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Stimme aus Thailand 5: Der Westen bekommt, wofür
er hart gearbeitet hat
Nein, ich habe den Wahlkampf in den USA nicht besonders intensiv mitverfolgt, habe
nur ein einziges Mal in eine Fernsehdebatte reingeschaut und halt gelesen, was so
geschrieben wurde. Ein Satz aber, der dabei immer wieder gefallen ist, hat sich in
meinem Kopf festgefressen: Wenn Sie (also Clinton) in den Fernsehdebatten keinen
grossen Fehler macht, ist sie praktisch gewählt. Ich habe mich die ganze Zeit
gewundert, ob das als Programm für eine grosse Nation wie die USA und die
Probleme in denen sie steckt wohl am Ende ausreicht? Eines vorweg, ich freue mich
auf einen erfolgreichen Präsidenten Donald John Trump und das nicht, weil ich etwa
Republikaner wäre, er ist doch auch keiner.
Aber zuerst noch dies, nein, ich bin absolut keine politische Person. „Political
Correctness“ war nie mein Spezialgebiet (ich weiss, meine „Besserkenner“
schmunzeln jetzt), taktische Geplänkel habe ich immer gehasst, vorweggenommene
Kompromisse (also nicht Kompromisse geschlossen aufgrund der intensiven
Auseinandersetzung mit einer Materie und der Einbindung möglichst vieler
Interessengruppen als Resultat) habe ich immer verabscheut (sowohl sachbezogen
also auch Personen-bezogen), abstimmen nach Parteibuch finde ich ziemlich
peinlich, bevormundend und einschränkend und nicht zuletzt, sich so zu verhalten
oder zu arbeiten, dass man ja wiedergewählt wird, oder seinen Job behalten kann
und nicht um das bestmögliche Resultat zu erreichen, halte ich für systembedingten
Schwachsinn. Ich denke, ich habe damit den Beweis einmal mehr geliefert, ich bin
kein Politiker. Nein, ich bin Ökonom und was mich immer interessiert hat und immer
noch sehr interessiert, ist die gesellschaftliche Entwicklung, sind komplexe
Zusammenhänge, demografische Herausforderungen, strukturelle Probleme und
deren Lösungen. Ja klar und fast schon leider, muss da die Politik als Faktor auch
immer involviert werden.
Jetzt hat sich das sogenannte Establishment nach diesem Wahlausgang also sehr
erschrocken. Wen wunderst, mich freut es. Natürlich nicht, dass Trump gewählt
worden ist, sondern dass er aufgezeigt hat, dass man das Establishment, die
Mächtigen, die Clans, die Lobbyisten, die „Päcklischnürrer“ und die Macht des
Geldes austricksen kann. Natürlich mussten da viele Partikularinteressen zusammen
kommen, dass das am Ende sogar gegen die eigene Partei gelungen ist. Nicht nur
das Präsidentenamt, auch beide Kammern gingen an die doch so zersplitterte Partei
der Republikaner. Das ist doch auf den ersten Blick dann schon erstaunlich. Aber
eben nur auf den ersten Blick, denn die verschiedenen Teile im Gesamterfolgt haben
so gar nichts miteinander zu tun und beruhen eben auf verschiedenen
Partikularinteressen, die dann aber zusammen diese Mehrheit ergeben haben. Die
Republikaner haben sicher bezüglich Repräsentantenhaus und Senat republikanisch
gestimmt und halt einen Präsidenten Trump in Kauf genommen. Wahrscheinlich mit
dem Hintergedanken, damit dann zumindest den Surprime Court mit bis zu drei
neuen obersten Richtern widerstandslos neu besetzen zu können. Obama haben sie
das ja in den letzten 12 Monaten immer wieder verweigert. Trump andererseits hat
es fertiggebracht, die in der Gesellschaft „abgehängten“ und diejenigen, denen dies
droht, für sich zu mobilisieren und das mit dem einfachen Slogan „Make America
great again“ und ohne ausgearbeitetes Programm. Zusammen hat das dann
gereicht.
