Macht der Worte PICTURE-ALLIANCE / AKG-IMAGES Verzögerung aus Furcht, Unsicherheit und Realitätsverweigerung: 1983 erschien »Die Ästhetik des Widerstands« von Peter Weiss auch in der DDR. Herausgeber Manfred Haiduk zeichnet den mühsamen Weg bis dahin nach. SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · FREITAG, 13. MAI 2016 · NR. 111 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Super-GAU? Super Job? Super Agenten? Super Fans? 3 3 4 16 US-Konzerne brauchen TTIP nicht. CETA reicht, um Staaten zu verklagen. Interview Professor werden klingt toll. Man sollte es nicht über den Weg als »Privatdozent« versuchen NSU-Prozess: Nach Jahren taucht Handy eines toten V-Mannes im Behördenschrank auf Politische Randale: Polens Regierungspartei PiS protegiert faschistoide Fußballanhänger Protest gegen Kürzungen in Griechenland Putsch in Brasilien UESLEI MARCELINO/REUTERS Umsturz im größten Land Südamerikas: Senat setzt Präsidentin Dilma Rousseff ab. Von Peter Steiniger Athen. Die Proteste gegen neue Kürzungsmaßnahmen in Griechenland wurden auch am Donnerstag fortgesetzt. Nachdem das Parlament in Athen am vergangenen Sonntag zahlreiche weitere Verschlechterungen der Lebensbedingungen, von denen vor allem Rentner, Selbständige und Angestellte betroffen sind, abgesegnet hatte, demonstrierten am Donnerstag in Athen Berufstätige aus dem Gesundheitswesen und der Energieversorgung. Auch die Rechtsanwälte wollten ihren Ausstand fortsetzen. Lehrer wollen ebenfalls streiken, berichten griechische Medien übereinstimmend. Die Regierung aus Syriza und Anel unter Alexis Tsipras versucht, mit den erneuten Kürzungen zusätzliche Milliarden der Gläubiger zu bekommen. Athen hatte sich im vergangenen Sommer dazu verpflichtet, mindestens 5,4 Milliarden Euro im Etat »zu sparen«. Die Koalition plant daneben weitere Einschnitte. (dpa/jW) Will den Kampf trotz der Niederlage fortsetzen: Brasiliens suspendierte Staatschefin Dilma Rousseff deren Marsch zum Senat unter Einsatz von Tränengas und Pfefferspray. Einen Vorgeschmack auf kommende Repression erhielten auch linke Demonstranten in São Paulo, wo Einheiten der Militärpolizei brutal gegen sie vorgingen. Dem Finale vorausgegangen waren aggressive Kampagnen der Monopolmedien, von den weißen Mittelschichten beherrschte Demonstrationen gegen die Regierung und eine Kette von politischen und juristischen Intrigen. Von mächtigen Geldgebern im In- und Ausland gesponserte »nicht parteiliche« rechtspopulistische Bürgerbewegungen wurden installiert. Im Internet tobt eine hysterische Hasswelle gegen eine fiktive kommunistische Gefahr. Mit einer Reihe von politischen Fehlern und Zugeständnissen an die Rechte hatte die Regierung Rousseff selbst das Spiel der Putschisten erleichtert. Erst spät kam die PT aus der Defensive, mobilisierte ihrerseits die Straße und suchte wieder den engen Schulterschluss mit den sozialen Bewegungen und klassenkämpferischen Gewerkschaften. Am 17. April hatte sich bereits die Deputiertenkammer klar für das »Impeachment« ausgesprochen. Strippenzieher und Zeremonienmeister war der inzwischen wegen Korruptionsanklagen suspendierte Parlamentspräsident Eduardo Cunha vom rechtsliberalen Sammelbecken »Partei der Demokratischen Bewegung« (PMDB). Der Oberste Gerichtshof hatte das Verfahren gegen den scheinheiligen Evangelikalen zuvor monatelang verzögert. Gegen mehr als die Hälfte der Politiker aus Abgeordnetenhaus und Senat laufen Ermittlungen wegen Käuflichkeit. Mit der Entscheidung des Senats vom Donnerstag ist die Staatschefin für maximal 180 Tage suspendiert. Es ist unwahrscheinlich, dass Rousseff das Blatt vor dem Obersten Gericht oder im Senat noch wenden kann, der sie endgültig absetzen und ihr für acht Jahre die politischen Rechte entziehen kann. Damit endet eine mehr als 13 Jahre währende Ära, in