Grosse Kassen senken Neurenten

Markt
Samstag, 18. Juli 2015 / Nr. 164
NEUE ZUGER ZEITUNG
Das Zitat
Bei Grosskunden,
die lediglich die Liquidität
bei uns parkieren,
setzen wir Negativzinsen
konsequent durch.
»
Pascal Niquille,
CEO der Zuger Kantonalbank
13
Weniger Stellen
werden verlagert
LANDIS+GYR sda. Der Zuger Stromzählerproduzent Landis+Gyr verlagert
weniger Stellen nach Griechenland
als ursprünglich geplant. Am Standort
Zug bleiben so neun zusätzliche
Arbeitsplätze erhalten, wie das Unternehmen gestern in einer Stellungnahme schreibt. Mitte April hatte
Landis+Gyr mitgeteilt, man plane die
Verlagerung von 50 der insgesamt 400
Stellen vom Standort Zug ins griechische Korinth. Nach dem Konsultationsverfahren hat die Unternehmensleitung nun ihre Pläne angepasst. An der geplanten Verlagerung
der Kleinserienfertigung von Industriezählern halte die Geschäftsleitung
fest. Betroffen davon sind 31 Mitarbeiter, zudem werden 10 Temporärstellen nicht neu besetzt.
BÖRSE
9 446.17 -0.14%
9700
9200
8700
8200
7700
Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli
AKTIEN DES TAGES
TOP
17.07.
Perfect Hold. SA
Lem
Belimo
Givaudan N
AMS
+/0.07 +16.67%
724 +4.32%
2 274 +4.31%
1 750 +3.98%
45 +3.21%
FLOP
Alpha Petrovision
Transocean Inc.
Starrag Group
Swissmetal Holding
Bobst Group
0.05 -16.67%
13.37 -6.18%
56.65 -5.43%
0.48
-4%
40 -3.73%
Dollar in Fr.
Euro in Fr.
Gold in Fr. pro kg
0.9608 +0.36%
1.0422 +0.09%
34 743 -0.76%
ZINSSÄTZE IN %
Geldmarkt
Franken-Libor 3 Mt.
Franken-Libor 6 Mt.
16.07.
-0.757
-0.702
Vortag
-0.762
-0.709
Kapitalmarkt
17.07.
Schweiz 10-j. Staatsanleihe 0.09
Deutschland 10-j. Staatsanl. 0.755
USA 10-j. Staatsanleihe
2.3535
Vortag
0.08
0.779
2.3516
NEUE URNER ZEITUNG
BOTE DER URSCHWEIZ
Deckungsgrad-Entwicklung
aller Schweizer Pensionskassen in Prozent
108.5
110
105
100.7
100
RAINER RICKENBACH
[email protected]
95
Auf den ersten Blick machen die
Zahlen einen ordentlichen Eindruck.
Die privatrechtlichen Pensionskassen
präsentieren gemäss dem aktuellsten
Kassen-Monitoring von Swisscanto
­einen durchschnittlichen Deckungsgrad
von 110,8 Prozent. Was bedeutet: Für
schlechtere Zeiten verfügen sie über
ein Reservepolster von fast 11 Prozent.
Selbst die öffentlich-rechtlichen Kassen,
die eine Vollkapitalisierung anstreben,
stehen mit einem Deckungsgrad von
100,7 Prozent bedeutend besser da als
auch schon.
90
92
2005
2007
2009
2011
2013
2015 2015
I
II
Ein Fünftel weniger für Neurentner
Der Deckungsgrad dient als Anhaltspunkt, ob die Vorsorgeeinrichtungen der
zweiten Säule heute in der Lage sind,
ihren gegenwärtigen und künftigen Rentenverpflichtungen nachzukommen. Es
war der Aktienboom der zurückliegenden paar Jahre, der dafür gesorgt hat,
dass dies trotz mickrigen und heute
sogar negativen Zinsen der Fall ist.
Warum also kürzen grosse Pensionskassen laufend die Renten für künftige
Pensionierte? Jüngstes Beispiel ist die
Zürcher BVK, die diese Woche bekannt
gab, dass die heute 58-Jährigen und
jüngere Kantonsangestellte beim Wechsel in den dritten Lebensabschnitt gut
einen Fünftel weniger von ihrer Pensionskasse zu erwarten haben. Die BVK
senkt die Renditeerwartungen (den technischen Zinssatz) und die Quote, die
für die Rentenhöhe massgebend ist
(Umwandlungssatz). Mit dem Umwandlungssatz knacken die Zürcher in zwei
Jahren sogar die 5-Prozent-Grenze.
­Heute erhält ein Neurentner bei der BVK
6,2 Prozent seiner Sparsumme als Pensionsrente überwiesen. In ein paar
­Jahren werden es bloss noch 4,82 Prozent sein.
Ein Beispiel: Hat ein BVK-Versicherter
eine halbe Million Franken auf seinem
Pensionskassen-Sparkonto, erhält er dafür heute bei Rentenantritt mit 65 jedes
Jahr 31 000 Franken. Mit dem tieferen
Umwandlungssatz werden es in ein paar
Jahren mit der gleichen Sparsumme nur
noch 24 100 Franken sein.
Die heute Pensionierten stehen gut da. Ihr Rentenniveau wird von den jüngeren, arbeitenden
­Versicherten mitfinanziert. Den Berufstätigen entgeht dabei ein Teil der Rendite, der ihnen zusteht.
Keystone/Gaetan Bally
Unrealistische Zinsvorgaben
Die SBB, die Publica der Bundes­
angestellten oder die Axa-WinterthurVersicherung mit ihren zahlreichen
KMU-Kunden sind bereits ähnlich h
­ eftig
zurückgerudert wie die BVK. Sie senkten
den Umwandlungssatz etappenweise auf
5 Prozent oder knapp mehr und verlangen zum Ausgleich höhere Beiträge.
Für die Übergangsjahrgänge gibt es
immerhin Abfederungen, meist in Form
eines einmaligen Kapital-Zustupfs. Die
Rentner sind davon nicht betroffen.
