Warnsignale bei Pensionskassen

Gastkommentar: Nationalbank hätte Wirtschaft besser schützen können Seite 18
Neuö Zürcör Zäitung
NZZ – INTERNATIONALE AUSGABE
Donnerstag, 12. Mai 2016 V Nr. 109 V 237. Jg.
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Warnsignale
bei Pensionskassen
Niedrige Renditen belasten Deckungsgrade
Die finanzielle Lage der
Schweizer Pensionskassen hat
sich 2015 verschlechtert. Die
niedrigen Renditen könnten
ein Vorgeschmack auf schwierige
Jahre sein. Dies erhöht den
Reformdruck.
MICHAEL FERBER
GUY LE QUERREC / MAGNUM
Ungerechte
Filmfestivals
In Cannes wurde am Mittwoch das wichtigste Filmfestival der Welt eröffnet. Die 21
Wettbewerbsbeiträge aus 14 Nationen lassen so viele Höhepunkte erwarten wie selten. Gerechtigkeit vonseiten der Jury dürfen die Regisseure indes nicht unbedingt
erwarten: Sie steht bei Filmfestivals nicht auf dem Programm. Das Bild von 1980 zeigt
Fotografen, die am 33. Filmfestival von Cannes auf die Stars warten.
Seite 17, 22
Planungssünde soll verschwinden
Milliardenprojekt für die vielbefahrene Rosengartenstrasse in Zürich vorgestellt
Quartier erhoffte Verkehrsberuhigung
doch noch bringen soll.
Direktverbindungen fürs Tram
ak. V Die Rosengartenstrasse, die sich
REUTERS
mitten durch das Zürcher Quartier Wipkingen zieht, wird täglich von rund
56 000 Autos und Lastwagen benützt.
Sie zählt damit zu den meistbefahrenen
Hauptstrassen der Schweiz. Dabei ist sie
1972 zusammen mit der Westtangente
lediglich als Provisorium eröffnet worden, bis die geplante Autobahnverknüpfung mitten in Zürich Realität werden
sollte. Seit Jahrzehnten zerschneidet die
Verkehrsachse das Quartier und führt
zu erheblichen Belastungen für die ansässige Bevölkerung. Nun aber nimmt
ein Grossprojekt Gestalt an, das die im
SCARLETT JOHANSSON
Die Schauspielerin gibt
es neu als Roboter
(Bild) – was Fragen
der Persönlichkeitsrechte aufwirft SEITE 21
Stadt und Kanton Zürich haben sich
schon vor drei Jahren auf die Grundzüge des Projekts geeinigt: Diese Vereinbarung sieht vor, dass die Kapazität
für den motorisierten Individualverkehr
beibehalten werden soll. Die Autos sollen künftig aber zwischen Irchel und
Wipkingerplatz unterirdisch in einem
neuen Tunnel verkehren. Zu ebener
Erde wird damit Platz frei für eine
Tramspur, auf der künftig Zürichs
Süden, Westen und Norden verbunden
werden sollen – ohne Umweg über den
bereits heute überlasteten Verkehrsknoten am Hauptbahnhof. Eigentlich
läge der Bau des Tunnels in der Zuständigkeit der Stadt Zürich. Wegen der Bedeutung des Projekts und der hohen
Kosten übernimmt nun aber der Kanton
die Verantwortung. Dies wird in einem
Spezialgesetz festgehalten, das zusammen mit einem Rahmenkredit die
Grundlage für den Bau von Tunnel und
Tramlinie bildet. 1031 Millionen Franken soll der Kredit betragen, der vom
Bund mitfinanziert werden soll. Die
Stadt Zürich übernimmt zusätzlich die
Kosten für den Rückbau der Brücken
und Unterführungen sowie die Quartiermassnahmen.
Widerstand von links und rechts
Die Reaktionen auf das Projekt fallen
sehr unterschiedlich aus: FDP und CVP
begrüssen es als ausgeglichene Lösung,
SP und Grüne lehnen es ab, weil der
Autoverkehr nicht vermindert wird. Das
Gegenteil hätte sich allerdings die SVP
gewünscht, die sich zudem an den hohen
Kosten des Gesamtpakets stösst.
Meinung & Debatte, Seite 19
Zürich und Region, Seite 31
Deckungsgrade gesunken
Bei den Vorsorgeeinrichtungen ohne
Staatsgarantie ist der durchschnittliche
Deckungsgrad im vergangenen Jahr um
3,4 Prozentpunkte auf 105,1% zurückgegangen. Bei den Pensionskassen mit
Staatsgarantie fiel er um 1,7 Prozentpunkte auf 76,1%. Der Deckungsgrad
weist das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtungen aus.
Aufgrund der starken Aktienjahre
2012 bis 2014 stehen viele Vorsorgeeinrichtungen noch vergleichsweise gut da.
Allerdings ist es laut der OAK BV unwahrscheinlich, dass das Ertragsniveau
der Vorjahre gehalten werden kann.
