SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Wolfram Siemann: Metternich Stratege und Visionär C. H. Beck Verlag 2016 983 Seiten 34,95 Euro Rezension von Constantin Fellner Montag, 27. Juni 2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de „O Cholera, verschone mich, nimm doch den Fürsten Metternich!“ – so sang man im Vormärz auf den Straßen und Gassen Deutschlands. Selten vor dem 20. Jahrhundert hatte ein Staatsmann eine derart schlechte Presse wie Clemens Wenzel Fürst von Metternich. „Kutscher Europas“ wurde der smarte Standesherr zwar genannt; aber ins kollektive Gedächtnis ging der Mann, der als österreichischer Außenminister und Staatskanzler von 1809 bis 1848 die Geschicke Europas mitbestimmte, ein als Drahtzieher der Karlsbader Beschlüsse, als Unterdrücker des europäischen Liberalismus, als Mastermind der Restauration zwischen Wiener Kongress 1815 und Achtundvierzigerrevolution. Wolfram Siemann hat sich mit seinem eben erschienenen Opus Magnum als der große Metternich-Historiker unserer Zeit etabliert. Die respektable, aber auch erschlagende Weite seines Buches rechtfertigt er so: Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT „Die große Form schenkt mir [die] Rolle [...] eines kundigen Wegbegleiters und Reiseführers, der den [...] Leser [...] auf eine Reise durch die Vergangenheit mitnimmt. Wir werden uns gemeinsam zurückfallen lassen in Zeitalter und historische Landschaften, die uns Heutigen fremd geworden sind. Dabei ist über ein Leben zu berichten, das so viele historische Epochen vereinte, wie sie selten ein Staatsmann erlebte [und] über ein ganzes Menschenalter von rund fünfzig Jahren mitgestalten [...] konnte.“ Siemann macht kein Hehl aus seiner bedingungslosen Verehrung für den Reichsgrafen, den er in sechzehn Kapiteln als „Frauenversteher“ und Kosmopoliten, insbesondere aber als „Strategen und Visionär“ (so der Untertitel) feiert. Er sieht in Metternich ein „Individuum mit multiplen Identitäten“ und verschlüsselt in dieser Zuschreibung die Modernität, die in seinem eigentlich so unmodernen Helden letztendlich doch steckt. Das Äon von 1770 bis 1860 ist die Sattelzeit der modernen europäischen Politik, innerhalb welcher diese in die Weltpolitik übergeht, um letztlich in ihr aufzugehen. Metternich lebte von 1773 bis 1859, also genau innerhalb dieses Äons. Empathisch und bisweilen auch emphatisch betreibt Siemann die Ehrenrettung seines Helden, in dem er den Stabilisator Europas sieht, in Abgrenzung zu der chaotischen Welle, die mit der Französischen Revolution beginnt, von Napoleon fortgetragen wird und in die politische und territoriale Neuordnung des eurasischen Blocks zwischen 1821 (Beginn des griechischen Unabhängigkeiteskampfes) und 1856 (Ende des Krimkrieges) bzw. 1859 (italienische Einigung) mündet. An Metternichs Antagonistenrolle kann Siemann dadurch freilich nichts ändern. Der Mann, dem Napoleon in der legendären Dresdner Unterredung im Juni 1813 ins Gesicht schleuderte, ein Mann wie er scheiße auf das Leben einer Million Menschen, lebte für die Vergangenheit, nicht für die Zukunft. Visionär war er dort, wo er sich auf Werte besann, Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT die nach der Übergangsphase des expansiven Nationalismus zwischen 1830 und 1990 wieder an Aktualität gewonnen haben. In Siemanns Worten: „Er lehnte die Nationalität des Staates ab, förderte aber die Nationalität im Staate.“ Damit wäre der Englandfreund Metternich, den die Deutschnationalen wegen seines Internationalismus, die Liberalen wegen seines Autoritarismus schmähten, Vordenker des „Europas der Regionen“, ja sogar der westernization, des atlantischen Konzepts der Denationalisierung und Entgrenzung. Damit entzieht Siemann Metternich dem klassischen ideologischen Diskurs und ordnet ihn, allerdings sehr behutsam, ein in einen postmodernen geopolitischen Zusammenhang. Siemanns „Metternich“ ist ein formidables Opus, an dem Doktoranden und Hobbyhistoriker gleichermaßen ihre Freude haben werden. Unbezahlbar ist vor allem dieser Rat, den Siemann seinen Lesern mitgibt: „Eines lehrt der Gang mit Metternich durch sein Leben und seine Zeitalter gewiss: politische Ideale auf tiefer liegende, bewusst verborgene Absichten zu befragen, sie gleichsam zu entheiligen.“ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
© Copyright 2025 ExpyDoc