Großeinsatz in Berlin gegen Islamistenszene

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KUN D E N S E RVI C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7
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SA MSTAG , 17. JANUAR 2 015
Erfolgsmeldung
im Kampf
gegen Ebola
D
THEMEN
Wo sich Flusspferd
und Pavian treffen
Beilage
Literarische Welt
Martin Kluger
erzählt die
Geschichte der
„Schönen Diebe“
Beilage
Motor
Der Audi-Chef hat
Spaß am Fahren
Seite 16
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Im Plus
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Zahl der Neuerkrankten
geht zurück
KARLSRUHE – Mieter können verpflichtet werden, zu bestimmten Zeiten nicht auf ihrem Balkon zu rauchen. Das hat der Bundesgerichtshof
(BGH) entschieden. Voraussetzung ist
demzufolge, dass der Rauch für andere eine „wesentliche Beeinträchtigung“ darstellt. Es ging um die Klage
eines Ehepaars aus dem brandenburgischen Premnitz. Die beiden Nichtraucher wollten nicht akzeptieren,
dass sie den Zigarettenqualm ihrer
Nachbarn aus der unteren Etage ertragen sollen. Wie viel diese auf dem
Balkon rauchen, blieb ungeklärt. Die
Zahlen schwankten zwischen zwölf
und 20 Zigaretten täglich.
Der Bundesgerichtshof gab im
Grundsatz dem klagenden Ehepaar
recht. Das Gebot der gegenseitigen
Rücksichtnahme gelte auch beim Streit
übers Rauchen, sagte die Vorsitzende
BGH-Richterin Christina Stresemann.
Ein zeitweiliges Rauchverbot ist dem
Urteil zufolge grundsätzlich möglich,
wenn der Rauch wegen der damit verbundenen Geruchsbelästigung als störend empfunden wird. Ist das nicht der
Fall, muss der Mieter nachweisen
können, dass durch den Qualm eine
Gesundheitsgefahr entsteht.
Siehe Kommentar und Seiten 3 bis 5
Seite 19
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REUTERS/FABRIZIO BENSCH
Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos stehen vor einem Haus im Berliner Stadtteil Wedding, in dem einer der Islamisten wohnt
Großeinsatz in Berlin
gegen Islamistenszene
Punkte
B
D. soll als selbst ernannter „Emir“ eine
Islamistengruppe in Berlin-Tiergarten mit
Türken und russischen Staatsangehörigen
tschetschenischer und dagestanischer
Herkunft angeführt haben. Zudem soll er
rund 30 Personen mit „Islamunterricht“ in
einem Moscheeverein radikalisiert haben.
Zuletzt gab es in Deutschland häufiger
Durchsuchungen und Festnahmen von
Heimkehrern aus Syrien und dem Irak. Am
Donnerstag war in Wolfsburg ein DeutschTunesier festgenommen worden, der sich
dem IS in Syrien angeschlossen haben soll.
In Pforzheim hatte die Polizei Wohnungen
mutmaßlicher Islamisten durchsucht.
BAHNHÖFE IM VISIER
Die Sicherheitsbehörden haben
Hinweise auf mögliche islamistische
Anschläge auf die Hauptbahnhöfe in
Berlin und Dresden erhalten. Entsprechende Informationen des „Spiegel“
bestätigten Sicherheitskreise. Die Dienste hätten die Kommunikation internationaler Dschihadisten abgefangen.Aus
einer Quelle hieß es zudem, auch die
Pegida-Demonstrationen gälten als gefährdet. Extremisten gehe es heute um
Anschläge ohne großen Aufwand, ohne
lange Vorbereitungszeit und unter größtmöglicher Aufmerksamkeit.
Garant
der Freiheit
Auch in diesen beiden Fällen gab es keine
Hinweise auf Anschläge in Deutschland.
