Manuskript

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Nathan Larson: Zero One Dewey
Aus dem Amerikanischen von Andrea Stumpf
Polar-Verlag
303 Seiten
14,90 Euro
Rezension von Frank Rumpel
Dienstag, 06. September 2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Gut geht diese Geschichte nicht aus. Aber von einer Dystopie, wie Nathan Larsons
Dewey-Decimal-Trilogie eine ist, kann wohl niemand ernsthaft erwarten, dass am Ende ein
Liebespaar aus der zerstörten Stadt in den Sonnenuntergang fährt. Denn New York, wo
die Romanreihe spielt, liegt zu großen Teilen in Trümmern. Es wurde bei verheerenden
Anschlägen am Valentinstag 2014 in Schutt und Asche gelegt. Eine Super-Flu-Epidemie
brach aus. Am Ende war nur noch die Hälfte der ursprünglichen Bevölkerung am Leben.
Noch immer wabern giftige Dämpfe von verbranntem Plastik durch die Straßen, in denen
sich der Müll türmt. Kontrolliert werden die übrig gebliebenen Viertel von rivalisierenden
Banden und völlig enthemmt agierenden Paramilitärs.
Und mitten drin ist Dewey Decimal, ein mit Körperimplantaten aufgerüsteter, schwarzer
Ex-Soldat, dessen Erinnerungen verschüttet sind. Dewey ist bis an die Zähne bewaffnet
und macht für einen machtversessenen und skrupellosen Ex-Senator die Drecksarbeit
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draußen auf der Straße. Er haust in der New York Public Library, wo er es sich zur
Aufgabe gemacht hat, die teilweise zerstörten Bestände zu säubern und neu zu sortieren.
Überhaupt ist Decimal, dessen Name auf ein Ordungssystem von Bibliotheken verweist,
ein zwanghafter Charakter. Vor 11 Uhr morgens biegt er nur links ab. Aus Furcht vor
Bakterien desinfiziert er sich ständig die Hände. Und er legt Wert auf schicke Anzüge.
In den vorangegangenen zwei, bei Diaphanes erschienenen Bänden, "2/14" und "BoogieMan", versuchte Dewey Decimal im gewalttätigen Alltag des zerstörten Big Apple zu
überleben und irgendwie seiner Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Bisher erfolglos.
Gelegentlich suchen ihn Träume heim, hat er zusammenhangslose ErinnerungsFlashbacks, die ihn aber nicht wirklich weiter bringen. Er ist körperlich und psychisch
schwer lädiert, ist paranoid und hat mit der Wahnvorstellung zu kämpfen, in seinem
Inneren riesle Sand. Im aktuellen, beim umtriebigen Hamburger Polar-Verlag
erschienenen Band nun soll Dewey Decimal auf ein saudisches Thronfolgerpaar
aufpassen, das für ein Fortpflanzungsexperiment nach New York gebracht wurde.
Allerdings haben daran längst nicht alle Beteiligten Interesse, so dass diverse
Geheimdienste und Privatarmeen zu einer wilden Jagd ansetzen und Dewey allmählich
Bedenken kommen. Denn nach und nach ahnt er, was es mit den Anschlägen 2014 auf
sich gehabt haben könnte und welche Rolle er selbst dabei spielte – oder spielen sollte.
Und klar wird auch, dass er Teil eines zynischen Experiments war, das völlig aus dem
Ruder gelaufen ist.
Das alles lässt der Musiker, Filmkomponist und Autor Nathan Larson Dewey Decimal in
einem rauen, knappen Ton erzählen, in dem sich perfekt das kaputte, chaotische New
York spiegelt. Der saloppe Erzählstil freilich passt zum angeschlagenen und zudem
manipulierten Protagonisten, der von sich selbst sagt: "Langsam, aber sicher zerfalle ich."
Etwas ziellos, fahrig wirkt die Geschichte zunächst, bevor sie Fahrt aufnimmt, an Kontur
gewinnt. Doch erklärt und aufgelöst wird hier längst nicht alles. Einiges deutet Larson nur
an und unterläuft so banale Gut-Böse-Erzähl- und Erklärmuster.
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Es ist eine düstere, gewaltgesättigte und dennoch bisweilen mit grimmigem Humor
gnadenlos überzeichnete, wilde Geschichte, die Larson erzählt. In seinem New York
geben diejenigen den Ton an, die sich eine schlagkräftige Truppe leisten können.
Machtinteressen werden mit der Waffe durchgesetzt. Die Straßen sind von Psychopathen
bevölkert, derweil die gierigen Strippenzieher mit ihren undurchsichtigen Plänen im
Hintergrund bleiben. Es ist die Geschichte einer Welt, die partout nicht im Stande ist,
etwas dazu zu lernen. Versuche der Zivilbevölkerung, sich zu organisieren, werden brutal
niedergeschlagen. Die zerstörte Stadt ist eine den Geheimdiensten und
Geschäftemachern ausgelieferte Spielwiese. Da muss ausgerechnet ein Killer, wie Dewey
Decimal einer ist, sein Gewissen entdecken, um das Problem anzugehen. Auf seine Art,
versteht sich. Gelegentlich anstrengend, aber gut.
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