Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Sprecher: Im August vergangenen Jahres: Tausende Jesiden und Christen sind auf der Flucht vor dem Terrorregime „Islamischer Staat“. In Deutschland wird heftig diskutiert, ob und wie man die Peschmerga, die Kurdenmiliz, in ihrem Kampf gegen den Islamischen Staat unterstützen kann. O-Ton Justenhoven: Meine Meinung ist, dass die Kurden und die Jesiden und Christen ein Recht auf Leib und Leben haben und damit auch ein Recht, sich gegen den zu verteidigen, der ihnen das Leben nehmen will. Sprecher: Heinz-Gerhard Justenhoven ist Direktor des katholischen Instituts für Theologie und Frieden. O-Ton: Die Kurden hatten in dem Moment zwar den Willen, aber nicht die notwendigen Mittel, um sich zu verteidigen und auch Nothilfe für die Flüchtenden zu leisten. In solch einer Situation ist es für mich eigentlich unabweisbar, dass das Recht auf Verteidigung und auf Nothilfe © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 notwendigerweise auch verlangt, dass man diesen Menschen die Mittel in die Hand gibt, sprich ihnen die Waffen liefert. Sprecher: Die Kirchen beteiligen sich an der ethisch so schwierigen Debatte, ob man Waffen aus Deutschland in ein Kriegsgebiet liefern soll. Die ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann: O-Ton Käßmann: Mir scheint es so schwierig, Waffen zu liefern in einem sehr komplexen Konflikt, bei dem wir gar nicht wissen, wofür werden sie benutzt. (..) Wir wissen noch gar nicht, wie diese Waffen von Bagdad in das Kampfgebiet gekommen sind, wer sie anwendet, wie sind angewandt werden - und mit Waffen wird getötet. So ist das nun mal. Außerdem müsste das mit der Regierung abgestimmt sein, es müsste ein UNMandat geben, all das ist nicht geboten. O-Ton Körtner: Auf der anderen Seite muss man ja fragen: Was sind die Alternativen, solange Deutschland nicht bereit ist, (..) selbst Truppenkontingente zu stellen, um unmittelbar in den Kampf gegen IS einzusteigen? Wenn man das nicht will, (…) dann muss man sich klar machen, dass man mit einer vermeintlich hochmoralischen Haltung „erste Reihe fußfrei“ sich ethisch in eine nicht akzeptable Situation begibt, wenn man sehenden © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 2 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Auges zulässt, dass dann unschuldige Menschen von solchen Kräften wie IS abgeschlachtet werden und zu Tode kommen. Sprecher: Der Wiener Theologieprofessor Ulrich Körtner ist ein Kritiker jener eher pazifistisch ausgerichteten Position, wie sie beispielsweise Wolfgang Heinrich vom evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt vertritt: O-Ton Heinrich: Wenn wir Waffen liefern, müssen wir uns darüber im Klaren sein, diese Waffen sind in dem Moment, wo sie geliefert werden, jenseits jeglicher Kontrolle. O-Ton Justenhoven: Das ist eine Abwägungsfrage, ob man zulassen darf, dass Flüchtlinge zu Tode kommen, obwohl man ihnen unmittelbar über Waffenlieferung hätte helfen können, um gleichzeitig in einer späteren Phase die gelieferten Waffen in einer anderen Auseinandersetzung eingesetzt werden. Sprecher: Entgegnet der Katholik Heinz-Gerhard Justenhoven: O-Ton Justenhoven: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 3 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Ich glaube, dass man das nicht mit dem Rechenschieber ausrechnen kann. Ich halte in diesem Fall die Lieferung von Waffen für das geringere Übel. 8. 