Was auf die Welt zukommt

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10. NOVEMBER 2016 No 47
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US-WAHL: TRUMPS TRIUMPH
OH
MY GOD!
Was auf die Welt zukommt
Donald Trump wird seine Drohungen wahr machen. Die Verfassung aber steht ihm im Weg VON JOSEF JOFFE
D
Trumps Übergangsteam bramarbasiert, es habe be‑
ie Wahl des Donald Trump ist keine
normale Verschiebung der politischen reits 25 Präsidial-Dekrete vorbereitet. Die werde er
Tektonik, sondern ein Erdbeben der gleich nach der Inauguration am 20. Januar 2017 unter‑
Stärke 8,5 – das Amerika und die ge‑ schreiben, um »die Obama-Präsidentschaft auszuradie‑
samte Welt erschüttern wird. Als Trump ren«. Nun sind solche Federstriche nichts Außergewöhn‑
im Sommer 2015 die Kandidatur ausrief, schien das nur liches in der Geschichte. Obama selbst hat 252 erlassen,
sein Vorgänger George W. Bush 292.
der Start einer grotesken Reality-TVAußerdem pflastern diese nicht
Show zu sein. Doch hat der Trumpa‑
den Weg zur ungeteilten Macht. Oba‑
tor erst 16 Republikaner-Rivalen in
mas umstrittenste Verfügung, die fünf
den Primaries weggekegelt, schließlich
Millionen illegalen Einwanderern
Hillary Clinton, Barack Obamas vor‑
Straffreiheit verhieß, wurde von einem
bestimmte Erbin, die er nur zweimal
Bundesgericht für nichtig erklärt. Eine
in den Umfragen touchieren konnte.
politische Fußnote: In seinen beiden
Am 20. Januar geht die Serie in die
Amtszeiten hat Obama genügend
zweite Staffel. Sie heißt: »Der Staat
Bundesrichter ernannt, die kaum den
bin ich«.
Trumpismus im Herzen tragen.
Abermals haben die Umfragen in
Schließlich genießt keine amerikani‑
die Irre geführt, hatten sie doch
sche Institution mehr Respekt als der
Clinton bis zuletzt einen, wenn auch
Supreme Court, ein Bollwerk der­
knappen, Vorsprung vorgegaukelt.
Gewaltenteilung.
Wie jüngst beim Brexit, wo am Vor‑
Das zweite Bollwerk ist der Kon‑
tag des Referendums die EU-Ge‑
gress, der eifersüchtig über seine ver‑
treuen drei Punkte vorn lagen. Ge‑
Trump total? Was der neue
fassungsgemäßen Vorrechte wacht,
siegt haben aber dann die Feinde
Präsident für Deutschland
ganz gleich, ob beide Häuser von der
Europas. Trumps unbegreiflicher
und Europa bedeutet
Partei des Präsidenten beherrscht
Triumph lässt ahnen, dass es viele
Seiten 2–5
werden. Da Trump den Größen auch
Befragte nicht wagen, sich am Tele‑
seiner Partei routinemäßig seine Ver‑
fon als unkorrekt zu bekennen.
achtung zeigte, werden die KongressMan sollte Umfragen künftig als
Unterhaltungsspiel betrachten, nicht als ernst zu­ Republikaner noch manche Rechnung mit dem Frei‑
nehmende Vorhersage. Leider hatte Trump richtig­ beuter begleichen. Überdies gebietet ihnen der Selbst‑
gezielt, als er seine Giftpfeile auf die Wahlforschung erhaltungstrieb, das Schlimmste zu vereiteln, um 2020
eine Chance mit einem neuen Bannerträger zu be­
abschoss.
Es hilft nichts: Angesichts der Verheerung müssen kommen.
Richtig: Jeder neue Präsident kann mit seinem eige‑
wir uns das Beben schönreden, obwohl man dabei viel
Fantasie aufbringen muss. Denn dieser Mann, der die nen Team in Washington einziehen, aber die 1200 TopRepublikanische Partei gekapert hat, meint, was er sagt. Positionen müssen vom Senat bestätigt werden: vom­
Folglich könnte er sehr wohl im Weißen Haus anrich‑ Minister bis zum Botschafter. Auch hier wird Trump auf
ten, was er dem Wahlvolk immer wieder eingehämmert Straßensperren treffen, genauso wie bei der Ernennung
hat. Grob zusammengefasst, hat er angekündigt, die­ der Obersten Richter, wo zwei bis drei Vakanzen an­stehen.
