Am Ende entscheidet die Nettorendite

AKZENT | 57
Zusammenhang Kosten und Nettorendite
Am Ende entscheidet
die Nettorendite
Einsparungen bei den Vermögensverwaltungskosten können das
grösste Problem der Schweizer Pensionskassen, die tiefen Zinsen, nicht
­lösen. Einsparungen können sogar kontraproduktiv sein. Dennoch ist
es sinnvoll, dass die Kostensituation analysiert und auch transparent
ausgewiesen wird.
IN KÜRZE
Die Nettoperformance einer
­Pensionskasse ergibt sich aus
­einem dreistufigen Prozess.
In jeder Prozessstufe kann man
Kosten senken, was jedoch
­Einschränkungen mit sich bringt.
Jürgen Rothmund
Studienleiter Risiko
Check-up Complementa
Investment Controlling AG
Als der FC Barcelona 2011 seinen Schuldenstand von 364 Mio. Euro analysierte,
entschied der damalige Präsident Sandro
Rosell, alle Farbkopierer zu entfernen
und fortan nur noch schwarz-weiss zu
drucken. Natürlich half das nicht wirklich, die Schulden abzutragen. Auch bei
der symbolischen Wirkung ging der
Schuss nach hinten los, wurde diese Aktion in der Öffentlichkeit doch eher mit
Spott bedacht.
Tatsächlich sind die Zinsen seither
nicht wieder gestiegen, im Gegenteil.
Die Verfallsrendite des 10-jährigen Eidgenossen schrumpfte weiter und rutschte
jüngst sogar in den negativen Bereich.
Der durchschnittliche technische Zinssatz reagiert naturgemäss träger und liegt
Ende 2014 knapp unter 3 Prozent. Auch
der etwas flexiblere BVG-Mindestzins
liegt mit 1.75 Prozent vergleichsweise
hoch.
Problem der tiefen Zinsen
Ende 2011 hatten auch Schweizer
Pensionskassen Schulden. Der durchschnittliche Deckungsgrad lag bei
96.2 Prozent. Danach ging es aber stetig
bergauf: 99.9 Prozent (2012), 102.3 Prozent (2013) und nun 107 Prozent
(2014).1 Damit ist eine allgemeine Unterdeckung (scheinbar) wieder weit entfernt.
Dennoch bleibt eine grosse Herausforderung bestehen. Wie sollen in Zeiten
rekordtiefer Zinsen künftig die notwendigen Renditen erwirtschaftet werden?
Im Risiko Check-up 2013 wurden die
tiefen Zinsen in einem Sonderthema behandelt: 64 Prozent der Pensionskassen
gaben an, dass sie bei einem weiterhin
tiefen Zinsniveau Probleme haben würden, die notwendigen Renditen zu erwirtschaften, und 74 Prozent glaubten
damals an ein längerfristiges Phänomen.
Der Anlagemix wird riskanter
Die grösser werdende Differenz zwischen risikofreien Anlagen und zu erwirtschaftender Rendite zwingt Pensionskassen vermehrt in riskante Anlagen.
Im Jahr 2011 stand durchschnittlich
jedem in Aktien investierten Franken
eine Investition von 1.97 Franken in
festverzinslichen Anlagen oder Liquidität gegenüber. 2014 waren das nur noch
1.56 Franken. Zusätzlich wird innerhalb der festverzinslichen Anlagen vermehrt in geringere Schuldnerqualitäten
und riskantere Länder und Branchen
investiert, um einen Mehrertrag zu erzielen.
In den vergangenen drei Jahren hatte
das keine negativen Folgen. Im Gegenteil, Aktienmärkte haussierten und es
konnten jährliche Renditen von rund
7 Prozent erzielt werden. Tiefe Zinsen
führten bislang (noch) nicht zu tiefen
Renditen.
In der Politik und in den Medien wird
verschiedentlich die Meinung vertreten,
dass man mit Einsparungen der Vermögensverwaltungskosten das Problem gut
1
Heinz B. Rothacher
CEO Complementa
Investment Controlling AG
Die für 2014 publizierten Zahlen sind noch
nicht final. Die Datenerhebung des aktuellen
Risiko Check-up dauert noch bis zum 7. Juli
2015. Teilnahme unter www.complementa.ch.
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lösen könne – aber ist es wirklich so
­einfach?
