SWR2 DIE BUCHKRITIK

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Zygmunt Miloszewski: Ein Körnchen Wahrheit
Aus dem Polnischen von Barbara Samborska
Berlin-Verlag
508 Seiten
10 Euro
Rezension von Frank Rumpel
Mittwoch, 31. August 2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Autor:
Legenden können ziemlich hartnäckig sein. Und eine solche Legende spielt in Zygmunt
Miloszweskis Roman "Ein Körnchen Wahrheit" eine zentrale Rolle - nebst der Stadt, in der
er diese Geschichte über latenten Antisemitismus angesiedelt hat. Sandomierz ist eine
schmucke Kleinstadt an der Weichsel im Südosten Polens, deren Architektur den Krieg
fast unbeschadet überstanden hat.
In dieses beschauliche Sandomierz hat sich der Warschauer Staatsanwalt Teodor Szacki
nach der Trennung von seiner Frau versetzen lassen. In seinem Fach ist der 40-jährige,
scharfsinnige Szacki ein Star. Dies konnte er in der Provinz bisher allerdings nicht zeigen,
musste er sich doch vor allem mit Bagatelldelikten herumschlagen. Mit Verve stürzt er sich
deshalb in die Ermittlungen zu einem Mordfall. Neben der alten Synagoge wird die
ausgeblutete Leiche einer Frau gefunden, die in Sandomierz ihrer Wohltätigkeit wegen
beliebt war. Die Tatwaffe ist ein Messer, das jüdische Metzger zum Schächten von
Schlachttieren benutzen. Kurz darauf findet jemand die übel zugerichtete Leiche ihres
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Mannes, eines ambitionierten Kommunalpolitikers. Sein Leichnam steckt in einem mit
Nägeln gespickten Fass. Die Medien greifen die Details gerne auf und stellen die Frage,
ob das nicht ganz nach jüdischen Ritualmorden aussehe, eine üble Legende, nach der
Juden aus dem Blut katholischer Kinder Matze backen, ein ungesäuertes Fladenbrot. Eine
solche Szene findet sich ganz real auf einem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Bild
in der Kathedrale von Sandomierz. Nach langen Querelen wurde es zunächst verhängt, ist
nun aber, ergänzt um eine erläuternde Tafel, wieder zu sehen.
Ein heikles Thema also, das dem Staatsanwalt einiges Kopfzerbrechen bereitet, zumal
ihm die Hinweise auf jüdische Metzger und katholischen Aberglauben allzu offensichtlich
erscheinen. Ein Indiz deutet auf Täter mit nationalistischem Hintergrund. Wirklich schlüssig
ist für Szacki aber keine der Thesen. Das Ritualmordgerücht verbreitet sich dennoch
rasant und einige Bürger von Sandomierz äußern ihre antisemitischen Meinungen
schließlich ganz offen. So bezieht sich der deutsche Romantitel denn unter anderem auch
auf jene wohlfeile Argumentation, derzufolge in jeder Legende doch wohl zumindest ein
Körnchen Wahrheit stecke und alle Stereotype doch sicherlich einen gewissen
Realitätsgehalt hätten.
Der 40-jährige Autor Zygmunt Miloszewski arbeitete zunächst als Journalist für die
polnische Ausgabe des US-amerikanischen Nachrichtenmagazins Newsweek, debütierte
mit phantastischer Literatur und hat nun eine Krimi-Trilogie geschrieben, deren zweiter
Band "Ein Körnchen Wahrheit" ist. Jeder dieser drei Romane spielt in einer anderen
polnischen Stadt. Nach Warschau im ersten, Sandomierz im zweiten, ist der dritte Band in
Olsztyn, im Nordosten Polens, dem ehemaligen Ostpreußen angesiedelt.
In "Ein Körnchen Wahrheit" widmet sich Miloszewski im Schatten einer grellen
Serienmordgeschichte überwunden geglaubten Vorurteilen, die allzu leicht an die
Oberfläche sprudeln. Wie aktuell das ist, zeigt sich nicht zuletzt im Erstarken
rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien in ganz Europa. Er habe sich für den
Kriminalroman entschieden, weil sich damit viel über eine Gesellschaft erzählen lasse,
sagte Miloszewski in einem Interview. Tatsächlich packt er reichlich Alltag und Lokalkolorit
zusammen, streift die große Politik nur am Rand. Als Thriller allerdings ist der Roman
etwas fad. Serienmordgeschichten sind nunmal samt ihrer blutrünstigen Details so
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ziemlich das abgenudelteste Moment im Krimigenre, eine simple, x-fach variierte
Schablone. Immerhin baut der Autor ein paar überraschende Drehs ein, welche die etwas
lang geratene Geschichte deutlich auffrischen. Vor allem aber ist Miloszewski ein
gewiefter Erzähler, der die Kunst des pointierten Dialogs ebenso beherrscht, wie er die
feinen Risse in der artigen Oberfläche gesellschaftlicher Konventionen mit Leichtigkeit und
Witz einzufangen in der Lage ist. Gerade deshalb lässt sich diese Geschichte dann doch
mit Gewinn lesen.
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