Angesichts der neuen Fälle fordert die
Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im
Bundestag, Gerda Hasselfeldt, eine schnelle Gesetzesvorlage zur Einführung der
Vorratsdatenspeicherung in Deutschland –
auch ohne EU-Regelung. „Wir müssen
nicht zwingend auf die EU warten“, sagte
Hasselfeldt der „Welt“. „Die Kriterien für
eine verfassungs- und europarechtskonforme Speicherung von Verbindungsdaten
sind vom Bundesverfassungsgericht und
dem Europäischen Gerichtshof schließlich
klar benannt.“ Es könne doch nicht sein,
„dass Verbindungsdaten selbstverständlich
gespeichert werden, wenn es um Rechnungen geht, aber bei der Bekämpfung von
Kriminalität und Terrorismus gibt es einen
Riesenzinnober“.
Mit schweren Waffen und Sprengstoff
wollten offenbar Dschihadisten in Belgien
einen Anschlag auf die Polizei verüben.
Neben zwei am Donnerstagabend bei einem Anti-Terror-Einsatz getöteten Männern gehörten mindestens 13 Verdächtige
zu der Terrorzelle. Mehrere Mitglieder seien im Syrien-Krieg gewesen. Ein Staatsanwalt: „Diese Gruppe wollte Polizisten auf
der Straße oder in Kommissariaten töten.“
Die Regierung ordnet die zweithöchste
Terrorwarnstufe an, jüdische Schulen in
Brüssel und Antwerpen wurden geschlossen, Polizeiwachen verbarrikadiert.
Die Vereinten Nationen
haben sich vorsichtig optimistisch zur
Entwicklung der Ebola-Epidemie in
Westafrika geäußert. Es sehe so aus,
als ob die Krankheit langsam auf dem
Rückmarsch sei, sagte der UN-Sonderbeauftragte für Ebola, David Nabarro. Die Maßnahmen, die zur Bekämpfung ergriffen wurden, zeigten
Wirkung. Überall gebe es mittlerweile
Einrichtungen zur Behandlung von
Erkrankten. Bestattungen von verstorbenen Ebola-Patienten würden in einer „sicheren und würdigen“ Art und
Weise vorgenommen. „Das Ergebnis
ist, dass wir den Anfang einer Verlangsamung des Ausbruchs sehen.“
Liberias Regierung gab sich zuversichtlich, dass das besonders stark betroffene Land bis Ende Februar vollständig Ebola-frei sein könnte. Das
Gesundheitsministerium verwies auf
einen starken Rückgang von Krankheitsfällen. Auch in Sierra Leone und
in Guinea machten die Behörden
Fortschritte aus. Mehr als 8400 Menschen starben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bislang an Ebola in den drei Ländern. Etwa 21.200 haben sich infiziert, seit die
Krankheit erstmals vor knapp einem
Jahr im März registriert worden war.
NEW YORK –
ei einem Großeinsatz gegen
gewaltbereite Islamisten in
Berlin hat die Polizei zwei Terrorverdächtige festgenommen.
Die beiden Türken sollen die
Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützt und eine schwere staatsgefährdende
Gewalttat in Syrien vorbereitet haben. Für
Anschlagspläne in Deutschland gibt es
aber keine Anhaltspunkte. Ein Polizeisprecher sagte: „Es gibt keinen Zusammenhang
mit den Anschlägen in Frankreich.“
Die 41 und 43 Jahre alten Verdächtigen
waren nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Kern einer Logistikzelle für terroristische Aktivitäten. Sie sollen Kämpfer
rekrutiert, fanatisiert und bei der Ausreise
nach Syrien unterstützt haben, sagte der
Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Dabei soll die Gruppe, zu der drei weitere Männer mit „untergeordneter Tatbeteiligung“ gerechnet werden, auch Nachtsichtgeräte, Geld und Flugtickets besorgt
haben. Die anderen drei Verdächtigen,
ebenfalls in Berlin lebende Türken, blieben
auf freiem Fuß.