«Die Deckungsgrade mögen ein schönes Bild abgeben. Doch die Herausforderung liegt bei den bestehenden
Rentenverpflichtungen. Sie basieren auf
zu hohen Umwandlungssätzen», sagt
Stephan Wyss, Leiter Personalvorsorge
bei Swisscanto. Gleichzeitig machen die
historisch tiefen Zinsen und die steigende Lebenserwartung den Kassen zu
schaffen.
Zinsen: Die Sparsummen der Rentner
werden heute mit 2,8 Prozent verzinst.
Diejenigen der jüngeren, arbeitenden
Versicherten mit 1,75 Prozent. So ist es
vom Bundesrat vorgegeben. Nur: In
Zeiten von Negativzinsen ist es für die
Kassen schlicht unmöglich, die dafür
nötigen Renditen zu erwirtschaften.
Alle Angaben ohne Gewähr. Quelle: vwd group
18072015
NEUE OBWALDNER ZEITUNG
Grosse Kassen senken Neurenten
PENSIONSKASSEN Die
­Vorsorgeeinrichtungen haben
zurzeit genügend Kapital
­angehäuft. Doch das täuscht
über ihre Probleme hinweg.
Nun handelt eine weitere
grosse Pensionskasse.
«
SMI
NEUE NIDWALDNER ZEITUNG
Quelle: Swisscanto / Grafik: lsi
NEUE LUZERNER ZEITUNG
11
Umverteilung: Das Zins-Ungleichgewicht bringt eine unerwünschte Um-
Die Immobilien sind gesucht
ANLAGEN rr. Die Börse ist unstet,
alternative Anlagen sind mit Risiken
behaftet, und Obligationen bringen so
gut wie nichts ein. «Derzeit ist es kaum
möglich, mit risikoarmen Anlagen
positive Renditen zu erzielen», schreibt
die Beratungsfirma KPMG.
Mietwohnungen in den Städten
Ein Rettungsanker für die Pensionskassen im momentan trostlosen Anlageumfeld bieten die Immobilien. Sie
garantieren stete Mieteinnahmen, und
auch Immobilienaktien sind einträglicher als andere Aktien. Nach den
Obligationen und Aktien sind die
Immobilien denn auch die Nummer
drei der Anlagekategorien, in welchen
die Vorsorgeeinrichtungen präsent
sind.
verteilung mit sich. Die heute Pensionierten gingen unter besseren finanziellen Voraussetzungen in Rente. Um das
Rentenniveau für sie halten zu können,
entgeht den jüngeren, arbeitenden Versicherten ein Teil der Rendite, der ihnen
zusteht. Die Zürcher BVK hat ausgerechnet, dass sich bei ihren 114 000 Ver­
sicherten im vergangenen Jahr rund
Gemäss KPMG entfallen 60 Prozent
der Kasseninvestitionen auf Wohnliegenschaften. Mehr als drei Viertel
stehen in den grossen Städten und
kleineren Zentrumsorten und den
dazu gehörenden Agglomerationen.
Die Kassen investieren fast ausschliesslich in Schweizer Immobilien.
Wer heute in Häuser und Grundstücke investiert, muss freilich tief in
die Tasche greifen. «Fakt ist, dass die
Immobilienobjekte teuer sind. Trotzdem beobachten wir, dass viele institutionelle Anleger ihre Immobilienquote erhöhen», sagt André Wyss,
Geschäftsführer der Krienser Beratungsfirma S&P Life and Pension AG.
Mit Renditen von 4 bis 6 Prozent
seien diese Immobilieninvestitionen
ergiebig und konstant.
450 Millionen Franken auf diese
Weise von Jung zu Alt verschoben.
Axa-­
Winterthur schätzt die Summe
auf 3,5 Milliarden Franken, die schweizweit systemwidrig den arbeitenden
Beitragszahlern entgeht. Anders als
bei der AHV soll in einer Pensionskasse aber jeder für sich selbst sparen
können.
Lebenserwartung: Die erfreulich steigende Lebenserwartung bringt die Versicherungsmathematiker der Vorsorgeeinrichtungen ins Schwitzen. Denn die
Sparsumme muss längere Zeit für die
Renten reichen. Heute beziehen die Pensionierten im Durchschnitt über 20 ­Jahre
lang Rente. Bei der Einführung der BVGPflicht 1985 waren es rund fünf Jahre
weniger. Erschwerend kommt hinzu,
dass die geburtenstarken Jahrgänge
sich nun aus dem Arbeitsleben verabschieden. Für die Kassen bedeutet das:
eine schnell steigende Zahl von Rentenempfängern.
Renditeaussichten sind getrübt
Um all das zu stemmen, müssten die
Pensionskassen reichlich Renditen machen mit ihren Anlagen. Doch die Renditeaussichten sind getrübt, und die
Zinswende lässt auf sich warten.
«Die Kassen sind heute von den
­Finanzmärkten abhängig. Sie brauchen
höhere Zinsen und etwas Inflation», sagt
Stephan Wyss von Swisscanto. Die
Krienser Beratungsfirma S&P Life and
Pension AG hat beobachtet, dass die
Kassen sich gezwungen sehen, ihr Vermögen breiter abgestützt anzulegen als
bis anhin. «Nebst der Erhöhung der
alternativen Anlagen setzen viele Pensionskassen trotz der hohen Preise auf
Immobilien», sagt S&P-Geschäftsführer
André Wyss (Kasten).