Sorge um islamischen Religionsunterricht in Hessen wächst

Sorge um islamischen Religionsunterricht in Hessen wächst
Wachsende Besorgnis um Ditib-Verein und islamischen Religionsunterricht in Hessen
Soll das Land Hessen weiter mit der türkisch-islamischen Dachorganisation Ditib zusammenarbeiten?
Rheinland-Pfalz will das nun angesichts der Entwicklungen in der Türkei auf den Prüfstand stellen, auch
in Hessen wächst die Kritik.
Wiesbaden/Mainz. 18 000 Verhaftungen, „Säuberungen“ gegen politische Gegner, Einschüchterungen
auch in Deutschland – die aktuelle Entwicklung in der Türkei sorgt auch in Hessen für Unruhe. „Eine
Abschaffung der Demokratie“, nennt die Frankfurter Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter die
Vorgänge, und warnt: Auch in Hessen müssten die Behörden die Zusammenarbeit mit der türkischislamischen Dachorganisation Ditib überdenken.
„Die Ditib ist strukturell, finanziell und ideologisch abhängig von Diyanet, der türkischen
Religionsbehörde, die wiederum unmittelbar dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan unterstellt ist“,
sagte Schröter dieser Zeitung, es existiere eine direkte „Einflusskette.“ Vertreter von Diyanet und
türkische Religionsattachés seien in allen wichtigen Ditib-Gremien vertreten, um die Organisation zu
kontrollieren und Einfluss zu nehmen. Die Imame der Ditib seien von Diyanet ausgebildet und bezahlt,
Predigten würden direkt aus der Türkei nach Deutschland geschickt und hier verlesen.
Die Ditib widerspricht: „Wir stehen zur Demokratie, zur Freiheit“, sagte der Vize-Vorsitzende der Ditib in
Rheinland-Pfalz, Cihan Sen, der dpa. Die Ditib sei „eine Religionsgemeinschaft und keine politische
Instanz“, man sei „überparteilich“ und „eine Religionsgemeinschaft nach deutschem Recht.“
Das Problem: In Hessen sitzt die Ditib seit 2013 mit am Tisch der Landesregierung beim islamischen
Religionsunterricht – auch weil Gutachten renommierter Wissenschaftler damals dem hessischen
Landesverband der Ditib bescheinigten, ein verfassungskonformer Partner zu sein. „Ditib war damals
noch eine moderate Organisation“, sagt Schröter. Die aktuelle Politik in der Türkei mit
Massenverhaftungen und „Säuberungen“ seien aber „Spielregeln einer Diktatur, das ist Antidemokratie.“
Rheinland-Pfalz stellt deshalb nun die Zusammenarbeit mit der Ditib auf den Prüfstand: Seit April 2015
verhandelt das Land mit Vertretern von fünf islamischen Verbänden über einen Vertrag, der das
Zusammenleben mit Muslimen umfassend regeln soll. Inhalt des Vertrags sind unter anderem
Glaubensfreiheit und die Anerkennung islamischer Feiertage sowie die Einführung eines
flächendeckenden islamischen Religionsunterricht.
Noch vor einer Woche hieß es aus der SPD-geführten Mainzer Staatskanzlei, Ditib sei „ein verlässlicher
Partner“, am Dienstag ruderte man zurück: Die für September angesetzten Gespräche würden wohl
ausgesetzt, die Verbindungen von Ditib zum türkischen Staat geprüft, sagte Regierungssprecherin
Andrea Bähner dieser Zeitung. Zuvor hatten selbst die Koalitionspartner FDP und Grünen eine
Überprüfung gefordert. Es könne nicht sein, dass die Ditib auch in Deutschland zum Boykott von
politisch anders Gesinnten aufrufe, sagte Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun, auf so einer Basis
könne man „keine Zusammenarbeit mit Ditib befürworten.“
Bei den hessischen Grünen heißt es dagegen, Hinweise auf Einflussnahme auf den Unterricht müssten
überprüft werden, bisher sei Ditib Hessen aber ein verlässlicher Partner gewesen. Man habe „derzeit
keinen Anlass“, die Zusammenarbeit mit der Ditib in Frage zu stellen, heißt es auch aus dem CDUgeführten Kultusministerium. Die Ditib arbeite nicht die Lehrpläne des Religionsunterrichts aus, alle
Unterrichtsinhalte stünden in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz, das werde auch durch Kontrollen
in den Schulen überprüft.
„Es gibt keinen Einfluss des türkischen Staatspräsidenten Erdogan auf den islamischen
Religionsunterricht in Hessen“, betonte ein Sprecher. Kooperationspartner sei zudem der DitibLandesverband Hessen, nicht der Bundesverband. Doch gerade die hessische Ditib habe sich durch
den Einfluss der Türkei stark verändert, sagt Schröter, der sehr liberale Landesvorsitzende Fuat Kurt sei
ausgetauscht worden.
„Ich mache mir Sorgen um die Eigenständigkeit von Ditib Hessen“, sagte auch der ehemalige
Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die Frage sei, ob der Landesverband heute „aus Köln
gelenkt, vielleicht sogar aus Ankara gesteuert“ werde. „Ich rate der Schulaufsicht vor Ort, ein
wachsames Auge auf den islamischen Religionsunterricht zu werfen“, mahnte Hahn. „Das Curriculum
hat einen denkbar weiten Rahmen, da lässt sich alles mögliche einbringen“, warnt auch Schröter:
„Erdogan hat den Anspruch, Einfluss auf die Politik in Deutschland zu nehmen.“
Artikel vom 03.08.2016, 03:30 Uhr (letzte Änderung 03.08.2016, 10:36 Uhr)
Artikel: http://www.fnp.de/rhein-main/Sorge-um-islamischen-Religionsunterricht-in-Hessenwaechst;art801,2141835
© 2016 Frankfurter Neue Presse