Kostensenkung mit wenig Potenzial
Im internationalen Vergleich weisen
Schweizer Pensionskassen gemäss einer
OECD-Studie aus dem Jahr 2012 tiefe
Vermögensverwaltungskosten aus. Vermutlich sind die Kosten seither nochmals leicht gefallen. Das ist beides gut,
bedeutet aber im Umkehrschluss, dass
das Potenzial für Einsparungen beschränkt ist.
Die durchschnittliche Kostenquote
lag Ende 2013 bei 0.42 Prozent.2 Dazu
ein Rechenbeispiel: Gelingt es, die Kosten um weitere 25 Prozent zu senken, und
das wäre wohl ein sehr ambitioniertes
Ziel, so spart man absolut 0.1 Prozent. Im
Vergleich etwa zu den 0.75 Prozent, die
seit der Einführung von Negativzinsen
anfangs Jahr für das Halten von Liquidität «zu zahlen» sind, ist das nicht viel.
Tiefe Kosten bedeuten
nicht automatisch hohe Renditen
Seit 20 Jahren werden im Risiko
Check-up der Complementa Daten
zur Vermögensallokation erhoben, seit
15 Jahren gibt es flächendeckend Informationen zu Performancezahlen und
seit einem Jahr liegen nun Zahlen zu
den Vermögensverwaltungskosten vor.
Ausdrücklich sei darauf hingewiesen,
dass die Studie eher Analysen mit langfristigem Horizont beinhaltet – nicht
2
Bei einer durchschnittlichen Transparenzquote von 97.3 Prozent.
jedes Phänomen bestätigt sich über die
Zeit.
Die Auswertung ergibt ein Bild, das
nicht jeder vermutet hätte. Sortiert man
Pensionskassen nach Höhe der Kosten in
zehn gleich grosse Gruppen und rechnet
für jede Gruppe die durchschnittliche
Rendite, so zeigt sich, dass Pensionskassen mit tiefen Kosten am Ende trotzdem keine höhere Nettorendite erzielen
konnten. Die tiefste Rendite erzielte sogar die Gruppe mit den tiefsten Kosten
(vergleiche Grafik).
Hier erkennt man, dass es gefährlich
ist, beim Thema Kosten in ein «Schwarzweiss-Denken» zu verfallen. Günstiger
ist nicht immer besser. Schwarze Zahlen
können sich über die Zeit in rote verwandeln und auch umgekehrt.
Interaktion von Kosten und
­Nettoperformance
Die Nettoperformance einer Pensionskasse ergibt sich aus einem dreistufigen Prozess. In jeder Prozessstufe kann
man Kosten senken, was jedoch Einschränkungen mit sich bringt.
Wahl der Anlagestrategie
Es gibt naturgemäss teurere und weniger teure Anlagekategorien. Investitionen
in Immobilien sind teurer als ein Schweizer Obligationen-Portfolio, Aktien
«Emerging Markets» sind kostenintensiver als Aktien «Schweiz». Infrastrukturanlagen und andere «Private Market»Anlagen besitzen die Eigenschaft, dass sie
besonders in den ersten Jahren kostenintensiv und damit aus Kostensicht unat-
7.5
 Bruttorendite
 Kosten
Taktische Steuerung über die Zeit
In einem früheren Artikel haben Niedermann/Rothmund ein mechanisches
Rebalancing untersucht. Dies kann anhand von Bandbreiten, periodisch oder
auch zusätzlich anhand von Risikoparametern geschehen. Je nachdem, für welchen Weg man sich entscheidet, generiert man mehr oder weniger Transaktionskosten und administrativen Aufwand.
Die Entscheidung hat aber auch eine
Auswirkung auf Rendite- und Risiko­
eigenschaften des Portfolios.