Gewaltenteilung auszuhebeln, die Medien zu unter­ Seine Haushaltsvorlagen müssen ebenfalls vom Kongress
werfen und eine Außenpolitik zu schreddern, die Ame‑ abgesegnet werden.
Zum Beispiel die Mauer gegen Mexiko. Sie wird auf
rika zur Ordnungsmacht befördert hat. Der Mann ist
ein Wiedergänger Mussolinis, aber freundlicherweise 25 Milliarden Dollar veranschlagt, die Trump beim Par‑
lament einholen muss. Die elf Millionen Illegalen, die er
ohne schwarz behemdete Sturmtruppen.
Wie will er den Umsturz verwirklichen – am Kon‑ deportieren will? Dazu brauchte er 90 000 Polizisten,
sechsmal mehr, als das FBI Agenten hat. Ein konservativer
gress und an den Gerichten vorbei?
Illustration: Smetek für DIE ZEIT; kl. Foto: Jonathan Ernst/Reuters
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Washingtoner Thinktank hat die Kosten für die gesamte
Aktion berechnet: 600 Milliarden Dollar.
Was Trump aber eigenmächtig beschließen kann, ist
schlimm genug. Er könnte die amerikanischen Truppen
aus Europa abziehen, als Oberbefehlshaber das Militär
einsetzen, ohne den Kongress fragen zu müssen. Die­
Finanzierung unterliegt freilich den Volksvertretern. Er
könnte die Nordamerikanische Freihandelszone kippen,
auch die Transpazifische. Er könnte Strafzölle gegen
China verhängen. Die halbwegs gute Nachricht: Seine
Berater sehen solche Drohungen als typischen Poker‑
bluff, um die Kontrahenten einzuschüchtern.
Nun die ganz schlechten Nachrichten: Dieser Präsi‑
dent muss jetzt glauben, übers Wasser laufen zu können,
hat er doch jeden Gegner abserviert, Hohn und Verach‑
tung getrotzt, die mächtigen »Eliten« erniedrigt. Ihm
geschah ein Wunder nach dem anderen. Deshalb darf
sich dieser Präsident in der Gewissheit wiegen, den lie‑
ben Gott auf seiner Seite zu haben. Wer die segnende
Hand des Allmächtigen auf seinem Haupt spürt, neigt
nicht zum Kuhhandel – weder daheim noch in der­
Diplomatie. Der Trumpator weiß auch, was die Leute in
der Nachwahl-Befragung wütend bekundet haben: dass
sie den Status quo à la Clinton um jeden Preis aushebeln
wollen. Diese Wahl war ein Urschrei, der Trumps uner‑
bittliches Sendungsbewusstsein nur verstärken kann. Er
darf sich in ein Mandat hüllen – um den »Sumpf in
Washington trockenzulegen«, die Mauern hochzuzie‑
hen, das Land in eine »Festung Amerika« zu verwandeln.
Trotzdem müssen wir glauben, dass die Verfassung
diesem Möchtegern-Mussolini hohe Hürden in den
Weg stellt. Diese hält immerhin seit 229 Jahren. Sie hat
noch alle Usurpatoren ernüchtert. Wem die Macht zu
Kopf steigt, der ist bislang noch immer an der Gewal‑
tenteilung gescheitert.
Auch der Horrorclown Trump? Womöglich ist er
doch geschmeidiger, als er tönt. Womöglich gibt er doch
nicht den Samson im Tempel. Es bleibt der Welt nichts
anderes übrig, als fest daran zu glauben, dass die ameri‑
kanische Verfassung auch diese Krise übersteht. Sie hat
den Bürgerkrieg überlebt, in dem Amerika mehr Men‑
schen verloren hat als in allen anderen Kriegen zusam‑
men. Noch nie mussten sich Amerika und die Welt so
sehr an die Formel klammern, die jede Präsidentenrede
beendet: »God bless America.«
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