Kleine Anfrage 5655

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode
Drucksache
16/14354
02.03.2017
Kleine Anfrage 5655
der Abgeordneten Dirk Wedel und Dr. Joachim Stamp FDP
In welcher Weise reduziert Justizminister Kutschaty die in der religiösen Betreuung
muslimischer Gefangener tätigen Imame von DITIB?
Seit Februar 2015 hat Justizminister Kutschaty bei unterschiedlichen Gelegenheiten als Teil
eines Fünf-Punkte-Plans zur Vorbeugung von Radikalisierung im Strafvollzug den Ausbau der
religiösen Betreuung muslimischer Gefangener angekündigt (Vorlage 16/2689, Seite 4; APr
16/830, Seite 35; Drs. 16/7993, Seite 4; Vorlage 16/3189, Seite II; APr 16/1010, Seite 12 f.).
Im Kampf gegen die Radikalisierung (junger) Muslime sei die Intensivierung der
seelsorgerischen Betreuung muslimischer Inhaftierter ein Schlüssel zum Erfolg. Deshalb
verstärke die Justiz den möglichst flächendeckenden Einsatz von Imamen als Seelsorgern und
religiösen Betreuern, die als natürliche Autoritätspersonen in der Lage seien, bereits straffällig
gewordene Radikalisierte von ihrem eingeschlagenen Weg abzubringen, ihnen eine andere,
friedliche Auslegung ihrer Religion zu vermitteln und potenzielle Opfer dieser Extremisten im
Justizvollzug zu „immunisieren“ (Vorlage 16/3189, Seite II; APr 16/1010, Seite 13). Angesichts
der Gefahren des Extremismus dürfe sich das seelsorgerische Angebot aber nicht allein auf
das Freitagsgebet beschränken. Das Ziel müsse vielmehr eine möglichst umfassende
Betreuung muslimischer Gefangener sein (APr 16/1010, Seite 13).
Zur Situation der religiösen Betreuung muslimischer Gefangener führte Justizminister
Kutschaty in der 41. Sitzung des Rechtsausschusses vom 25.02.2015 aus (APr 16/830, Seite
35 f.):
„Derzeit bietet sich im Lande folgendes Bild: Für die Religionsausübung der muslimischen
Gefangenen können Imame bzw. Hodschas in allen Anstalten tätig werden. Sofern sie
tatsächlich zur Verfügung stehen. Diese werden derzeit entweder von den örtlichen
Moscheevereinen oder den türkischen Generalkonsulaten oder dem Verband DITIB entsandt.
…
Zur Frage der Tätigkeit von weiteren Imamen in den Justizvollzugsanstalten stehen wir aktuell
im Kontakt mit dem derzeitigen Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime – welcher die
vier größten Verbände – DITIP, Islamrat, Verband der islamischen Kulturzentren und
Zentralrat der Muslime – vertritt. Weitere Gespräche, auch mit Vertretern der Alevitischen
Datum des Originals: 02.03.2017/Ausgegeben: 02.03.2017
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Gemeinde Deutschlands, werden folgen. Hierbei wird es auch darauf ankommen, die Auswahl
der Imame bzw. muslimischen Seelsorger in den Blick zu rücken.“
In der 42. Sitzung des Rechtsausschusses vom 11.03.2015 konkretisierte der Justizminister
(APr 16/851, Seite 8):
„Derzeit haben wir nach den Angaben unserer Justizvollzugsanstalten 122 Imame, die dort
Gefangene betreuen. 117 dieser Imame – alle bis auf fünf – kommen aufgrund ausdrücklicher
Empfehlung durch das jeweils zuständige türkischen Generalkonsulat in unsere Anstalten.
Zumeist handelt es sich hierbei um Imame von der Deutsch-Islamischen Union, auch DITIB
genannt. Diese sind ausweislich der Deutschen Islam Konferenz türkische Beamte, die in der
Regel für vier Jahre nach Deutschland versetzt werden, um unter anderem dann auch die
religiöse Betreuung Gefangener zu übernehmen. Das jeweils zuständige türkische
Generalkonsulat benennt diese Imame der jeweiligen Justizvollzugsanstalt, und der türkische
Staat bezahlt diese Imame auch. Allein schon dieser Auswahlweg bedeutet ein hohes Maß an
Sicherheit.“
In der Antwort auf die Kleine Anfrage 4463 erklärte der Justizminister, 97 der 114 im Februar
2016 in den Justizvollzugsanstalten tätigen muslimischen Seelsorger seien über das türkische
Generalkonsulat entsandt (Drs. 16/11478, Seite 2).
Nach dem vom Justizminister im Juni 2016 vorgestellte „Konzept zur Förderung der Integration
der ausländischen Inhaftierten und zur Verbesserung der Sicherheit im Justizvollzug
Nordrhein-Westfalen“ soll das unter Hinzuziehung der Kompetenz von Islamwissenschaftlern
eingerichtete Kompetenzzentrum „Justiz und Islam“ künftig bei der Auswahl von Imamen
mitwirken (Vorlage 16/4050, Seite 4; Vorlage 16/4086, Seite 7).