1:54:40 (Heinrich) Wir wissen aus anderen Ländern, dass die Waffen dann nicht an den Absender zurückgeschickt worden sind: Mit freundlichen Grüßen, herzlichen Dank für ihre Unterstützung, sondern dass diese Waffen von militärischen Eliten, die sich etabliert haben, weiter genutzt wurden, um dann den eigenen Machtanspruch mit Gewalt gegen andere durchzusetzen. Sprecher: In den vergangenen Monaten lieferte die Bundesregierung 16.000 Sturmgewehre, 30 Panzerabwehrwaffen Milan, 200 Panzerfäuste, 40 schwere Panzerfäuste, 10.000 Handgranaten sowie vier Millionen Schuss Munition im Wert von rund 50 Millionen Euro in den Nordirak. Sprecher: Deutsche Waffen in ein Kriegsgebiet – direkt an eine der im Krieg unmittelbar beteiligten Gruppen? Eine ethisch schwer zu entscheidende Frage. Immerhin: der Vormarsch der Terrororganisation konnte gestoppt werden; Tausende von der IS vertriebene Jesiden in ihre Dörfer zurückkehren. Die Protestanten Wolfgang Heinrich und Margot Käßmann bleiben skeptisch: O-Ton Heinrich: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 4 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Die Lieferung von Waffen löst nicht das Problem. Es hilft vielleicht, die Menschen zu schützen, aber wir müssen uns im Klaren sein, es macht die Lösung des Problems sehr viel schwieriger. O-Ton Käßmann: Natürlich gerät der Mensch in dieses Dilemma, das ist doch ganz klar. Mir ist es doch auch nicht gleichgültig zuzusehen, wie Menschen abgeschlachtet werden von diesen Irren, die sich da Islamischer Staat nennen oder Boko Haram, und deswegen muss da jemand einen Standpunkt beziehen, bei dem du immer weißt: Wenn du für Waffenlieferungen plädierst, kannst du dich schuldig machen; wenn du dagegen plädierst, kannst du dich auch schuldig machen. (…) Was mich stört im Moment ist, dass die Option, sich gegen Waffen auszusprechen, das die als viel problematischer angesehen wird als die, sich für Waffen auszusprechen. Sprecher: In den Kirchenleitungen Waffenlieferungen an die haben Kurden sich jene Kräfte abgesegnet durchgesetzt, haben: sowohl die der die neue Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm als auch die katholische Bischofskonferenz haben den Waffenexport gut geheißen. Reinhold Bartmann ist der katholische Militärgeneralvikar in Berlin. Wie sein unmittelbarer Vorgesetzter, der Essener Oberhirte und Militärbischof Franz-Josef Overbeck, warnt Reinhold Bartmann vor einem „Lifestyle-Pazifismus“: O-Ton Bartmann: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 5 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Menschliches Handeln ist immer vom Risiko des Scheiterns bedroht. Das gilt auch für alle Fragen der Sicherheit, und moralische Rigoristen verweigern sich diesem Risiko. Ein ausgeprägtes Gutmenschentum erweist sich auf Dauer nicht als Alternative, weil es auf Kosten anderer geht. Menschen in Krisengebiet haben keine Zeit zu monatelangen Diskussionen in ihrer Notlage(…) Wer nur zuschaut, der lädt auch Schuld auf sich. Sprecher: Die Waffenlieferung an die Kurden im Nordirak ist ein Tabubruch. Jahrzehntelang war es deutsche Rüstungsexportpolitik, zumindest auf dem Papier nicht in Krisenund Spannungsgebiete Waffen zu liefern. Und nun? Direkt in ein Kriegsgebiet, unmittelbar an beteiligte Kombattanten. Die evangelische und die katholische Kirche legen jedes Jahr einen Rüstungsexportbericht vor, in dem sie die Waffenlieferung der Bundesregierung kritisch beleuchten Und nun? Ein kirchlicher Segen für Panzerfäuste und Handgranaten für die Peschmerga. O-Ton Brahms: Es ist ein Widerspruch. Sprecher: Räumt auch Renke Brahms ein, der Friedensbeauftragte der EKD. O-Ton Brahms: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 6 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Denn wir fordern seit Jahren eine deutlich restriktivere Rüstungsexportpolitik, die sich auch an Menschenrechtskriterien orientiert, - und dann in direkte Kriegsgebiete, und zwar an Kriegsparteien Waffen zu liefern, wiederspricht dem natürlich sehr deutlich. Sprecher: Obwohl die kurdischen Kämpfer im Nordirak eine „Endverbleibserklärung“ unterschreiben mussten, sind offenbar einige Panzerfäuste schon bei der kurdischen PKK aufgetaucht. O-Ton Brahms: So ist es in einer Region, in der die Waffen mit Sicherheit auch irgendwann mal benutzt werden, um den