SWR2 DIE BUCHKRITIK

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Jan Assmann: Totale Religion
Ursprünge und Formen puritanischer Verschärfung
Picus Verlag Wien
184 Seiten
20 Euro
Rezension von Martin Krumbholz
Freitag, 13. Januar 2017 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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„Der 1938 geborene Gelehrte Jan Assmann ist Ägyptologe, Klassischer Archäologe und
Gräzist. Von 1976 bis 2003 hatte er den Lehrstuhl für Ägyptologie an der Universität
Heidelberg inne. Er hat viele Bücher veröffentlicht, darunter eines über die „Zauberflöte“,
eine „Oper mit zwei Gesichtern“. Der vorliegende Band mit dem Titel „Totale Religion“
basiert auf einer 2004 in Wien gehaltenen Vorlesung zum Thema Monotheismus und die
Sprache der Gewalt, die Assmann angesichts der damals ungeahnten Aktualität des
Themas wesentlich erweitert hat.
Gleich im ersten Kapitel seines Buchs „Totale Religion“ bemerkt Jan Assmann, er wisse,
dass er sich mit seinem Thema – Monotheismus und die Sprache der Gewalt – auf
vermintes Gelände begebe. Denn seit der Aufklärung werde der Bibel und besonders dem
Alten Testament die Sprache der Gewalt vorgehalten. Viele Argumente der
philosophischen Religionskritik seien später von den Antisemiten des 19. und 20.
Jahrhunderts beerbt und in antijüdische Klischees umgemünzt worden, etwa die
unsägliche Rede vom „alttestamentarischen Rachegott“.
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Assmann befürchtet Missverständnisse. Er behaupte ja nicht, stellt er klar, der
Monotheismus habe Hass und Gewalt in eine bis dahin friedliche Welt gebracht. Er
konstatiere lediglich, dass der Monotheismus eine Religion sei, in deren kanonischen
Texten die Themen Gewalt, Hass und Sünde eine auffallend große Rolle spielten. Nun
sind Hass und Gewalt Themen, die ganz grundsätzlich in der Menschheitsgeschichte eine
große Rolle spielen – warum also sollte es in den kanonischen Texten der maßgeblichen
Religionen anders sein? Die These kommt fast einer Plattitüde nahe und rechtfertigt kaum
den plakativen Titel „Totale Religion“. Man begreift besser, worauf Assmann hinauswill,
wenn man das Goethe-Zitat hinzuzieht, das der Autor in der Mitte seiner Abhandlung
einbringt; das einzige und tiefste Thema der Welt- und Menschheitsgeschichte, heißt es
da, bleibe „der Conflict des Unglaubens und des Glaubens“.
Eine bemerkenswerte Feststellung. Der Konflikt des Glaubens und des Unglaubens, wo
auch immer man das eine und das andere verortet, ist auch heute von unbestreitbarer
Virulenz. Mehr als gerechtfertigt ist eine gründliche Untersuchung des scharfen kulturellen
Bruchs beispielsweise zwischen der Vielgötterei des sogenannten Heidentums und dem
Monotheismus des Alten und des Neuen Testaments sowie des Islam. Wenn Assmann
dem Leser Zitate aus dem Alten Testament vor Augen stellt wie die Aufforderung, Altäre
niederzureißen, Gedenksteine zu zerbrechen und Götterbilder mit Feuer zu verbrennen,
dann muss man zugeben: Dieser Gott ist kein „Rachegott“, aber immerhin ein
eifersüchtiger Gott, und mit seinem Zorn ist nicht zu spaßen.
In den jüdischen Texten der Zeit Alexanders des Großen, führt Assmann aus, nähmen die
Invektiven gegen den Götzendienst zu; die Idolatrie, also die Götzenbildverehrung, werde
nunmehr zur Signatur des „Heidentums“ und zum Kriterium der Abgrenzung davon. Man
denke an die berühmte Episode vom „Tanz um das Goldene Kalb“, wenn das jüdische
Volk beim Zug durch die Wüste die Geduld verliert und die Rückkunft seines Führers
Moses nicht länger erwarten will. Dem „Murren“ des uneinsichtigen Volkes widmet
Assmann ein eigenes Kapitel. Jahwe ist der einzige Gott und der Bruch mit der Vielgötterei
kann nicht drastisch genug beschrieben werden.
Ikonoklasmus, also Bilderzerstörung, ist Theoklasmus, also Gotteszerstörung. Mit den
Bildern sollen die Götter verschwinden. Heidentum ist Verblendung, Monotheismus ist
Aufklärung. Dass diese Gleichsetzungen letztlich zu simpel sind, dass sie nicht
funktionieren, stellt Assmann deutlich klar, es ist eine seiner zentralen Thesen.
Wenn von zerstörten Kultstätten die Rede ist, denkt man heute an die Taliban, an den
„Islamischen Staat“ und an Palmyra. Darauf geht der Autor leider nicht näher ein. Jan
Assmann ist ein akribischer Sammler von Belegstellen, sein Buch ist übervoll von Zitaten
und Belegen, doch zu selten geht der Autor auf virulente Aspekte des Themas ein.
Beiläufig weist er darauf hin, das Kopftuchtragen sei in vielen islamischen Ländern wie
Iran und Türkei nichts weiter als eine fromme Sitte gewesen; den Rang eines „status
confessionis“ habe es erst durch das Verbot unter Kemal Atatürk bzw. unter Shah Reza
Pahlevi in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts gewonnen.
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Und was besagt das für heute, möchte man fragen. So ist dies ein gelehrtes, den
interessierten Laien anstrengendes, aber nicht wirklich geglücktes Buch geworden.
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