SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Alberto Barrera Tyszka: Die letzten Tage des Comandante Aus dem Spanischen übersetzt von Matthias Strobel Verlag Nagel & Kimche 250 Seiten 22 Euro Rezension von Peter B. Schumann Freitag, 25.11.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Der Name Hugo Chávez hat jahrelang die lateinamerikanischen Schlagzeilen beherrscht. Er galt schon zu Lebzeiten als Legende, über die Filme gemacht und Bücher geschrieben wurden. Einer der venezolanischen Autoren, die sich intensiv mit Chávez auseinandergesetzt haben, ist der Romancier, Poet und Drehbuchautor Alberto Barrera Tyszka. Für seinen Roman Die letzten Tage des Comandante erhielt er 2015 den Premio Tusquets, einen der angesehensten spanischen Verlagspreise. Autor: Wie kann sich ein venezolanischer Schriftsteller Hugo Chávez nähern, der berühmtesten und umstrittensten Figur der jüngsten Geschichte seines Landes? Alberto Barrera Tyszka hat ihn zunächst seines militärischen Nimbus entkleidet in der Biografie Chávez ohne Uniform. Das war 2004, und der ehemalige Oberstleutnant war auf der Höhe seines Ruhms. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT 2015 hat der Autor einen erneuten, fiktionalen Versuch unternommen und Die letzten Tage des Comandante rekonstruiert. Dazu motiviert hat ihn das mühsame Sterben des Máximo Líder und der dabei entstandene Heldenkult. Alberto Barrera Tyszka wollte sich jedoch nicht mit einer einfachen Nacherzählung dieses zweijährigen Prozesses begnügen, denn inzwischen hatte der präsidiale Nachfolger Maduro aus Venezuela, einem der ölreichsten Länder, das Armenhaus Lateinamerikas gemacht. Deshalb hat er für diese komplexe Ausgangslage eine vielschichtige literarische Komposition gewählt. Eine der zentralen Figuren in dem personenreichen Arsenal der Geschichte ist der Onkologe Miguel Sanabria. Er ist politisch indifferent, wollte sich immer „dieses Land vom Leib halten“ und muss erleben, wie es ihn einholt, als der Comandante sich anschickt zu sterben. Miguels Frau Beatriz ist eine entschiedene Anti-Chavista, sein Bruder Antonio ein eifernder Anhänger des Präsidenten und der Neffe Vladimir ein Parteigänger, der gerade seine Privilegien verloren hat. Er bringt die Handlung ins Rollen, als er bei Miguel eine Zigarrenkiste mit einem Handy deponiert, das die letzten Worte des Totgeweihten enthalten soll. Dann gibt es da noch den Journalisten Fredy Lecuna, der bei seiner Zeitung gekündigt hat, weil er nicht mehr wahrheitsgemäß berichten durfte, und der nun an einem Roman über Die letzten Tage des Comandante arbeitet, jedoch an einer Schreib-Blockade leidet. Der Leser darf vermuten, dass in diesem Fredy ein paar Facetten des Autors stecken. Das sind nur einige der Konfliktfäden, die sich um den Handlungskern – den Tod von Chávez – winden. Alberto Barrera Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Tyszka hat sie kunstvoll zusammengefügt und in kurze Kapitel gegliedert, so dass der Leser den Überblick behält. Sie enden oft mit einem Knalleffekt oder zumindest mit einem Spannungsmoment, beispielsweise mit einem Schuss, dessen Folgen erst in einem späteren Kapitel offenbart werden. Harte Schnitte liebt der Autor: man merkt, dass er ein Drehbuch-Autor ist, ein Verfasser von Telenovelas, von denen er hauptsächlich lebt. Durch die Fülle der einzelnen Schicksale gelingt es ihm, ein differenziertes Bild der venezolanischen Gesellschaft zu entwerfen und vor allem die Polarisierung herauszuarbeiten, den tiefen Graben, den Chávez zwischen Anhängern und Gegnern seiner Politik gezogen hat. Noch interessanter als das soziale Panorama sind die essayistischen Einschübe Alberto Barrera Tyszkas, seine politischen Anmerkungen, mit denen er die Handlungen kommentiert. Er charakterisiert beispielsweise die ‚bolivarische Revolution‘ von Chávez als „eine harte Droge, ein politisches Aufputschmittel, eine Rückkehr zur Jugend“ für Altlinke. Zur rhetorischen Dauerleistung dieses Máximo Líders schreibt er ironisch: „Chávez hatte den sprechenden Staat geschaffen, der darüber hinaus auch ein kirchlicher Staat war: alle wiederholten die Worte des Messias.“ Und später hat er seine Krankheit genutzt, „um Politik zur Religion zu erheben“. Je näher der damalige Präsident dem Tod kommt, desto ausführlicher fügt der Autor das politische Geschehen in die einzelnen Handlungsstränge ein. Er will damit zeigen, dass Chávez seiner Krebserkrankung „sukzessive einen sakralen Charakter verliehen“ hat und dass in einer großen Medienkampagne Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT schließlich „die Gesundheit des Präsidenten mit der Gesundheit des Landes“ gleichgesetzt wurde. Von dessen zunehmender Heroisierung hatten wir selbst in Deutschland durch die Medien einiges erfahren. Die anschließende Apotheose war jedoch nicht bis hierher durchgedrungen: Chávez als Retter der Armen, als Märtyrer der Unterdrückten. In der mit Ironie gewürzten Real-Fiktion der Darstellung der letzten Zeit des Lebens und Sterbens von Hugo Chávez liegt der besondere Erkenntniswert dieses außergewöhnlichen Romans. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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