Ich weiss jetzt nicht, ob das gut oder schlecht ist, das wird sich in den nächsten
Jahren weisen, aber Tatsache ist doch, in Mitteleuropa hätte es Trump nicht mal zum
Kandidaten geschafft. Alleine sein Reichtum hätte in unserer Neidgesellschaft schon
negativ ausgereicht. Das dann noch gepaart mit mehreren undurchsichtigen
Konkursen. Und dann noch diese rassistischen und sexistischen Aussagen, wobei
ich mir in diesem Punkt nicht sicher bin. Dazu müsste man die Gesellschaftsstruktur
im Detail in Mitteleuropa besser kennen. Vielleicht sind da ja in der Zwischenzeit,
zumindest hinter vorgehaltener Hand, aufgrund der aktuellen Situation auch
mindestens 51% eher rassistisch oder stört sich nicht mehr so sehr an dieser
Haltung und ein zu bestimmender Teil auch immer noch eher sexistisch, oder kann
ganz gut damit leben. Aber alles in allem, Trump wäre gar nicht erst zum Kandidaten
geworden. Und dann noch dieser Wahlkampf oder eben diese Schlammschlacht, voll
gespickt mit Unwahrheiten, verdrehten Fakten und ohne eigentliches Programm.
Spätestens dann wäre in Mitteleuropa „aus die Maus“ gewesen.
Aber sind wir doch objektiv, Clinton hatte auch nur das eingeschränkte Programm
und die damit verbundene Arroganz, dass das Establishment, die Mächtigen, die
Clans, die Lobbyisten, die „Päcklischnürrer“ und die Reichen wussten oder wissen
mussten, was sie erwartet, eine Geschichtsfortschreibung also. Und das sollte doch
reichen. An die Abgehängten, oder diejenigen, denen das droht, an die Millenniums,
an die Generation Y und deren Anliegen, hat sie als mögliche Wähler nicht einmal im
entferntesten gedacht, geschweige denn einen Plan für sie vorgelegt. Und die
Afroamerikaner haben ja schon Obama unterstützt, die werden schon bei der Stange
bleiben. Und ach ja, die „Illegalen“ und Einwanderer wurden derart von Trump
beschimpft, da musste sie jetzt nicht auch noch Stellung nehmen. Die werden sie
doch aus Angst erst recht unterstützen. Und dass diese Gruppen genau jetzt nun
aufstehen und unbewusst zusammenspannen, daran hat sie nicht eine Sekunde
geglaubt. Sie, die im Gegensatz zu Trump, doch so vorbereitet und geeignet für
dieses Amt war.
Warum konnte das alles also doch passieren? Ich lehne mich soweit heraus, es wird
sich sogar noch, wenn auch in anderer Form wiederholen. Auch in Europa stehen
Wahlen an (Frankreich, Deutschland) und auch da sollte sich das Establishment
vielleicht besser langsam festhalten oder eben die Situation langsam erst nehmen.