nächsten Konflikt zu schüren. Denn die kurdischen Clans sind sich untereinander nicht einig. Das heißt, die Waffen werden für kommende Konflikte benutzt werden. Sprecher: Das Amen für die Waffenlieferung ins Kriegsgebiet haben die Kirchenführungen ausgesprochen, nachdem sie sich von der jahrhundertealten Lehre des „gerechtes Krieges“ verabschiedet hatten. Im 5. Jahrhundert hatte Augustinus die Voraussetzungen für einen Gerechten Krieg skizziert: Sprecher: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 7 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Gerechtfertigt ist ein Krieg dann, wenn er den Frieden wiederherstellen und den Gegner nicht vernichten oder berauben soll. Es muss ausreichend Aussicht auf Erfolg bestehen; alle anderen Mittel müssen ausgeschöpft sein. Zudem dürfen die Schäden nicht größer werden als das zu beseitigende Übel. Schon bei Augustinus ist dabei klar, dass auch ein gerechter Krieg ein sittliches Übel bleibt. Erst im Jahr 2000 verabschiedeten sich die katholischen Bischöfe offiziell von dem Paradigma des Gerechten Krieges. In dem Hirtenwort "Gerechter Friede" heißt es: Sprecher: Der Krieg ist immer ein Unrecht, er kann nur in Ausnahmefällen hingenommen werden, um weit schlimmeres Unrecht zu verhindern. O-Ton Bartmann: Hier betonen die Bischöfe, dass wir einem Ethos der Gewaltlosigkeit und der Feindesliebe verpflichtet sind, und uns vor dem Hintergrund der Bergpredigt nicht zu einem Krieg, sondern zu einem gerechten Frieden bekennen. Und der Friede allein und niemals Krieg und militärische Gewaltanwendung müssen die letzte Perspektive christlicher Ethik sein. Sprecher: Erläutert Militärgeneralvikar Reinhold Bartmann. 2007 folgte die evangelische Kirche mit der Denkschrift "Aus Gottes Frieden leben für gerechten Frieden". Sie argumentiert, dass "in Grenzsituationen" eine "rechtserhaltende Gewalt" ethisch tragbar sei, wenn sie klare Grenzen und vertretbare Ziele hat sowie international abgestimmt ist. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 8 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 O-Ton Körtner: Das Problem, das ich sehe, ist, dass auch diese Lehre von einem gerechten Frieden nicht auskommt ohne die Beschreibung von legitim eingesetzter Gewalt, und das heißt auch von militärischer Gewalt. Und wenn man sich dann anschaut, was sind die Kriterien für den Einsatz von militärischen Mitteln, dann kommt man letztlich zu den gleichen Kriterien zurück, die die klassische Lehre vom gerechten Krieg aufgestellt hat. Sprecher: Der Wiener Theologe und Ethiker Ulrich Körtner hält die Zielvorstellung eines Gerechten Friedens zwar für erstrebenswert, allerdings: O-Ton Körtner: Wenn man erklärt, damit hätte man das Paradigma des gerechten Krieges ganz hinter sich gelassen, dann halte ich das für Etikettenschwindel, weil man eben im Kern nicht um die Frage herumkommt, wie man sich zum Einsatz und auch zum Bestand einer Armee stellt, wenn man denn nicht eine radikalpazifistische Position einnehmen will. Sprecher: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 9 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Und die will Körtner, der als Gemeindepfarrer und Studienleiter früher in der westfälischen Kirche tätig war, keinesfalls einnehmen. Er plädiert vielmehr dafür, dass Deutschland mehr militärische Verantwortung übernehmen sollte. O-Ton Körtner: Meines Erachtens hat die EKD auf diese Entwicklung der letzten Jahre nicht reagiert, sondern ich würde sagen, mental ist man über weite Strecken bei der Ausgangslage von 1989 stehengeblieben. Sprecher: Protestanten wie Renke Brahms oder Margot Käßmann halten tatsächlich nichts von einem gesteigerten militärischen Engagement der Nationalstaaten. Gerade das kirchliche Konzept des Gerechten Friedens sieht in der UNO eine Art „Weltpolizei“. In Kriegen wie im Nordirak oder in Syrien müsste eigentlich die Stunde der Vereinten Nationen schlagen: O-Ton Brahms: Es ist außerordentlich bedauerlich, dass in diesem Konflikt die UNO keine Rolle spielt, die Mächte sich gegenseitig blockieren. 