SWR2 MANUSKRIPT

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ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Adnan Tabatabai: Morgen in Iran
Die islamische Republik im Aufbruch
Edition Körber-Stiftung Hamburg 2016
304 Seiten
17 Euro
Rezension von Reiner Scholz
Freitag, 27.01.2017 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Der Titel macht stutzig. „Morgen in Iran“. Was soll das heißen? Ist es ein Aufruf, sich
Morgen in Iran zu treffen. Oder bedeutet es, dass in Iran ein neuer Morgen angebrochen
ist? Wie auch immer: zu beidem wäre mit dem Autor sicher eine Übereinkunft zu erzielen.
Adnan Tabatabai lebt als Sohn iranischer Eltern in Deutschland. Als Analyst und IranExperte berät er Ministerien, politische Stiftungen und Institutionen in Europa. Und dieses
Buch ist eine lesenswerte Einladung, sich mit dem Land und seinen Menschen näher zu
beschäftigen.
Der Autor nimmt uns mit auf eine Reise in die Heimat seiner Eltern. Im ersten Kapitel
fliegen wir mit ihm nach Teheran und im letzten bringt das Flugzeug uns wieder zurück
nach Düsseldorf. Dazwischen liegen viele Begegnungen mit Menschen, die auch stolz auf
die 7000-jährige Kulturgeschichte ihres Landes blicken. Von solchen persönlichen
Begegnungen erfahren wir allerdings nur am Rande. Der Autor ist doch mehr dem
analytischen Denken verhaftet. Das gibt dem Buch über weite Strecken den Charakter
eines sozialkundlichen Länderreports. Da werden nacheinander die großen Themen
übersichtlich abgearbeitet: Das Politiksystem, die Rolle des Militärs, die Rolle der
Geistlichkeit, die Wirtschaft, die Außenpolitik, die Lage der Frauen, die Bedeutung der
Medien und so weiter.
Das klingt vielleicht langweilig, ist es aber überhaupt nicht. Weil die gesellschaftlichen
Prozesse in Iran sehr spannend sind und es dem Autor gelingt, das zu zeigen. Da gibt es
den Klerus, der zunächst konservativ daherkommt, aber auch einflussreiche Reformer in
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seinen Reihen hat. Da ist die Lage der Frauen, die in vielen Rechtsfragen, dem Erbrecht
beispielsweise und auch in Fragen der persönlichen Freizügigkeit klar benachteiligt sind,
von denen aber durchaus auch erwartet wird, dass sie gut gebildet sind, weshalb es unter
den Studenten mehr Frauen als Männer gibt. Zwar sei es Vorschrift, ein Kopftuch zu
tragen. Doch werde dieses häufig so elegant und locker angelegt, dass ihm dann mehr
eine Alibifunktion zukommt. Gerade die selbstbewussten Frauen seien es, die an vielen
Punkten geschickt und mit Erfolg versuchen, ihre Spielräume zu erweitern. Manches
werde bestraft, anderes wieder nicht. Ähnliche Reformprozesse sind anderswo zu
beobachten, etwa in den Medien, wobei, so der Autor, Journalisten und Filmemacher nie
so recht wissen, was sie eigentlich gerade dürfen und was nicht.
Am Beispiel des jüngsten Atomabkommens mit der UNO zeigt Adnan Tabatabai die
ideologischen Linien auf, die im Iran existieren: Zwischen den Konservativen, die Angst
haben, sich dem Westen auszuliefern und denjenigen, die eine Übereinkunft mit dem
Westen suchen, weil dies dem Lande wirtschaftlich gut tun würde.
In diesem Land, so scheint es, ist vieles möglich: Etwa, dass Verantwortliche gegen den
Staat Israel hetzen und es gleichzeitig in Iran offenbar keinen erkennbaren Antisemitismus
gibt. Iran ist voller Überraschungen. So zählen viele der radikalen Studenten, die 1979 die
US-Botschaft in Teheran für mehr als ein Jahr besetzt haben, mittlerweile zum Lager der
Reformer, die eine Annäherung an den Westen wünschen. Die Besetzung hatte seinerzeit
zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen USA und Iran geführt, dessen Folgen bis heute
andauern. Mit seinen 80 Millionen Menschen, seiner großen Wirtschaftskraft, seinen
riesigen Erdöl-und Ergasvorkommen, seiner relativen Stabilität und seiner zentralen
geografischen Lage ist Iran schon heute ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor im Nahen
Osten. Er unterstützt eben nicht nur den syrischen Präsidenten Al Assad, der Teile seines
Volk bombardiert sondern bekämpft auch – zusammen mit dem Westen übrigens – die
Terroristen des „sogenannten islamischen Staates“.
Adnan Tabatabai versteht sich als Brückenbauer. Sein Buch ist gut lesbar und
systematisch aufgebaut. Für Iraner ist Deutschland das mit Abstand beliebteste Land im
Westen. Für die Deutschen gilt das umgekehrt nicht. Vielleicht ändert sich das Bild aber
nach dieser Lektüre.
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