SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Hermann Bausinger: Eine schwäbische Literaturgeschichte Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2016 440 Seiten 28 Euro Rezension von Ulrich Rüdenauer Montag, 19.09.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Hermann Bausinger ist nicht nur in Schwaben weltberühmt. Der Tübinger Emeritus hatte einst zu Beginn seiner Karriere mit der Habilitationsschrift „Volkskunde in der technischen Welt“ für Furore gesorgt und einen Paradigmenwechsel in dem als etwas verschlafen geltenden Fach eingeläutet. Dank ihm spricht man heute von empirischer Kulturwissenschaft, seine Beiträge zu Alltagskultur und Landeskunde sind zahlreich, und er ist weit über die Grenzen der Wissenschaftszirkel hinaus bekannt geworden: Bausinger schrieb immer wieder für Zeitungen und Zeitschriften, und seine Vortragsreisen sind fast legendär. Auch mit der Dichtung des Landes hat sich der Träger des Ludwig-Uhland- und des Justinus-Kerner-Preises immer wieder auseinandergesetzt. Die Frucht dieser Beschäftigung liegt nun – auch anlässlich seines 90. Geburtstages am 17. September – in einem umfangreichen Band vor: „Eine schwäbische Literaturgeschichte“ heißt das bei Klöpfer & Meyer erschienene Buch – der unbestimmte Artikel sollte nicht als Bescheidenheit missverstanden werden, sondern ist wohl eher der wissenschaftlichen Redlichkeit des Autors geschuldet. Ulrich Rüdenauer hat Hermann Bausingers Werk über die schwäbische Literatur gelesen. 1992, im Jahr seiner Emeritierung, wurde Hermann Bausinger von der Wochenzeitung Die Zeit gefragt, warum er eigentlich nie dicke Bücher geschrieben habe. Seine Antwort: Der Reiz des Neuen sei immer viel stärker gewesen als auf einem bereits gut erschlossenen Gebiet den letzten Verästelungen zu folgen. Im nächsten Leben aber, fügte der Grandseigneur der Volkskunde flunkernd an, werde er vielleicht auch Spezialist. Spätestens jetzt, zu seinem 90. Geburtstag, kann man ihm den Vorwurf nicht mehr Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT machen, er habe keine richtigen Backsteinbücher vorgelegt. Seine gerade erschienene „Schwäbische Literaturgeschichte“ – übrigens die erste Gesamtdarstellung seit 1897 – zählt immerhin 440 Seiten. Andererseits: Bedenkt man, dass Schwaben gerade im 18. und 19. Jahrhundert an genialen Dichtern keinen Mangel hatte, sind 440 Seiten eher ein bescheidener und leserfreundlicher Umfang. Hermann Bausinger versteht es jedenfalls formidabel, sein umfassendes Wissen pointiert und unterhaltsam vorzustellen. So ist diese auf einen bestimmten Raum begrenzte Literaturgeschichte nicht nur für Patrioten im Ländle oder Literaturwissenschaftler von Relevanz, sondern ebenso sehr für alle literarisch Interessierten. Schwäbische Literaturgeschichte ist – in aller Bescheidenheit – zur Zeit der Klassik, Romantik und des Biedermeier auch zugleich deutsche Literaturgeschichte. Und denkt man an den Olympier Schiller, sogar europäische. Was aber heißt hier nun eigentlich „schwäbisch“? Dieser Frage geht Bausinger im einführenden Kapitel „Mythos Schwaben“ historisch akribisch nach. Auch um die eigene Studie nicht allzu sehr ausufern zu lassen, zieht er die Grenzlinien da, wo auch nach der Konsolidierung des württembergischen Staates die Grenzen verliefen: Mit schwäbisch ist das württembergische Schwaben gemeint, wie wir es spätestens seit 1800 und bis heute kennen. Den Schwerpunkt dieser wunderbar kurzweiligen, mitunter sogar in feuilletonistischem Ton geschriebenen und fundierten Literaturgeschichte bildet das späte 18. und das 19. Jahrhundert. Bausinger kann da auf enormes Wissen zurückgreifen. In einem großen Kapitel bietet er einen Abriss über die breiten Strömungen und allgemeineren Aspekte dieser Zeitspanne, über die politischen und sozialen Hintergründe und gattungsspezifischen Besonderheiten, bevor der zweite Teil sich einzelnen Gesichtspunkten und wichtigen Autoren bzw. Dichterkonstellationen zuwendet: So vertieft er sich in die Sprachspielereien Christian Friedrich Daniel Schubarts, geht der Poetik des Fragmentarischen bei Friedrich Hölderlin auf den Grund, folgt Wilhelm Hauff und Wilhelm Waiblinger in ihre romantischen Unterwelten, bricht mit Ludwig Uhland eine Lanze für die Schlichtheit, blickt aus der satirischen Perspektive Heines auf die „Schwäbische Dichterschule“ oder lässt uns lebhaft teilhaben an der risikoreichen Freundschaft Eduard Mörikes mit Friedrich Theodor Vischer. Bausinger scheut dabei literarische Urteile nicht, etwa wenn er sich verwundert darüber zeigt, dass Uhland im frühen 19. Jahrhundert in einem Atemzug mit Goethe und Schiller genannt wurde. Man sieht an dieser Liste von Themen und Namen: Schwäbische Literaturgeschichte ist männliche Literaturgeschichte – Frauen kommen, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Was wiederum Bausinger nicht vorzuwerfen ist, sondern eher der Geschichte. Neben einzelnen Dichtern nimmt Bausinger auch landschaftliche Besonderheiten in den Blick, und er widmet sich ausführlich den verschiedenen Reaktionen auf die politischen Umbrüche der Zeit, etwa im Hause von Justinus Kerner. Überhaupt war es zwischen der Französischen Revolution und dem Vormärz nur wenigen Schriftstellern gegeben, sich aus dem Politischen ganz herauszuhalten, auch wenn in Schwaben doch eher der Konservatismus zu Hause war. Bausinger schreibt einmal sehr Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT schön, dass eine möglichst vollständige Auflistung der im Umkreis der Literatur Tätigen vermutlich zum Ergebnis käme, dass in einem Ortsregister Hohenasperg die meisten Nennungen, mehr noch als Stuttgart, aufzuweisen hätte. Hohenasperg war bekanntlich das Gefängnis, in dem Häftlingen wie Schubart oder Theobald Kerner ihre freiheitliche Gesinnung ausgetrieben werden sollte. Bündige Literaturgeschichten haben oft und notgedrungen das Problem, dass sie unvollständiger und auch ein wenig fahriger werden, je näher sie der Gegenwart rücken. Das trifft auch auf Bausingers Darstellung zu. Da werden Autorinnen und Autoren nur mehr im Schnelldurchgang abgehandelt. Auch die literarische Wertung wird ein wenig problematisch: Dass etwa dem ehemaligen Fliegerpiloten und Nationalsozialisten Gerd Gaiser ebenso viel Raum eingeräumt wird wie Hermann Lenz, ist doch ein wenig seltsam. Alles in allem aber und trotz kleinerer Unstimmigkeiten ist Hermann Bausingers „Schwäbische Literaturgeschichte“ eine immense Leistung, weil sie sich schlüssig, in vielen Details und mit offenem Blick mit der Literatur einer Region beschäftigt, deren Wirkung weit über diese Region hinausweist. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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