SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 11.11.1952: Der Deutsche Wetterdienst entsteht Von Markus Bohn Sendung: 11.11.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Autor: „Am zuverlässigsten unterscheiden sich die TV-Programme noch durch ihren unterschiedlichen Wetterbericht.“ Dieser Spott von Woody Allen mag heute mehr denn je Zustimmung finden. Am 11.11.1952 aber war es zumindest in der Bundesrepublik Deutschland definitiv nicht so. Denn zum einen wurde an jenem Tag per Gesetz der Deutsche Wetterdienst ins Leben gerufen als zentrale Anstalt des Bundes im Geschäftsbereich des Verkehrsministeriums. Zum anderen gab es in der jungen Bundesrepublik an jenem Tag noch überhaupt kein TV. Das erste deutsche Fernsehen startete nämlich erst an Weihnachten desselben Jahres. Gleichwohl hat die närrische Zeit auch anno 1952 pünktlich begonnen und die staatlichen Meteorologen waren von Anfang an gut beschäftigt. Denn Radio und Fernsehen mit Wetterprognosen zu versorgen ist zwar die prominenteste, aber keineswegs die einzige und schon gar nicht die wichtigste Aufgabe dieser Behörde. See- und Luftfahrt sind vielmehr die Hauptabnehmer der Wetterberichte, ferner die Landwirtschaft, das Bau- und das Gesundheitswesen. Das Gesundheitswesen hat dabei zu Beginn sogar eine ganz besondere Rolle gespielt. Freilich nicht in Form von Pollenflug-Vorhersagen. Denn, dass an lauen Frühlingstagen die Luft voll Blütenstaub ist, diese Binsenweisheit war damals noch allgemein bekannt. Das musste man nicht täglich aufs Neue verkünden. Die Wetterfrösche waren vielmehr mit wirklichen und unsichtbaren Gefahren beschäftigt. In den 1950er Jahren haben die Siegermächte des zweiten Weltkriegs nämlich damit begonnen, ihre Atomwaffenarsenale mit immer stärkeren Sprengköpfen zu füllen. Die mussten natürlich getestet werden und das hat man zunächst in entlegenen Wüstengebieten oder auf unbewohnten Pazifik-Inseln gemacht. Oberirdisch. Bis klar wurde, dass die Partikel der Atompilze leider nicht dort bleiben, wo die Bomben gezündet werden. Als erste waren japanische Fischer davon betroffen, rund 125 km vom Bikini-Atoll entfernt, wo die USA im März 1954 eine Wasserstoffbombe getestet hatten. Die Fischer erlitten schwere Gesundheitsschäden. Da rauf hin hat die japanische Meteorologische Gesellschaft die Weltöffentlichkeit eindringlich vor weiteren Atomtests gewarnt. Auf Initiative des SPD- Bundestagsabgeordneten Fritz Erler bekam der Deutsche Wetterdienst daher Mitte 1955 per Gesetz den zusätzlichen Auftrag, „die Atmosphäre auf radioaktive Beimengungen und deren Verfrachtung zu überwachen.“ Eine Aufgabe, die noch einmal brandaktuell wurde, nämlich nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986. Heute geht es bei den amtlichen Wetterfröschen wieder vorrangig um Temperatur, Luftdruck, Niederschläge und Windgeschwindigkeiten. Mehr als 2 ½ Tausend Mitarbeiter beschäftigt der Deutsche Wetterdienst insgesamt in seiner Zentrale in Offenbach bei Frankfurt, in fünf weiteren Regionalzentralen von Hamburg bis München sowie insgesamt rund 250 Wetterstationen und Wetterwarten. Deren Hauptaufgabe ist es, Behörden, Betriebe und Bürger möglichst früh vor Stürmen, Starkregen und Überschwemmungen zu warnen, aber auch vor extremen Hitzeperioden. Beim legendären Orkan Lothar, der am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 eine Schneise der Verwüstung durch West- und Mitteleuropa schlug, hat das nicht so gut geklappt. Beim Orkan Anna 2002 auch nicht. Was einem gewissen Jörg Kachelmann zu unverhoffter Bildschirm-Prominenz verhalf. Der Deutsche Wetterdienst ist durch derlei private Konkurrenz aber keineswegs obsolet geworden. Denn: Die Erfüllung seiner Aufgaben „ist öffentlicher Dienst.“ So steht es wörtlich im Gesetz vom 11.11.1952. Das Wetter ist halt doch zu wichtig um es allein windigen Moderatoren zu überlassen. 2
© Copyright 2025 ExpyDoc