Von Erdoğan abhängig

Türken in Deutschland
Von Erdoğan abhängig
Der Moscheeverband Ditib ist ein verlängerter Arm der türkischen Regierung? Der
Generalsekretär ist empört. Doch eine Loslösung von der Türkei ist derzeit illusorisch.
Von Canan Topçu
3. August 2016, 15:10 Uhr / 266 Kommentare
Muslime beten in einer Ditib-Moschee in Stuttgart. © Daniel
Naupold/dpa
Bekir Alboğa versteht die Welt nicht mehr. Gerade ist der Generalsekretär des MoscheeDachverbands Ditib aus dem Türkeiurlaub zurückgekehrt. Er ist fassungslos über die
"Verleumdungskampagne" gegen die Ditib. Aber nicht so fassungslos, dass es ihm die Sprache
verschlägt. Im Gegenteil. Das Ditib-Bashing bringt ihn dazu, sich in Rage zu reden. Er ist empört
über den Vorwurf, die Ditib sei ein verlängerter Arm der türkischen Regierung und enttäuscht
darüber, dass all die Arbeit seines Verbands, all die Bemühungen um den religiösen Dialog und
die Integration von türkischstämmigen Muslimen hierzulande infrage gestellt wird.
Seit mehr als drei Jahrzehnten gibt es die Ditib in Deutschland, mehr als 900
Moscheegemeinden haben sich dem Verband angeschlossen, über viele Jahre gab es gute
Kontakte zu Parteien, galt der Verband als ein verlässlicher Partner der Politik. Und plötzlich,
wie aus heiterem Himmel, soll der Verband nichts anderes machen, als die politischen Ziele des
Staatspräsidenten Erdoğan in Deutschland zu verfolgen? "Wir sind ein deutscher Dachverband
und stehen in keiner Weise unter dem Einfluss der türkischen Regierung ", sagt Alboğa.
Dankbar für die Gehälter der Imame
Er ist überzeugt von dem, was er sagt. Dass Imame der Ditib-Gemeinden aus der Türkei
entsandt werden und von der türkischen Religionsbehörde finanziert werden, sei doch nichts
Neues und bedeute doch auch keineswegs, dass sie "unter den Fittichen des Staatspräsidenten
stehen". Die Ditib kooperiere auf theologischer Ebene mit der Türkei, halte sich aber von
Parteipolitik fern. "Das war früher schon so und heute ist es nicht anders." Die Ditib sei dankbar,
dass die Religionsbehörde die Gehälter der Imame zahle. Denn eine Alternative dazu biete der
deutsche Staat ja nicht. Ähnlich klingt es auch, wenn sich Ditib-Funktionäre aus den
Landesverbänden offiziell zu der Frage äußern, was es denn auf sich habe mit dem Einfluss der
Türkei auf die Arbeit der Moscheegemeinden.
In vertraulichen Gesprächen werden aber auch andere Töne angeschlagen. Dann ist von
Flügelkämpfen in der Ditib-Zentrale zu hören, davon, dass die junge Generation von
Moscheemitgliedern aneckt mit ihrer Integrationsarbeit und ihrem Engagement, weil die sich
an der Mehrheitsgesellschaft orientiert.
Berichtet wird auch, dass die Vorstellungen der Imame und die der Moscheevorstände über
Ausrichtung der Gemeindearbeit nicht immer kompatibel sind, dass die religiöse Unterweisung
der Imame sich nicht an der Lebenswirklichkeit der jungen Gemeindemitglieder orientiere, dass
ein zu konservatives Islamverständnis vermittelt werde.
Zu hören ist von einem der Landesvorstände davon, dass die Imame Anweisungen von
Religionsattachés aus den türkischen Konsulaten erhalten und wöchentlich Rapport abzuliefern
haben über ihre Arbeit. Die interne Kritik an Ditib-Strukturen wird auch von anderen nur hinter
vorgehaltener Hand geäußert. Politiker wie Cem Özdemir und Islamexperten wie Susanne
Schröter nehmen hingegen kein Blatt vor den Mund.