SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Héctor Abad: La oculta Aus dem Spanischen von Peter Kultzen Berenberg Verlag, Berlin 2016 352 Seiten 25 Euro Rezension von Peter B.Schumann Dienstag, 23. August 2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Mit seinem Roman Brief an einen Schatten ist Héctor Abad 2006 international berühmt geworden. Der 1958 in Medellín Geborene zählte jedoch schon zuvor zu den größten Talenten der lateinamerikanischen Literatur. Er beherrscht viele Genres gleichermaßen: den Essay, die Poesie, die Erzählung, die journalistische Chronik, den Zeitungskommentar. Als Literaturprofessor wird er genauso geschätzt wie als Radiomoderator. Zwei Themen bestimmen seit einiger Zeit sein literarisches Werk: die Gewalt in Kolumbien und seine davon unmittelbar betroffene Familie. Auch zu seinem neuen Roman La Oculta haben sie ihn inspiriert. Autor: La Oculta / Die Verborgene ist der Name einer Finca, eines Landguts in den kolumbianischen Bergen, unweit von Medellín. Es gehört seit dem 19. Jahrhundert den Ángels, doch ihre letzten Nachkommen, die Geschwister Pilar, Eva und Antonio, wollen den Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT geschichtsträchtigen Ort verkaufen. Sie wollen endlich eine Vergangenheit loswerden, die ihnen zur Last wurde. Antonio lebt beispielsweise weit entfernt in New York, sieht die Finca aus nostalgischer Sicht und idealisiert die Vergangenheit, obwohl es für ihn als Schwulen in der ländlichen Gesellschaft der Machos keine Zukunft gegeben hätte. Pilar ist – wie ihr spanischer Name sagt – die konservative Stütze der Familie. Ihr ist es immer wieder gelungen, die Finca trotz aller Rückschläge zu erhalten. Eva dagegen verabscheut das Gut. Sie liebt zwar die Schönheit der Landschaft, will aber ein freies, ungezwungenes Leben führen, und das kann sie nur fern vom Land in der Stadt. Alle Drei berichten abwechselnd von ihren traumatischen Erfahrungen. Antonio wurde wie ein Aussätziger behandelt, als er seine Homosexualität zeigte. Pilars Sohn wurde von der Guerrilla entführt. Sie musste fast ihr gesamtes Vermögen opfern, um ihn loszukaufen. Eva entkam nur knapp dem Mordanschlag einer paramilitärischen Terrorbande, bei der ein Teil der Finca in Flammen aufging. Héctor Abad entwickelt diese drei Handlungsstränge parallel und vertieft sie um weitere Elemente. Pilar blickt in die jüngste Vergangenheit der Familie zurück. Dabei wird klar, dass sie für den Erhalt der Finca selbst moralische Prinzipien missachtet und Schutzgeld an die Paramilitärs gezahlt hat. Eva entwirft anhand ihrer mehrfach gescheiterten Ehen ein ironisch gefärbtes Bild der kolumbianischen Oberschicht, von der sie sich in einem Akt der Emanzipation befreit. Antonio gräbt in der newyorker Ferne nach den historischen Wurzeln der Siedlungsgeschichte der Region Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Antioquia, die einst auch von den Vorfahren der Ángels kolonisiert wurde. Ganz bewusst hat Héctor Abad den einzigen männlichen Erben der Finca als Schwulen gestaltet. Homosexualität ist in den lateinamerikanischen Gesellschaften – trotz aller SchwulenParaden - ein immer wieder tabuisiertes Thema. Und auch kolumbianische Schriftsteller machen gern einen Bogen darum. Deshalb hat der Autor, der sich selbst als einen „banalen Heterosexuellen“ bezeichnet, diesen Aspekt und seine dramatischen Konflikte aufgegriffen und mit großem Feingefühl beschrieben. Héctor Abad gelingt es, all diese Ebenen kunstvoll miteinander zu verknoten, ohne ihnen ihre Selbstständigkeit zu nehmen. Für den Leser besteht der literarische Reiz sogar darin, dass er die drei Stränge unabhängig voneinander verfolgen kann. Der Autor hat zudem mit La Oculta eine Metapher für Kolumbien geschaffen. Am Beispiel der Geschichte der Finca und ihrer Besitzer veranschaulicht er den Niedergang dieses großen, schönen und potentiell reichen Landes. Daran sind nach seiner Meinung nicht nur die Gewalttäter – die Guerrillas und die Paramilitärs – Schuld, die die Ángels heimgesucht haben, sondern auch die Spekulanten. An sie musste der größte Teil des Grundbesitzes verkauft werden. Die idyllische Landschaft wurde mit luxuriösen Resorts und Wohnanlagen zubetoniert, die Finca von ihnen geradezu umzingelt. „Was die Violencia, der Bürgerkrieg, nicht geschafft hat, erledigen die Geschäftemacher im Handumdrehen.“- lässt der Autor Antonio als Fazit sagen. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Héctor Abad will nicht nur auf die Verluste verweisen, sondern auch den Willen zum Widerstand oder schlicht zum Leben betonen. Seine Protagonisten geben nicht auf, kämpfen auch nicht für große Ziele – Abad ist kein Utopist –, sondern nehmen sich einfach etwas Neues vor. Mit Brief an einen Schatten hatte sich dieser große kolumbianische Schriftsteller vor einem Jahrzehnt den Schmerz über die Ermordung seines Vaters von der Seele geschrieben. Danach fand er jahrelang nicht den Zugang zu einem neuen Werk: er wollte sogar das Schreiben aufgeben. Mit La Oculta, diesem wunderbar erzählten Roman, ist ihm endlich die Rückkehr in die Literatur gelungen. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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