SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Gudrun Lerchbaum: Lügenland Pendragon-Verlag 432 Seiten 17,99 Euro Rezension von Frank Rumpel Montag, 26.09.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Etwa 20 Jahre in die Zukunft verschoben hat Gudrun Lerchbaum ihren Politthriller "Lügenland". Darin erzählt sie von einem autoritär regierten Österreich. Es herrscht totale Überwachung, gegenseitiges Misstrauen bedroht jeden. Und eine junge Milizionärin gerät zwischen die Fronten von Staatsmacht und Widerstand. So dystopisch, wie aktuell findet unser Rezensent Frank Rumpel. Aufruhr in Europas Mitte. Österreich ist zu einem autoritär regierten Staat geworden, der seine Bürger engmaschig überwacht. Die Aufrechten sind am Ruder. So nennen sich jene, die den Kanzler stellen und meinen, Österreich gerettet zu haben - vor Einwanderern, vor Islamisten, vor linken Einflüssen. Abgeschottet ist das Land. Muslime wurden ausgewiesen. Es gibt nur noch Staatsmedien. Eine bewaffnete Miliz sorgt für Ruhe und Ordnung. Dieses dystopische Szenario stammt von der Wiener Autorin Gudrun Lerchbaum, die in ihrem ersten Kriminalroman "Lügenland" eine abtrünnige Soldatin zwischen die Fronten schickt. Mattea Inninger heißt die junge Protagonistin, die eigentlich heiraten und die Armee verlassen wollte. Wobei: Heiraten ist in Lerchbaums etwa 20 Jahre entfernten Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Österreich keine Sache der Zuneigung. Die Partner werden anhand ihrer Vorlieben und Interessen mittels der elektronisch gesammelten, persönlichen Daten ausgewählt. Am Abend vor ihrer Hochzeit feiert Mattea mit zwei Freundinnen im Park. Bei einem Zwischenfall löst sich aus ihrer Pistole ein Schuss und tötet eine ihrer Freundinnen. Die bisher so regimetreue Mattea muss fliehen, schlägt sich durch die Wälder, tötet einen Ministerialbeamten, der ihr zu nahe kommt. Zeitgleich ist mit Ina Matusek eine Widerstands-Aktivistin auf der Flucht. Mattea sieht der Frau so ähnlich, dass man sie immer wieder mit ihr verwechselt. Als Mattea schließlich geschnappt wird, ist auch Ina längst verhaftet - wobei sich die Behörden plötzlich nicht mehr sicher sind, wen sie da im Gefängnis sitzen haben. Und diese Verwirrung der Identitäten kommt Mattea zugute. Sie wird von Untergrund-Aktivisten befreit. Und selbst, als die Verwechslung auffliegt, wittern die Revolutionäre ihre Chance: Mattea soll in der Öffentlichkeit weiterhin als Ina für Wirbel sorgen. Was ihr gelingt. Im Netz gibt es einen Ina-Matusek-Ähnlichkeitswettbewerb und Fanseiten, wie "Ina rennt". In der Öffentlichkeit schlägt die Stimmung zu ihren Gunsten um. Das kann die Staatsmacht nicht so einfach ignorieren. Und das ist die Chance, auf die der Untergrund gewartet hat. Einen rasanten, einfallsreichen, auch zupackenden Thriller hat die 1965 geborene Gudrun Lerchbaum da aus Sicht der jungen Ex-Soldatin Mattea geschrieben. Im Stakkato hetzt sie ihre Ich-Erzählerin, die von der hedonistischen Mitläuferin zu einer Frau mit eigenem Kopf wird, durch ein zutiefst marodes Land. Die EU ist zerfallen, Frankreich muss sich nach einem Bürgerkrieg politisch neu justieren, Norditalien hat sich vom Süden abgespalten. Das ist die politische Situation. Und als sich diese Umbrüche ankündigten, begannen die Österreicher aus Angst vor Fremden, ihre Gärten zu verminen. Jeder misstraute jedem. Männer rasierten sich vorsichtshalber die Bärte ab, um nicht für Islamisten gehalten zu werden. Als schließlich die Rechtspopulisten an die Macht kamen, gestalteten sie den Staat rasch nach ihrem Gusto um, brachten die Medien unter ihre Kontrolle, bauten Zäune. Und auch anderes, was einem in Ansätzen durchaus bekannt vorkommt, hat Lerchbaum geschickt zugespitzt. So ist etwa jeder Bürger verpflichtet, ein Armband zu Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT tragen, mit dem bezahlt und kommuniziert wird und über das der Staat den Einzelnen kontrolliert. Wer keines trägt, macht sich verdächtig. Gelegentlich ist Lerchbaums Zukunftsvision etwas zu plakativ geraten. So spielt die Autorin etwa mit einer fast schon pathetischen Liebesgeschichte zwischen Mattea und einem jungen Revolutionär allzu offensichtlich echtes Gefühl gegen eiskalte Technokratie aus. Trotzdem funktioniert die Geschichte streckenweise sehr gut, weil die Protagonistin ihre atemlose Flucht, ihre Verwirrung angesichts bröckelnder Gewissheiten und Überzeugungen selbst schildert. Sie weiß nie, wem sie trauen kann und muss es doch immer wieder tun, um brenzlige Situationen zu überstehen. Die Hysterie, das allgegenwärtige Misstrauen, die Macht sozialer Medien, all das fängt die Autorin wunderbar pointiert ein. Spannend und schlank hat Gudrun Lerchbaum die Geschichte inszeniert. Damit ist ihr eine mit bitterem Humor erzählte, brandaktuelle Dystopie gelungen. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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