Bei dem Einsatz wurden am Freitagmorgen elf Wohnungen durchsucht. 250 Beamte, darunter drei Spezialeinsatzkommandos, waren dabei. Einer der Verhafteten,
Ismet D., 41, wollte laut Polizei unmittelbar ausreisen, vermutlich ins türkisch-syrische Grenzgebiet. Bei den Durchsuchungen seien Flugtickets für die Türkei beschlagnahmt worden.
ULF POSC HARDT
ie Wehrhaftigkeit der Demokratie kann ein Staat nicht an die
Sicherheitsbehörden delegieren. Die Terroranschläge von Paris haben dem freien Westen deutlich gemacht, wie wertvoll eine offene Gesellschaft ist, die auf Toleranz und
Meinungsfreiheit beruht, und wie angreifbar sie ist. Zivilgesellschaftlich
sind die Parteigänger des Freiheitlichen enger zusammengerückt, Medien, die sonst ihre Differenzen betonen, achten aufeinander. In den sozialen Netzwerken finden virtuelle Solidaritätskundgebungen für Opfer und
Bedrohte statt. Auch Muslime nutzen
die Verunsicherung nach dem Blutbad
von Paris zu klaren Stellungnahmen.
Die freie Welt ist sich nahe wie selten.
Dies funktioniert wie eine Armierung.
In der zivilen Reaktion auf die Barbarei bewährt sich die Überlegenheit
freier Gesellschaften gegenüber den
Agenten des Mittelalterlichen und Antihumanen. Doch damit ist es nicht
getan. In den vergangenen Tagen gab
es Verhaftungen überall in Europa,
auch in Deutschland. Diese umfassenden Polizeiaktionen verdeutlichen
den islamistischen Terrorlehrlingen,
dass der Westen nicht nur über eine
sensible Art der Trauer und Selbstvergewisserung verfügt, sondern auch
über Polizei, Geheimdienste und
Sondereinsatzkommandos, die entschieden zugreifen können. Sie verkörpern den bewaffneten Arm der
Wehrhaftigkeit unserer Demokratie.
Bei den Gedenkveranstaltungen in
Paris haben alte Linke neben jungen
Frauen mit bunt gefärbten Haaren
den Polizeikolonnen stehende Ovationen bereitet. „Merci, merci, merci“,
schallte es aus Zigtausenden Mündern. Den schwer bewaffneten Elitetruppen der Gendarmerie war die
Rührung darüber anzusehen. Im republikanischen Geist haben die Demonstranten in den Polizisten jene
Garanten der Freiheit erkannt, die sie
in Zeiten islamistischer Bedrohung
längst sind – und nicht länger ein
Feindbild wie in den Demonstrationsriten vergangener Tage.
Die Bundesregierung, allen voran
Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Thomas de Maizière, haben
einen klugen, gemäßigten Ton im Umgang mit der Bedrohung durch den Islamismus an den Tag gelegt, der die
Terrorträume der feigen Freunde der
Eskalation unterläuft. Das überall in
Europa wogende Meer an Zwischentönen ist ein Zeichen der Souveränität
und Unerschrockenheit. Wenn Staatsanwälte und ermittelnde Behörden
gleichzeitig mit Verhaftungen und
ausgeweiteten Ermittlungen rechtsstaatlichen Druck ausweiten, passt
das gut zueinander. Das Gewaltmonopol des Staates schützt unsere Freiheit. Die Toleranzgrenze muss sinken.
Am Donnerstag wurde einem Journalisten in der Straßenbahn die „FAZ“
aus der Hand gerissen. Dort war die
neueste „Charlie Hebdo“-Mohammed-Karikatur zu sehen. Dies ist nicht
hinnehmbar. Es geht jetzt auch im
Kleinen um eine klare Kante gegen jede Form antifreiheitlicher Radikalität.