20. 53:30 (Käßmann) Eine Lösung ist eine ganz starke UN, aber das wird ja auch nicht umgesetzt. Sprecher: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 10 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Der Bremer Kirchenführer Renke Brahms plädiert deshalb für eine Reform der UNO, vor allem des Sicherheitsrates: O-Ton Brahms: Gleichzeitig darf man aber auch nicht die UNO schwächen, und das tun leider die westlichen Staaten, zum Beispiel in dem sie ganz wenig Soldaten für die Blauhelmtruppen stellen. (..) Das ist ein verheerendes Zeichen. O-Ton Körtner: Immer noch herrscht sehr stark bei der EKD der Glaube an die UNO. Sprecher: Moniert Ulrich Körtner. O-Ton Körtner: Das ist auf der einen Seite begrüßenswert, da wir darauf hoffen müssen, dass die Vereinten Nationen nicht weiter geschwächt werden, sondern eher gestärkt werden. (…) Wir erleben nur in der jüngeren Vergangenheit immer wieder, dass die Vereinten Nationen, konkret der UN-Sicherheitsrat, gar nicht handlungsfähig sind. (…) Und da nun dieses Gremium keine Weltregierung ist, sondern ein Gremium, in dem politische Interesse aufeinander prallen, kommt es ja immer wieder zu Blockaden und Lähmungen. 1:40:45: Hier scheint mir eine Schwäche der EKD darin zu bestehen, dass man zu sehr auf die UNO setzt. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 11 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Sprecher: Pazifistische Positionen innerhalb der Kirche sind vor allem während der Hochzeit der Friedensbewegung auf eine breite Unterstützung gestoßen. Für Ulrich Körtner gehören solche Positionen aber eher der Vergangenheit an: O-Ton Körtner: Die Friedensbewegung der 80er Jahre wirkt weiter fort, auch wenn sie jetzt an Einfluss dramatisch verloren hat, aber es gibt immer noch die Altvorderen dieser Bewegung oder pazifistische Kreise in Ostdeutschland (..) und das heißt: diese Positionen sind in der EKD vertreten, aber – wenn ich es richtig sehe – repräsentieren sie keineswegs die Mehrheitsmeinung der EKD. Sprecher: Zu diesen „Altvorderen“ zählt der 57-jährige Ulrich Körtner auch die ein Jahr jüngere Margot Käßmann. Die hat soeben mit dem Liedermacher Konstantin Wecker ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: Entrüstet euch. Warum Pazifismus für uns das Gebot der Stunde bleibt. O-Ton Käßmann: Ich fühle mich in der Kirche gar nicht an den Rand gerückt. Weil ich ja erlebe, bei kirchlichen Veranstaltungen, wie viele Menschen eine Sehnsucht haben, dass es doch noch eine Friedensbewegung gibt und © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 12 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 dass wir diese Stimme, die im Zweifel für den Frieden plädiert und gegen Waffenlieferungen, dass diese Stimme auch Gehör finden soll. Sprecher: Auf Zustimmung stößt Margot Käßmann – im Hauptberuf Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 – vor allem an der Basis. In der Kirchenführung weht dagegen oft ein anderer Wind: O-Ton Käßmann: Das Klima hat sich schon erstaunlich verändert, wenn wir uns die letzten 25 Jahre anschauen. Der Prozess der Wende ist ja auch eingeleitet worden durch eine friedliche Revolution, die von dem Gedanken getragen war, dass wir den Krieg als Mittel der Konfliktlösung überwinden, (…) und dass heute eine Bundesregierung Waffen an eine Bürgerkriegspartei liefert, das war unvorstellbar. Sprecher: Bis vor kurzem auch kaum vorstellbar für Käßmann, dass ein ehemaliger Pfarrer, der nun Bundespräsident ist, sich für eine stärkere – auch militärische – Präsenz in der Welt ausspricht. O-Ton Brahms: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 13 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Ich bin froh, dass wir