotz QE und extrem niedriger Zinsen kommt die Kreditvergabe nicht in Schwung – warum sollte sie auch? Die ausgereichten Kredite an den Privatsektor stiegen bis 2007 massiv an. In einigen Ländern der Eurozone ist man mit Krediten bis heute noch gut versorgt, die Notwendigkeit für neue Kredite besteht somit kaum. Daran ändert auch die verbesserte Kreditvergabebereitschaft der Banken wenig. Zumal sie unverändert dabei sind, Risikoaktiva ab- und Eigenkapital aufzubauen. Schließlich ist ihre Profitabilität gering; hierzu trägt im Übrigen auch die Negativzinspolitik der Notenbank bei. Negative Einlagezinsen wirken wie eine Steuer; nur, dass sie nicht von der Regierung, sondern von der Notenbank „erhoben“ wird. Der umtriebigen EZB-Politik gelang es auch nicht, kräftige Konjunkturzuversicht zu schaffen. Viele Unternehmen halten sich mit ihren Investitionen auffallend zurück. Hier störte die Eintrübung des weltwirtschaftlichen Umfeldes. Jüngst machten sich Zweifel breit, ob die unkonventionelle Geldpolitik zum von der EZB gewünschten Erfolg und letztlich zu mehr Inflation führt, oder ob sie nur Fehlbewertungen auf den Vermögensmärkten entstehen lässt. Ein Vertrauensverlust in die Wirksamkeit geldpolitischer Maßnahmen würde Vermögenspreise taumeln lassen. WAS MACHT DIE EZB ALS NÄCHSTES? Die ursprüngliche Inflationsprojektion der EZB vom letzten Dezember ist hinfällig geworden. Damals erwartete sie, dass sich die Inflationsrate (gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex, HVPI) im Durchschnitt des Jahres 2016 auf 1% belaufen wird, gefolgt von 1,6% in 2017. Die Bundesbank hat ihre Projektion für die deutsche Inflationsrate bereits merklich reduziert. Ging sie vor dem Jahreswechsel noch von einer Rate von etwas über 1% im Durchschnitt dieses Jahres aus, hat sie kürzlich ihre Erwartung um 0,75 Prozentpunkte abgesenkt. Ähnlich hoch dürfte die EZBRevision zur März-Sitzung ausfallen: eine prognostizierte HVPI-Inflation für 2016 von dann nur noch 0,2% im Jahresdurchschnitt liegt so weit weg von ihrem Ziel, dass die EZB Handlungsbedarf verspüren wird. Angesichts zunehmender Diskussionen um die Effekte negativer Zinsen erscheint eine weitere Absenkung des Einlagesatzes nicht die höchste Priorität zu haben. Da das Kaufprogramm erst im Dezember verlängert worden ist, werden für die März-Sitzung des EZB-Rates Änderungen an den Kaufbedingungen wahrscheinlicher. Denn blieben sie unverändert, gerät die EZB in „Gefahr“, im Laufe des nächsten Jahres nicht mehr genügend Bundesanleihen kaufen zu können. Beispielsweise könnte die Zinsuntergrenze aufgehoben werden. Bisher dürfen nur Anleihen mit einer Rendite, die höher als der Einlagesatz von -0,3% ist, erworben werden. Eine Ausweitung des Universums als auch des maximalen Anteils, den die EZB an den ausstehenden Anleihen halten will, wären weitere Möglichkeiten. Dieses Limit liegt momentan bei 33% nach zuvor 25%. Das Limit könnte komplett aufgehoben werden (zumindest für beste Bonitäten). Im Bestreben, das Kaufuniversum zu erweitern, stünden unbesicherte, erstrangige Bankanleihen ganz vorne; risikoärmere gedeckte Papiere werden bereits erworben. Laut EZB zirkulieren derzeit rund 2 Bio. Euro solcher unbesicherter Papiere in der Eurozone. Weitere Maßnahmen wären die Ausrichtung der Staatsanleihekäufe an der Marktkapitalisierung und nicht am EZBKapitalanteil. Das würde zu mehr – politisch heiklen - Käufen von Anleihen der am höchsten verschuldeten Länder führen. Auch eine Erhöhung des monatlichen Volumens von derzeit 60 Mrd. Euro böte sich der EZB an – reichlich Möglichkeiten also! RENAISSANCE DER FISKALPOLITIK Eines ist sicher: Je länger die Inflationsziele verfehlt werden, umso drastischer werden die Notenbankmaßnahmen ausfallen. Japan macht es bereits vor. Denn die Alternative, Inflationsziele und mit ihr die Geldpolitik an die Realität anzupassen, ist offenbar für die Geldpolitiker keine Option. Bleibt die Inflation dann dennoch aus, wird es zu Verlagerungen auf die Fiskalpolitik kommen. Der Regimewechsel wäre vollzogen. Schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme in großem Stil für neue Technologien und Infrastruktur stünden dann auf der Agenda, vielleicht auch Helikopter-Geld (beschrieben in Markt & Wirtschaft 10/2015). Es gibt aber weitere Möglichkeiten, auch auf der staatlichen Einnahmeseite. Niedrigere Steuertarife insbesondere für die unteren Einkommensgruppen, abgesenkte Gewinnsteuersätze sowie bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen setzen Ausgaben- und Investitionsanreize. Der Steuerausfall würde natürlich schuldenfinanziert, mit der Notenbank als Gläubiger. Staatliche Eingriffe in den Lohn- und Gehaltsfindungsprozess hätten unmittelbaren Einfluss auf das Preisniveau. Als Ausgleich für die höheren Lohnkosten könnte den Unternehmen eine Steuergutschrift angeboten werden. Bleibt die Besessenheit der Geldpolitiker bestehen, unrealistische Inflationsziele zu verfolgen, sind die genannten Beispiele mehr als nur Fiktion. Schon jetzt beschweren sich die Geldpolitiker über die Passivität der Regierungen. DISCLAIMER Die Informationen in diesem Dokument wurden ausschließlich zu Informationszwecken für den Empfänger erstellt. Sie stellen keine Finanzanalyse i.S. des § 34b WpHG dar. Daher genügen sie nicht allen gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unvoreingenommenheit von Finanzanalysen und unterliegen nicht dem Verbot des Handelns vor der Veröffentlichung von Finanzanalysen. Alle Angaben erfolgen unverbindlich und stellen weder eine Anlageberatung noch ein Aufforderung zum Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments dar. Die Informationen wurden sorgfältig recherchiert. Dabei wurde zum Teil auf Informationen Dritter zurückgegriffen. 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