Sonst werden sie dann auch noch erschreckt oder gar schockiert. Ich schreibe es
jetzt seit Jahren immer wieder und weise auf gewisse Punkte hin und ich wiederhole
mich gerne. Es ist jetzt höchste Zeit, wenn nicht gar zu spät, die gesellschaftlichen
Veränderungen und die strukturellen Probleme sehr ernst zu nehmen, Lösungen zu
erarbeiten und umzusetzen. Einfach die Geschichte fortschreiben und hoffen, dass
alles mehr oder weniger so bleibt wie es ist, funktioniert nicht mehr. Sonst werden die
Betroffenen, die Abgehängten oder diejenigen denen das droht, die Millenniums, die
Generation Y und andere, auch aufstehen und zu „unschönen“ Überraschungen
beitragen. Ich möchte nur einige Beispiele wiederholen:
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Wie wird denn das strukturelle Problem angegangen, dass bald jeder
Mitteleuropäer der gegen fünfzig geht um seinen Job bangen muss? Es ist wie
Salz in der Wunde, wenn er oder sie dann gleichzeitig noch immer lesen
muss, dass es einen Fachkräftemangel geben soll. Auch hilft es nicht, wenn er
oder sie dann dazu noch immer hört, dass er in Zukunft länger arbeiten muss
bis zum Rentenalter. Es hilft ihm oder ihr auch nicht, wenn man z.B. dem
erfahrenen arbeitslosen IT-Spezialisten sagt, dass seine Ausbildung und
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Erfahrung heute wertlos sind. Warum bilden wir denn immer noch gleich aus
wie vor 10 oder 15 Jahren? Warum investieren wir nicht konsequent in
Umschulungen? Das ist doch immer noch günstiger als die Arbeitslosigkeit zu
finanzieren (ich bin mir der Selbstverantwortung des einzelnen durchaus
bewusst, aber das reicht offenbar nicht mehr). Ich liebe die Perversion, oder
warum bilden wir denn immer noch Automechaniker aus (nur um ein Bespiel
zu machen), obwohl schon heute an einem Auto fast nichts mehr mechanisch
ist. Wie soll ein derart ausgebildeter die nächsten 40 Arbeitsjahre überstehen?
Sie werden alle aus Frust und trotz allem möglichen Selbstverschulden eines
Tages aufstehen.
Wie geht es denn nun weiter mit der direkten Demokratie? Wie lange kann es
gut gehen, ein Volk immer und immer wieder zu etwas zu befragen um dann
den so erzeugten Volkswillen doch nicht ernst zu nehmen? Wenn es gar nicht
umsetzbar sein sollte (aus der Sicht des Establishments), warum fragt man sie
dann erst. Die damit Unzufriedenen werden eines Tages aufstehen, vielleicht
auch gleichzeitig mit den ersterwähnten.
Was ist denn jetzt mit dieser Gesundheitsreform? Was der einzelne weiss ist
nur, dass er immer mehr Krankenkassen-Prämien und die höchsten
Medikamentenpreise weltweit bezahlt. Und das bei Milliardengewinnen von
erst noch Schweizer Firmen und bei den höchst bezahlten Managern und
höchst bezahlten Spezialärzten. Lassen wir einfach weg, was unabänderlich
ist oder scheint, sie werden aufstehen, die Unzufriedenen und das wenn
möglich erst noch gleichzeitig mit den schon erwähnten.
Und was ist jetzt mit dieser Altersvorsorge und diesem jahrelangen „gebastel“
und Gerede um den Generationenvertrag? Auf was kann sich ein junger oder
auch nicht mehr ganz junger eigentlich noch einstellen und verlassen? Wir
könnten uns doch eine ganz einfache Lösung leisten, oder nicht? Z.B. haben
wir mitunter eine der tiefsten Mehrwertsteuer weltweit (häng mich jetzt nicht
am Vorschlag auf, es ist ja nur ein Gedankenanstoss). So oder so, ohne
Lösung werden die Unzufriedenen eines Tages aufstehen und das wenn
möglich auch noch zusammen mit den schon erwähnten.
Was ist mit der Angst bezüglich den Flüchtlingsströmen (Migranten aus
wirtschaftlichen Gründen), mit der Angst vor dem radikalen Islamismus?
Beruhigt da die Willkommenspolitik wirklich? Reicht da der Satz, wir schaffen
das, wirklich? Ich habe ausführlich darüber geschrieben. Die mit der Politik
Unzufriedenen werden aufstehen, irgendwann, vielleicht auch noch
gleichzeitig mit den schon erwähnten.