überhaupt eine Diskussion darüber angestoßen haben, denn sie war vorher verschwunden, und es war eine gewisse Gewöhnung an militärische Einsätze, an Auslandseinsätze. Sprecher: Meint der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms. O-Ton Brahms: Was meine Kritik an der Stelle ist, dass wir uns immer leiten lassen von dieser Ultima Ratio-Debatte. Wir kommen sofort immer in die Frage: wie ist das mit militärischen Einsätzen? O-Ton Käßmann: Mir scheint, da hat sich was verändert. Ich gehöre zu einer Generation, die fest davon überzeugt war, dass nach der Erfahrung des 2. Weltkriegs deutsche Soldaten nicht außerhalb Deutschlands oder sogar außerhalb der NATO eingesetzt werden sollten. Sprecher: Der 11. September 2001 hat die Welt verändert – viel mehr aber noch haben die militärischen Reaktionen auf diesen terroristischen Anschlag die Welt verändert, meint Thomas Rössner. Er arbeitet beim Forum Zivilen Friedensdienst in Köln. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 14 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 O-Ton Rössner: Die Provokation von 9/11 hätte man auch anders beantworten können. Man hätte sie nicht so beantworten müssen. Wenn man sich überlegt, welchen ‚Erfolg‘ das gebracht hat und welche Auswirkungen das gebracht hat, dann hat es uns in der Sicherheit und im Schutz von Menschen um Jahre zurückgeworfen. Sprecher: Auch Heinz-Gerhard Justenhoven, Direktor des katholischen Instituts für Theologie und Frieden, beklagt eine falsche Weichenstellung: O-Ton Justenhoven: Ein Grundfehler der letzten 20 Jahre, insbesondere der amerikanischen Politik unter der Regierung Bush, ist, dass sie sich über das Völkerrecht hinweggesetzt hat, und etwas zerstört hat durch die Intervention im Irak und durch die Überdehnung des Mandats in Libyen, was heute dazu geführt hat, dass jeder, der sich stark genug fühlt, sich über das Völkerrecht hinwegsetzt. Sprecher: Das gilt für die USA, das gilt aber eben auch für Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin. Die Annektierung der Krim und der hybride Krieg in der Ost-Ukraine sind ein Beleg dafür, dass das Völkerrecht offenbar nicht mehr viel bedeutet. Bei aller Verurteilung von Putins aggressiver Machtpolitik sieht Renke Brahms auch politische Fehler der NATO: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 15 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 O-Ton Brahms: Der eigentliche Scheidepunkt war der Libyen-Konflikt. Als das LibyenMandat ausgesprochen worden ist und missbraucht worden ist zum Regimewechsel – weit über das Mandat hinausgegangen ist, da haben Russland und China gesagt, also mit uns nie mehr. Schutzverantwortung wird hier missbraucht. Sprecher: Und der Friedensforscher Heinz-Gerhard Jüstenhoven kritisiert, dass die Tragweite einer Annäherung der Ukraine an die EU falsch eingeschätzt wurde, denn die Ukraine sei ein tief gespaltenes Land: O-Ton Justenhoven: Ich glaube, dies nicht gesehen zu haben und auch die Zerrissenheit der Ukraine nicht gesehen zu haben, ist vielleicht ein Fehler, den wir in Europa gemacht haben. O-Ton Käßmann: Es ist schon ein merkwürdiges Spannungsgefühl, dass Krieg näher rückt. Während wir lange gedacht haben, das kann in Europa nie wieder passieren, ist jetzt der Eindruck da, wenn die Diplomatie hier nicht dem ganz klar Priorität beimisst, dann kann so ein Konflikt schnell eskalieren. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 16 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Sprecher: Nicht nur die Kirchen sind sich einig: In der Ost-Ukraine kann es nur um einen gerechten Frieden gehen. Säbelrasseln, Waffenexporte oder eine mögliche NATOMitgliedschaft der Ukraine wären fatale Signale. O-Ton Rössner: Es bringt uns nichts, auf harte Konzepte zu pochen und damit einen Krieg zu riskieren. Sprecher: Sagt Thomas Rössner vom Forum Ziviler Friedensdienst. Er unterstützt eine Politik, die auf Verhandlungen setzt: O-Ton Rössner: Die wirtschaftlichen Sanktionen bringen oft nicht das, was man sich von ihnen erhofft, sie haben Signalwirkung. Und Sanktionen ersetzen nicht das Gespräch. Sprecher: Margot Käßmann warnt vor einer Eskalation des Konfliktes in der Ukraine. Sie beklagt, dass man immer wieder in einer Spirale der militärischen © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 17 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Auseinandersetzung gerate. Die Ausgaben fürs Militär sind beispielsweise in Deutschland tausend Mal höher als die für den zivilen Friedensdienst. So werde man durch falsche Weichenstellungen immer wieder mit dem Dilemma konfrontiert, einer militärischen Eskalation zuzustimmen oder dem Morden zuzusehen: O-Ton Käßmann: Ich finde das hoch problematisch, dass immer wieder von dieser ultima ratio her gedacht wird, also was dann der letzte notwendige Schritt ist, wenn ein Schritt soweit eskaliert. Ich würde gern diese Diskussion umdrehen (…) und vom Frieden her denken: Was ist prima ratio. Bei vielen Konflikten ist lange bekannt gewesen, dass es zu diesem Konflikt kommt. Ich denke an den Kosovo. Ich weiß noch, Rugova ist durch Europa gefahren und hat appelliert an die Völker Europas, diesen Konflikt vorher zu stoppen. Und nichts ist passiert. Und als es dann soweit war, dass es zum „Völkermord“ kam, da wurde gesagt, jetzt helfen doch nur militärische Mittel. Und dieses Denkschema, wenn wir das nicht irgendwann umdrehen, dann werden wir keine neuen Lösungsmöglichkeiten finden, dann wird es immer wieder heißen: noch mehr Waffen und noch mehr Waffen in einer Welt, die an Waffen kein Mangel hat. Sprecher: Die damalige Ratsvorsitzende hat in ihrer Neujahrspredigt 2010 in der Dresdener Frauenkirche versucht, sich dieser Logik zu widersetzen. O-Ton oder Sprecherin: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 18 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Nichts ist gut in Afghanistan. O-Ton Käßmann: Diese zugespitzte Formulierung, die fünf Worte sind in einer längeren Predigt, (..) sollte ja nicht heißen, das überhaupt nichts gut ist, aber das Unbehagen, dass ich da ausgedrückt habe, dass wir so tun, als wäre alles gut, das ist ja geblieben. Was hat der Einsatz gebracht? Hat er den Menschen etwas gebracht, hat er was zum Besseren verändert? (…) was war das Ziel? Und haben wir das Ziel erreicht? Da muss man sagen: Nein. Sprecher: Das sieht der katholische Militärgeneralvikar Reinhold Bartmann allerdings anders: O-Ton Bartmann: Die militärische Intervention in Afghanistan hat ihre Ziele nicht vollständig verfehlt: die Gewaltherrschaft wurde gestürzt, Ansätze rechtsstaatlicher Strukturen wurde zumindest befördert und infrastrukturelle Aufbauleistungen sind ja auch erfolgt. (…) Es hätte manches besser laufen können, aber es ist auch nicht alles schief gelaufen. Sprecher: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 19 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Der Militäreinsatz hat rund 20.000 afghanischen Zivilisten und 3371 Soldaten der Koalitionstruppen das Leben gekostet. 54 deutsche Soldaten starben am Hindukusch. Insgesamt rund 25.000 Soldaten wurden verletzt. Und die finanzielle Belastung: der Krieg hat Deutschland rund 35 Milliarden Euro gekostet. Die USA rund dreißigmal so viel. Und dennoch bekräftigt Reinhold Bartmann: O-Ton Bartmann: Dieser Einsatz war nicht umsonst. O-Ton Heinrich: Die empirische Evidenz ist ganz eindeutig, dass ein militärischer Eingriff bislang alle Konflikte weiter eskaliert hat, nicht zu einer Deeskalation beigetragen hat, Konflikte massiv verlängert und verschärft hat. Sprecher: Wolfgang Heinrich ist beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt zuständig für die Friedensarbeit. O-Ton Heinrich: Wir müssen uns im Klaren sein: Niemand baut eines anderen Frieden, der entsteht nur, wenn die Menschen ihn sich selbst aufbauen, das können wir unterstützen von außen, wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht in den Fahrersitz rutschen. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 20 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 Meines Erachtens ist es ein Irrtum zu meinen, wir könnten Situationen stabilisieren, indem wir Truppen, Polizei für bestimmte Regierungen ausbilden. Weil (..) wir haben es überwiegend mit innergesellschaftlichen Konflikten zu tun und da ist die Regierung immer auch eine Partei des Konfliktes. Wenn ich jetzt zum Beispiel in Somalia, was die Bundesregierung ja macht, Soldaten für die somalische Armee aufbaue, baue ich Truppen für eine Konfliktpartei auf. Dass das einen innergesellschaftlichen Friedensprozess nicht unterstützt, müsste mir eigentlich klar sein. Sprecher: Das gelte auch und gerade für den Irak, sagt Wolfgang Heinrich. O-Ton Heinrich: Die internationale Staatengemeinschaft hat nicht wahrhaben wollen, dass die neue Regierung nach dem Sturz von Saddam Hussein sehr stark schiitisch geprägt war und in ihrer gesamten Politik in einer sehr massiven Art und Weise gegen die sunnitische Bevölkerung diskriminiert hat, und damit natürlich diesen Argumenten der IS das Rekrutierungspotential aufgebaut hat. Sprecher: Wolfgang Heinrich und Heinz-Gerhard Justenhoven betonen beide, dass die Terrororganisation Islamischer Staat wenig mit Religion zu tun habe. Hier gehe es vor allem um brutale Machtspiele innerhalb des Nahen Osten: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 21 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 O-Ton Justenhoven: Das militärische Rückgrat des IS sind Offiziere der ehemaligen Armee von Saddam Hussein, die als Sunniten von der schiitischen Regierung in Bagdad von der Macht ferngehalten worden sind. Im Verbund mit sunnitischen Stämmen sind sie die tragende Säule des IS und ich glaube sagen zu können, dass der IS wie ein Kartenhaus zusammenbrechen würde, wenn es gelingen würde, diese Gruppen politisch einzubinden und nur so kann ich mir vorstellen, dass man den Konflikt lösen kann. Sprecher: Vielleicht sei es momentan noch nicht möglich, mit Vertretern des IS zu reden. Aber: O-Ton Justenhoven: Man wird mit allen, am Konflikt Beteiligten reden müssen. Wir haben ja am Beispiel der Taliban gelernt, dass man über Jahre gemeint hat, mit diesen Gruppen kann und darf man nicht reden, und am Ende ist klar, dass wir eine politische Befriedung Afghanistans nur hinbekommen können unter Einbeschluss dieser Gruppe und auch der Interessen dieser Gruppe. Sprecher: Eine Position, für die Margot Käßmann vor fünf Jahren verspottet wurde: © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 22 Die Kirchen und der krieg – Gerechter Friede mit Waffen Lebenszeichen Von Michael Hollenbach 06.04.2015 O-Ton Käßmann: Für mich ist manchmal das Absurde, dass ich nach dieser Predigt 2010 ironisch angegriffen wurde nach dem Motto, dann soll Frau Käßmann doch gehen und mit den Taliban reden , mit denen kann man nämlich nicht reden. Und heute ist ganz klar: Ohne so einen Dialog wird es keinen stabilen Frieden geben. Sprecher: Weite Teile beider großen Kirchen tun sich schwer mit der Frage von Krieg und Frieden. Soweit man nicht aus einer pazifistischen Position militärische Gewalt generell ablehnt, geraten auch die Christen, wenn man sich auf die Logik der militärischen Auseinandersetzung einlässt -in ein Dilemma: heute vielleicht den Waffeneinsatz, das Töten, den Krieg befürworten, um morgen weitere Zerstörungen und Morde zu verhindern? O-Ton Käßmann: Das ist ein ethischer Konflikt, aus dem du nicht rauskommst mit sauber gewaschenen Händen und dem Gefühl, du bist schuldfrei. © Westdeutscher Rundfunk Köln 2015 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. 23
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