Umsetzung einer Anlagekategorie
Direkt oder indirekt, aktiv oder passiv, Manager A oder Manager B – alles
hat Kostenfolgen. Die Entscheidung für
günstige, indexnahe Produkte ist oftmals
mit dem Eingehen von Klumpenrisiken
verknüpft (beispielsweise sind Obligationen-Indizes nach ausstehenden Schulden gewichtet und der SPI wird von den
drei Firmen Nestlé, Roche und Novartis
dominiert).3 Das Sonderthema des diesjährigen Risiko Check-up widmet sich
dem Thema «Umsetzung einer Anlagekategorie» sowie dem Kosteneinfluss auf
die Entscheidungen. In der Oktoberausgabe erscheint dazu ein Artikel in der
«Schweizer Personalvorsorge».
Die Summe dieser Entscheidungen
hat für das Jahr 2013 mit Nettorenditen
zwischen 2.9 Prozent und 9.6 Prozent
sehr unterschiedliche Werte hervor­
gebracht. Daher ist es zielführend, gerade bei der Festlegung der Anlage­
strategie, der Auswahl der Asset Manager
sowie der laufenden Überwachung des
Anlageprozesses (Controlling und Reporting) auf «schlanke und vermeintlich
pragmatische» Varianten zu verzichten,
um dem Anspruch der Versicherten und
dem Gesetzgeber ausreichend Rechnung
zu tragen.
Kostenquote versus Performance
8.5
traktiv erscheinen. Versucht man das
Kostenniveau bei der Anlagestrategie zu
drücken, so kann es sein, dass man sich
hinsichtlich Kategorien einschränkt oder
einzelnen gegenüber ganz verschliesst,
die aus Rendite- und Risikoüberlegungen
einen Mehrwert generieren.
 Rendite
6.5
5.5
4.5
3.5
2.5
1.5
0.5
–0.5
–1.5
3
Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Gruppe 4 Gruppe 5 Gruppe 6 Gruppe 7 Gruppe 8 Gruppe 9 Gruppe 10
Beschrieben in der Sonderbeilage
­«Performance 2015», Kommentar von
Thomas Hauser.
Schweizer Personalvorsorge | Prévoyance Professionnelle Suisse | 06·15
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Thema mit Symbolcharakter
Treten Pensionskassen nun in einen
Wettbewerb bei diesen Zahlen, so kann
das gefährlich sein. Nicht nur aus technischer Sicht4 (Transparenzquote, nicht
enthaltene Kosten wie die obigen Transaktionskosten, zeitliche Verschiebung
von Kosten), sondern auch aus ökonomischer Sicht ist ein isoliertes Ranking
aufgrund der Kostenquote mit Vorsicht
zu geniessen. Vorsorgewerke sollten
ganzheitlich analysiert werden, da Kosten, Rendite und auch Risiko komplex
miteinander interagieren.
4
Siehe hierzu auch den Artikel von Benita
Lindeiner und Ueli Mettler (c-alm), Seite 49.
Es ist ein schmaler Grat zwischen
Kostenbewusstsein und übertriebener
Kostenvermeidung. Auch hier dient der
Entscheid der Schweizerischen Nationalbank, den Euro-Mindestkurs aufzuheben, als einfaches Beispiel. Wer sich eine
Euro-Absicherung «gespart» hat, der hat
im Januar 2015 relativ hohe Verluste erlitten, was letztlich eine tiefere Nettoperformance zur Folge hat.
In den Pensionskassen steckt ein
Grossteil des Vermögens der Schweizer
Bevölkerung. Die Bevölkerung hat ein
Interesse, dass ihr Geld umsichtig und
kaufmännisch sinnvoll angelegt wird,
und ein Recht auf Information, wie dies
geschieht. Aus dieser Sicht ist die höhere
06·15 | Prévoyance Professionnelle Suisse | Schweizer Personalvorsorge
Transparenz im System mit der Ausweisungspflicht in der Jahresrechnung eine
gute Sache.
Zurück zum Fussball und dem
FC Barcelona. 2011 mussten die Farb­
drucker den Verein verlassen, Rekordverdiener Lionel Messi wurde gehalten.
Seither schoss er mehr als 200 Pflichtspieltore und führte den Verein zu nationalen und internationalen Erfolgen.
Diese Erfolge halfen, dass der FC Barcelona zumindest einen Teil seiner Schulden in den letzten drei Jahren abtragen
konnte. n