Schliesslich droht der «dritte Beitragszahler», der Kapitalmarkt, in den kommenden Jahren zu schwächeln. Von
risikoarmen Anlagen wie Bundesobligationen ist kaum Rendite zu erwarten, und
auch bei Immobilien sind die Renditen
zurückgegangen. Zudem gestaltete sich
der Auftakt ins Jahr 2016 schwierig. So
ARBEITSMARKTREFORM IN FRANKREICH
EUROVISION SONG CONTEST
Die Regierung riskiert
einen Misstrauensantrag SEITE 3
Die ersten Finalisten
stehen fest – auf Rykka
setzen wenige SEITE 20
DEMOKRATIE IN TUNESIEN
FALL BÖHMERMANN
Der Nobelpreisträger
Ben Moussa sorgt sich
um die Freiheit SEITE 6
Der türkische Staatschef Erdogan erleidet
eine Schlappe SEITE 24
SOZIALDEMOKRATEN IN ÖSTERREICH
Die krisengeplagte
Partei flirtet
mit der Konkurrenz SEITE 7
NZZ
Seit Jahrzehnten wird um eine
Lösung für die Rosengartenstrasse gerungen. Nun legen
Stadt und Kanton eine Tunnelvariante vor. Diese stösst auf
Kritik – auch wegen der Kosten.
Die Anlageresultate im Jahr 2015 sind
für die Schweizer Pensionskassen ein
Schuss vor den Bug. Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK
BV) geht davon aus, dass die zweite
Säule des Altersvorsorgesystems derzeit
eine der schwierigsten Phasen ihrer Geschichte durchlebt. Aufgrund der extrem
niedrigen beziehungsweise sogar negativen Zinsen und der gleichzeitig schwächelnden Aktienmärkte haben die
Schweizer Vorsorgeeinrichtungen 2015
eine durchschnittliche Nettorendite von
lediglich 0,8% auf ihren Vermögen erzielt. In der Folge haben sich auch die
Deckungsgrade reduziert, wie Vertreter
der Behörde an einem Medienanlass am
Dienstag mitteilten. An der Erhebung
haben 93% der Schweizer Vorsorgeeinrichtungen mit einer Bilanzsumme von
864 Mrd. Fr. teilgenommen. Damit
dürfte sie hierzulande die umfassendste
und repräsentativste Umfrage sein.
KOLLEGIALES FEEDBACK
Ulrich Kleinert will
Einzelrichter nicht
alleine lassen und
bietet Hilfe in Form
von Austausch an SEITE 32
GUY PARMELIN
Der SVP-Bundesrat
hat gleich mehrere
Probleme SEITE 27
hat der Pensionskassen-Index der Bank
Credit Suisse in den ersten drei Monaten
rund 0,5% an Wert verloren.
Nicht alle Vorsorgeeinrichtungen haben derweil aus Sicht der Oberaufsichtskommission genügend weit gehende
Massnahmen getroffen, um auf diese
Situation zu reagieren. Ihr grösstes
Risiko stellten die zu hohen Zinsversprechen in den Umwandlungssätzen
dar. Der Umwandlungssatz ist der Prozentsatz des in der Vorsorgeeinrichtung
angesparten Vermögens, der dem Versicherten nach seiner Pensionierung pro
Jahr ausbezahlt wird. Zwei Drittel der
Pensionskassen haben in diesem Bereich laut der Behörde hohe bis sehr
hohe Risiken. Die Zinsversprechen
lägen im Durchschnitt bei 3,25% (Vorjahr: 3,43%). Schweizer Bundesobligationen rentierten hingegen Ende 2015
nur mit –0,1%; mittlerweile sind die
Renditen noch weiter gefallen.
Sehr hohe Risiken
Da viele Pensionskassen schon lange
existieren und viele Rentner haben, gilt
die mangelnde Sanierungsfähigkeit als
zweitgrösste Gefahr. Hier trägt laut der
Behörde rund die Hälfte der Kassen
ohne Staatsgarantie hohe bis sehr hohe
Risiken. Immerhin haben viele Kassen
reagiert und ihre technischen Zinssätze
weiter gesenkt. Mit diesem Satz berechnen Pensionskassen den derzeitigen
Wert ihrer zukünftigen Verpflichtungen.
Ist er zu hoch, so wird ihre finanzielle
Lage in der Bilanz falsch dargestellt.
Die Zahlen zeigen, dass der Druck für
Reformen beim Altersvorsorgesystem
steigt. Hier bieten sich drei Möglichkeiten: Kürzungen bei den Leistungen, ein
höheres Rentenalter oder höhere Rentenbeiträge. Bei letzterem Punkt setzt die
geplante Rentenreform von Bundesrat
Alain Berset vor allem an. Ein höheres
Rentenalter ist in der Schweiz – im
Gegensatz zu vielen anderen OECDLändern – politisch weitgehend ein Tabu,
da der Rückhalt in der Bevölkerung dafür fehlt. Bersets Rentenreform sieht
eine Erhöhung des Rentenalters der
Frauen von 64 auf 65 Jahre vor, das der
Männer bleibt bei 65. Trotzdem dürfte
sich die Diskussion über eine Erhöhung
des Rentenalters auf 67 Jahre mittelfristig kaum vermeiden lassen. Die Schweiz
hat mit 81 Jahren bei den Männern und
85,2 Jahren bei den Frauen eine der
höchsten Lebenserwartungen weltweit.
11°/15°
WETTER
Bewölkt, Niederschläge.
Schneefallgrenze auf 1900
Metern. Aufhellungen. Am
Nachmittag im Flachland
längere trockene
Abschnitte. SEITE 37
Traueranzeigen 12, 14, 26
Sport 35-36, Mobilität 38-39
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