In einem Interview mit der Deutschen Richterzeitung erklärte Minister Kutschaty zu den
Vorgängen in der Türkei nach dem Putschversuch (vgl. WDR vom 06.08.2016: Kutschaty
fordert härteren Kurs gegen die Türkei, Laschet warnt):
„Wenn Richter und Staatsanwälte entlassen und inhaftiert werden, weil sie nicht die Ansichten
des Staatspräsidenten teilen, ist das das Ende des Rechtsstaates. Was aktuell in der Türkei
passiert, ist ein Staatsstreich nach dem Staatsstreich.“
Die Westdeutsche Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 12.09.2016, das Internetportal
„Deutsch-Türkisches Journal“ schätze nach den ihm vorliegenden Berichten von abberufenen
Imamen die Zahl der Betroffenen auf mehr als ein Viertel der etwa tausend türkischen
Religionsbeauftragten in Deutschland. Dafür reiche der vage Verdacht, auch nur in der Nähe
der „Gülen-Bewegung“ zu stehen.
Nach Auskunft des Ministers für Inneres und Kommunales wird die „Gülen-Bewegung“ vom
Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen nicht als extremistische Bestrebung
beobachtet. Die „Gülen-Bewegung“ verfolge zwar zum Teil demokratiefeindliche
Vorstellungen, trete in Deutschland aber nur als religiöse Organisation auf, ohne nachweisbar
politische Bestrebungen im Sinne des Verfassungsschutzgesetz zu verfolgen (Drs. 16/12878).
Die Ausführungen des Ministers für Inneres und Kommunales beinhalten ebenfalls
Erkenntnisse, dass DITIB in seinen Moscheegemeinden gegen „Gülen-Anhänger“ vorgehe.
Zum Stichtag 19.09.2016 betrug die Anzahl der in Justizvollzugsanstalten tätigen Imame 104,
von denen 92 über die türkischen Generalkonsulate bzw. von DITIB entsandt wurden. Zudem
kündigte Justizminister Kutschaty am 26.09.2016 an, dass künftig alle Imame einer
Sicherheitsüberprüfung unterzogen würden. In der Vergangenheit seien Imame, die
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konsularisch vermittelt wurden, von der Sicherheitsüberprüfung ausgenommen worden. Die
Zusammenarbeit mit den von der DITIB entsandten Imamen bei der religiösen Betreuung von
Inhaftierten solle nach dem Willen der Landesregierung fortgesetzt werden (Vorlage 16/4264,
Seite 4).
Am 28.09.2016 waren von den insgesamt 112 in den Justizvollzugsanstalten des Landes
tätigen Imamen 96 von der DITIB (Drs. 16/13264, Seite 3 und Anlage).
Nach Presseberichten vom 18.01.2017 ermittelt der Generalbundesanwalt wegen
Spionageverdachts bei DITIB. Mitglieder des türkischen Moscheenverbands in Deutschland
sollen Informationen über Anhänger des Predigers Fethullah Gülen an die Regierung in
Ankara weitergereicht haben.
Der Rheinischen Post vom 22.02.2017 zu Folge berichtete Justizminister Kutschaty am Rande
einer Veranstaltung, dass er unter den an den JVAs tätigen muslimischen Predigern
„aufräume“. Jetzt gebe es noch knapp 100 Imame, von denen 63 von DITIB kämen. Er wolle
deren Anteil nun weiter senken – auch, weil sie sich nur wenig um die Seelsorge der
Gefangenen kümmerten.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1.
Wie viele muslimische Seelsorger sind derzeit in den Justizvollzugsanstalten des Landes
Nordrhein-Westfalen tätig (bitte unter Angabe der Anzahl der über die türkischen
Generalkonsulate bzw. von DITIB entsandten muslimischen Seelsorger)?
2.
Welche Ergebnisse hatten die Sicherheitsüberprüfungen der über die türkischen
Generalkonsulate bzw. von DITIB entsandten muslimischen Seelsorger (bitte unter
Angabe, in wie vielen Fällen aufgrund dessen deren Tätigkeit in den
Justizvollzugsanstalten geendet hat)?
3.
Aufgrund welcher Umstände hat sich die Anzahl der in den Justizvollzugsanstalten des
Landes tätigen von den türkischen Generalkonsulaten bzw. von DITIB entsandten
muslimischen Seelsorgern seit dem 28.09.2016 um ein Drittel reduziert?
4.
Inwieweit sind in den Justizvollzugsanstalten des Landes tätige oder tätig gewesene
über die türkischen Generalkonsulate bzw. von DITIB entsandte muslimische Seelsorger
verdächtig, Informationen über Gefangene direkt oder indirekt an die türkische
Regierung weitergegeben haben?
5.
Durch welche Maßnahmen beabsichtigt Justizminister Kutschaty die Anzahl der über die
türkischen Generalkonsulate bzw. von DITIB entsandten in den Justizvollzugsanstalten
des Landes tätigen muslimischen Seelsorger weiter abzusenken?
Dirk Wedel
Dr. Joachim Stamp
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