PREIS DEUTSCHLAND 4,90 € 101158_ANZ_10115800005367 [P].indd 1 DIEZEIT 15.01.16 09:12 WO C H E N Z E I T U N G F Ü R P O L I T I K W I RTS C H A F T W I S S E N U N D KU LT U R DIE ZEIT im Taschenformat. Jetzt für Ihr Smartphone! www.zeit.de/apps 10. NOVEMBER 2016 No 47 101159_ANZ_10115900005368 [P].indd 1 15.01.16 09:11 US-WAHL: TRUMPS TRIUMPH OH MY GOD! Was auf die Welt zukommt Donald Trump wird seine Drohungen wahr machen. Die Verfassung aber steht ihm im Weg VON JOSEF JOFFE D Trumps Übergangsteam bramarbasiert, es habe be‑ ie Wahl des Donald Trump ist keine normale Verschiebung der politischen reits 25 Präsidial-Dekrete vorbereitet. Die werde er Tektonik, sondern ein Erdbeben der gleich nach der Inauguration am 20. Januar 2017 unter‑ Stärke 8,5 – das Amerika und die ge‑ schreiben, um »die Obama-Präsidentschaft auszuradie‑ samte Welt erschüttern wird. Als Trump ren«. Nun sind solche Federstriche nichts Außergewöhn‑ im Sommer 2015 die Kandidatur ausrief, schien das nur liches in der Geschichte. Obama selbst hat 252 erlassen, sein Vorgänger George W. Bush 292. der Start einer grotesken Reality-TVAußerdem pflastern diese nicht Show zu sein. Doch hat der Trumpa‑ den Weg zur ungeteilten Macht. Oba‑ tor erst 16 Republikaner-Rivalen in mas umstrittenste Verfügung, die fünf den Primaries weggekegelt, schließlich Millionen illegalen Einwanderern Hillary Clinton, Barack Obamas vor‑ Straffreiheit verhieß, wurde von einem bestimmte Erbin, die er nur zweimal Bundesgericht für nichtig erklärt. Eine in den Umfragen touchieren konnte. politische Fußnote: In seinen beiden Am 20. Januar geht die Serie in die Amtszeiten hat Obama genügend zweite Staffel. Sie heißt: »Der Staat Bundesrichter ernannt, die kaum den bin ich«. Trumpismus im Herzen tragen. Abermals haben die Umfragen in Schließlich genießt keine amerikani‑ die Irre geführt, hatten sie doch sche Institution mehr Respekt als der Clinton bis zuletzt einen, wenn auch Supreme Court, ein Bollwerk der knappen, Vorsprung vorgegaukelt. Gewaltenteilung. Wie jüngst beim Brexit, wo am Vor‑ Das zweite Bollwerk ist der Kon‑ tag des Referendums die EU-Ge‑ gress, der eifersüchtig über seine ver‑ treuen drei Punkte vorn lagen. Ge‑ Trump total? Was der neue fassungsgemäßen Vorrechte wacht, siegt haben aber dann die Feinde Präsident für Deutschland ganz gleich, ob beide Häuser von der Europas. Trumps unbegreiflicher und Europa bedeutet Partei des Präsidenten beherrscht Triumph lässt ahnen, dass es viele Seiten 2–5 werden. Da Trump den Größen auch Befragte nicht wagen, sich am Tele‑ seiner Partei routinemäßig seine Ver‑ fon als unkorrekt zu bekennen. achtung zeigte, werden die KongressMan sollte Umfragen künftig als Unterhaltungsspiel betrachten, nicht als ernst zu Republikaner noch manche Rechnung mit dem Frei‑ nehmende Vorhersage. Leider hatte Trump richtig beuter begleichen. Überdies gebietet ihnen der Selbst‑ gezielt, als er seine Giftpfeile auf die Wahlforschung erhaltungstrieb, das Schlimmste zu vereiteln, um 2020 eine Chance mit einem neuen Bannerträger zu be abschoss. Es hilft nichts: Angesichts der Verheerung müssen kommen. Richtig: Jeder neue Präsident kann mit seinem eige‑ wir uns das Beben schönreden, obwohl man dabei viel Fantasie aufbringen muss. Denn dieser Mann, der die nen Team in Washington einziehen, aber die 1200 TopRepublikanische Partei gekapert hat, meint, was er sagt. Positionen müssen vom Senat bestätigt werden: vom Folglich könnte er sehr wohl im Weißen Haus anrich‑ Minister bis zum Botschafter. Auch hier wird Trump auf ten, was er dem Wahlvolk immer wieder eingehämmert Straßensperren treffen, genauso wie bei der Ernennung hat. Grob zusammengefasst, hat er angekündigt, die der Obersten Richter, wo