Und was ist mit dieser „Arschschleicherei“ bezüglich Türkei (Entschuldigung
für das Wort, ein treffenderes fällt mir aber gerade nicht ein). Mit welchen
Zielen kann man nur beseelt sein, um da nicht endlich Klartext zu sprechen?
Vielleicht doch die Idee des grossen Reiches? Nach normalem
Menschenverstand sind doch die Beitrittsverhandlungen sofort zu stoppen,
ungeachtet der vielleicht unangenehmen Konsequenzen. Und immer noch
viele Schweizer wollen da hin, in diese EU? Auch hier, die Unzufriedenen
werden aufstehen.
Lassen wir es bei diesen Beispielen. Ich denke du weißt auf was ich hinaus will.
Es ist die Summe der aktuell unbefriedigend gelösten Dinge einerseits und das
schwindende oder bereits zerstörte Vertrauen in die für die Problemlösungen
Zuständigen, welche solche Resultate, Überraschungen und Schocks auslösen
können und auslösen werden. Überall, wirklich überall, der Bann ist gebrochen.
Vielleicht hat Trump in seiner Siegesrede deshalb davon gesprochen, dass wir
am Anfang einer Bewegung stehen. Es reicht ein wenig Populismus um das
Establishment aus den Angeln zu heben.
Ich jedenfalls habe mich über diesen berühmten Schuss vor den Bug gefreut, in
der Hoffnung, dass nun der letzte eigentlich begriffen haben sollte, was aus tiefer
Unzufriedenheit heraus alles geschehen kann. Die ersten Reaktionen gingen
allerdings bereits wieder in die falsche Richtung, aber das kann bei genauerer
Analyse noch ändern. Was habe ich vor dem Fernseher gelacht, als die im ZDF
versammelten, für die in der EU auswärtigen Ämter zuständigen Minister sich
darüber echauffiert haben, dass sie nun wohl neue Gesprächspartner suchen
müssen, da man von Trump ja noch überhaupt nichts weiss und auch die von ihm
zu bestimmenden Personen wohl völlig unbekannt sind. Es wird Zeit, dass diese
alten und festgefahrenen Seilschaften nicht mehr greifen, sonst kommen wir nicht
vorwärts. Vielleicht hilft ja das, Probleme wieder einmal ernst zu nehmen,
fundamental anzugehen und zu lösen. Zu wünschen wäre es der Welt jedenfalls.
Und Trump und der Welt kann man nur wünschen, dass er den Weg findet, den
Wahlkampf-Trump hinter sich zu lassen und die Probleme, selbstverständlich
gegen das Establishment wirklich anzugehen. Denn sie werden ihm, zumindest
zu Beginn, wohl kaum helfen. Aber auch da sind die Amis vielleicht ein wenig
anders.
Dass das alles sehr viel Risiko für die ganze Welt ausgelöst hat, ist klar, nur ging
es auf einem anderen Weg wohl einfach nicht mehr, etwas zu bewegen. Und
Europa ist zu wünschen, wirklich aufzuwachen. Allein der Glaube daran fehlt mir
im Moment nach wie vor. Ich verstehe ja, dass viele das in den letzten 50 Jahren
Aufgebaute erhalten und verteidigen möchten. Die Welt hat sich aber in unendlich
vielen Faktoren sehr stark geändert. Ich glaube aber nach wie vor daran, dass
man das Ganze in eine positive Richtung bringen kann.
Christian
P.S. Einfach um allfällige Miss-Interpretationen zu verhindern: Ich bin gegen jede
Form von Rassismus und Sexismus. Ich bin selbstverständlich dafür, wirklichen
Flüchtlingen zu helfen. Ich nehme aber auch klar und in aller Härte Stellung
gegen Wirtschaftsmigranten (man wird sie nie integrieren können, das ist
Träumerei), gegen die Türkei und deren Präsidenten. Zudem sehe ich keinen
Grund in eine gescheiterte und nur zum Wohle einer Nation aufgebaute EU
einzutreten.