Gruppe soll Kämpfer für die Terrormiliz IS angeworben haben. Belgien im
Alarmzustand nach dem erfolgreichen Schlag gegen eine Terrorzelle
Reise
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KOMMENTAR
Zippert zappt
er Edathy-Untersuchungsausschuss steht
vor dem Zusammenbruch. Er soll eigentlich die
Frage klären, ob und von wem
Edathy vor Ermittlungen des
BKA gewarnt worden ist. War
es Crystal-Meth-Spezialist
Hartmann oder der ehemalige
BKA-Chef Ziercke? Sicher
scheint nur, dass Sigmar Gabriel keine Schuld trifft, denn
der weiß normalerweise von gar
nichts. Die Klärung der Warnfrage ist für den Fortbestand
Deutschlands von elementarer
Bedeutung, doch im Moment
weiß der Untersuchungsausschuss noch nicht einmal, dass
er nichts weiß. Es besteht sogar
die Möglichkeit, dass der Untersuchungsausschuss selber Edathy vor einem Untersuchungsausschuss gewarnt hat. Ob das
stimmt, muss ein neuer Untersuchungsausschuss herausfinden. Doch es ist fraglich, ob
sich Parlamentarier für diesen
Job finden. Die Mitglieder des
Edathy-Untersuchungsausschusses sind am Ende. Sie
rufen sich täglich gegenseitig
an, um sich davor zu warnen,
dass am nächsten Tag eine neue
Sitzung ansteht. Manchmal ruft
auch nur jemand an und warnt
davor, dass er gleich noch
einmal anrufen wird.
B
Rauchen auf
Balkon kann
verboten werden
Rücksichtnahme auf
andere Mieter wichtig
D
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©NASA
Der Absacker wird teuer
Z
Heute ab 20.05 Uhr
Höher, schneller, weiter
Die Doku-Reihe
„Geschichte der Raumfahrt“
u den Verlierern der Franken-Aufwertung
zählen auch die Teilnehmer des exklusiven
Weltwirtschaftsforums in Davos Ende Januar. Für einen Whisky der Marke Johnny Walker
Blue im „Grandhotel Belvédère“, einer beliebten
Adresse unter den Forumsteilnehmern für abendliche Plaudereien, muss man nun umgerechnet
35,82 Euro zahlen. Das sind knapp sechs Euro
mehr als vor drei Tagen, errechnete die Finanzagentur Bloomberg. Im „Hotel Seehof“ dürfte eine
Flasche Champagner der Marke Dom Pérignon,
Jahrgang 2004, nun umgerechnet 347 Euro kosten.
Vor der Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank, den Wechselkurs des Franken zum
Euro freizugeben, waren es 291 Euro. Sparsame
Davos-Teilnehmer haben eine Option, die Kosten
niedrig zu halten: Eine Grillwurst mit Senf und
Brot ist eine herzhafte Mahlzeit und kostet im
Straßenverkauf rund acht Franken, also 7,95 Euro
– 1,29 Euro mehr als zur Wochenmitte. Allerdings
gibt es auch echte Probleme: Die Franken-Freigabe schockiert Hunderttausende Kreditnehmer in
Osteuropa. Die Rückzahlungsraten für Darlehen
in Franken seien „über Nacht um bis zu 20 Prozent“ geklettert, klagt eine serbische Zeitung.
Brokerhäuser weltweit hat die Schweizer Entscheidung Milliarden gekostet.
Foto Michel Gibert. Foto unverbindlich. Dank an: TASCHEN.
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THE WINTER
SALE
Seiten 9 und 17
DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen
deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030/25910, Fax 030/259171606, E-Mail: [email protected]; Anzeigen: 030/585890, Fax 030/585891, E-Mail
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IRL 3,50 & / KRO 29,00 KN / L 3,50 & / MLT 3,50 & / MA 53 & / N 43 NOK / NL 3,50 & /
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