zwei bis drei Vakanzen anstehen. Gewaltenteilung auszuhebeln, die Medien zu unter Seine Haushaltsvorlagen müssen ebenfalls vom Kongress werfen und eine Außenpolitik zu schreddern, die Ame‑ abgesegnet werden. Zum Beispiel die Mauer gegen Mexiko. Sie wird auf rika zur Ordnungsmacht befördert hat. Der Mann ist ein Wiedergänger Mussolinis, aber freundlicherweise 25 Milliarden Dollar veranschlagt, die Trump beim Par‑ lament einholen muss. Die elf Millionen Illegalen, die er ohne schwarz behemdete Sturmtruppen. Wie will er den Umsturz verwirklichen – am Kon‑ deportieren will? Dazu brauchte er 90 000 Polizisten, sechsmal mehr, als das FBI Agenten hat. Ein konservativer gress und an den Gerichten vorbei? Illustration: Smetek für DIE ZEIT; kl. Foto: Jonathan Ernst/Reuters In dieser Ausgabe o N 47 7 0. J A H RG A N G C 7451 C Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 20079 Hamburg Telefon 040 / 32 80 ‑ 0; E-Mail: [email protected], [email protected] ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de; ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de ABONNENTENSERVICE: Tel. 040 / 42 23 70 70, Fax 040 / 42 23 70 90, E-Mail: [email protected] Washingtoner Thinktank hat die Kosten für die gesamte Aktion berechnet: 600 Milliarden Dollar. Was Trump aber eigenmächtig beschließen kann, ist schlimm genug. Er könnte die amerikanischen Truppen aus Europa abziehen, als Oberbefehlshaber das Militär einsetzen, ohne den Kongress fragen zu müssen. Die Finanzierung unterliegt freilich den Volksvertretern. Er könnte die Nordamerikanische Freihandelszone kippen, auch die Transpazifische. Er könnte Strafzölle gegen China verhängen. Die halbwegs gute Nachricht: Seine Berater sehen solche Drohungen als typischen Poker‑ bluff, um die Kontrahenten einzuschüchtern. Nun die ganz schlechten Nachrichten: Dieser Präsi‑ dent muss jetzt glauben, übers Wasser laufen zu können, hat er doch jeden Gegner abserviert, Hohn und Verach‑ tung getrotzt, die mächtigen »Eliten« erniedrigt. Ihm geschah ein Wunder nach dem anderen. Deshalb darf sich dieser Präsident in der Gewissheit wiegen, den lie‑ ben Gott auf seiner Seite zu haben. Wer die segnende Hand des Allmächtigen auf seinem Haupt spürt, neigt nicht zum Kuhhandel – weder daheim noch in der Diplomatie. Der Trumpator weiß auch, was die Leute in der Nachwahl-Befragung wütend bekundet haben: dass sie den Status quo à la Clinton um jeden Preis aushebeln wollen. Diese Wahl war ein Urschrei, der Trumps uner‑ bittliches Sendungsbewusstsein nur verstärken kann. Er darf sich in ein Mandat hüllen – um den »Sumpf in Washington trockenzulegen«, die Mauern hochzuzie‑ hen, das Land in eine »Festung Amerika« zu verwandeln. Trotzdem müssen wir glauben, dass die Verfassung diesem Möchtegern-Mussolini hohe Hürden in den Weg stellt. Diese hält immerhin seit 229 Jahren. Sie hat noch alle Usurpatoren ernüchtert. Wem die Macht zu Kopf steigt, der ist bislang noch immer an der Gewal‑ tenteilung gescheitert. Auch der Horrorclown Trump? Womöglich ist er doch geschmeidiger, als er tönt. Womöglich gibt er doch nicht den Samson im Tempel. Es bleibt der Welt nichts anderes übrig, als fest daran zu glauben, dass die ameri‑ kanische Verfassung auch diese Krise übersteht. Sie hat den Bürgerkrieg überlebt, in dem Amerika mehr Men‑ schen verloren hat als in allen anderen Kriegen zusam‑ men. Noch nie mussten sich Amerika und die Welt so sehr an die Formel klammern, die jede Präsidentenrede beendet: »God bless America.« www.zeit.de/audio PREISE IM AUSLAND: DK 49,00/FIN 7,50/N 66,00/E 6,10/ CAN 6,30/F 6,10/NL 5,30/ A 5,00/CH 7.30/I 6,10/GR 6,70/ B 5,30/P 6,30/L 5,30/H 2090,00 47 4 190745 104906
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