der die PT die Politik auf nationaler Ebene bestimmen konnte und in der Brasilien eine wichtige Rolle für die lateinamerikanische Integration sowie im Streben nach einer multilateralen Weltordnung spielte. An Rousseffs Stelle tritt nun, theoretisch bis zum Ablauf der Legislatur 2018, ihr Stellvertreter Michel Temer (PMDB), dessen Partei die Koalition mit der PT aufgekündigt hatte. Temer selbst ist einer der Köpfe des parlamentarischen Putsches. Bereits seit Wochen handelte er mit den Posten seines künftigen Kabinetts und kündigte einen wirtschaftspolitischen Umbau mit Privatisierungen, Sozialabbau und der Einschränkung von Arbeiterrechten an. Siehe Kommentar Seite 8 Weichenstellung in Wien Neuer Kanzler in Österreich soll der Bahnmanager Christian Kern werden A lles scheint darauf hinauszulaufen, dass der Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Christian Kern, am heutigen Freitag als neuer Kanzler sowie Chef der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) vorgestellt wird. Acht der neun SPÖ-Landesverbände hatten sich bis Donnerstag für den 50jährigen ausgesprochen. Unklar ist die politische Haltung von Kern zu wichtigen Fragen wie der Flüchtlingspolitik oder dem Umgang mit der rechtsneoliberalen FPÖ. Der mit dem ÖBB-Vorstandsvor- sitzenden konkurrierende ehemalige Intendant des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ORF, Gerhard Zeiler, hat nach eigenen Angaben seine Ambitionen für die höchsten Ämter in Staat und Partei aufgegeben. Die Entscheidung zugunsten von Kern fiel nach Medienberichten in einer Unterredung mit SPÖ-Interimschef Michael Häupl. Der Bundesparteivorstand muss die Personalentscheidung am kommenden Dienstag offiziell absegnen. Am 18. Mai soll Kern von Bundespräsident Heinz Fischer als 13. Bundeskanzler nach 1945 vereidigt werden. »Er ist ein absoluter Profi, und so, wie er die Österreichischen Bundesbahnen gut gemanagt hat, wird er auch die Republik gut managen«, zeigte sich der SPÖChef des Burgenlandes, Hans Niessl, überzeugt. Der bisherige Regierungschef Werner Faymann war am Montag überraschend zurückgetreten. In seiner fast achtjährigen Amtszeit hatten die Sozialdemokraten bei 19 von 21 Wahlen Stimmen verloren. Kern galt seit längerem als möglicher Nachfolger von Faymann. Der ehemalige Wirtschaftsjournalist übte in den 1990er Jahren verschiedene Funktionen in der damaligen Bundesregierung und der SPÖFraktion aus, bevor er in die Wirtschaft wechselte. Seit 2010 leitet Kern die Österreichischen Bundesbahnen. Der Koalitionspartner, die Österreichische Volkspartei (ÖVP), hatte mehrere Bedingungen zur Fortsetzung der Regierung gestellt. Dazu gehört die Beibehaltung des menschenfeindlichen Umgangs mit Asylsuchenden. Neuwahlen strebt die ÖVP nach eigenem Bekunden bisher nicht an, sie will dies aber von der künftigen Zusammenarbeit abhängig machen. (dpa/jW) De Maizière verhängt weitere Grenzkontrollen LUKAS SCHULZE/DPA D er Ball ist im Netz, die Rechte kehrt zurück an die Macht. Das Ergebnis der brasilianischen Präsidentschaftswahlen vor nur achtzehn Monaten ist Makulatur. Der Putsch trägt keine Uniformen, sondern beruft sich auf die Verfassung. Am Donnerstag folgte der Senat in Brasilia nach einer Marathonsitzung einer Empfehlung seines Ausschusses, gegen die vom Volk direkt bestimmte Präsidentin Dilma Rousseff von der linken Arbeiterpartei (PT) ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten. Der Prozess zu ihrem Sturz gründet sich auf konstruierte Vorwürfe zu geschönten Haushaltszahlen. Während sich im Nationalkongress das Spiel in vorhersehbarer Richtung entwickelte – die meisten Senatoren hatten sich bereits vorab festgelegt – demonstrierten vor dem Gebäude Tausende Menschen zur Verteidigung der Demokratie. Polizeikräfte stoppten Berlin. Nachdem die Mitgliedsstaaten der EU den Weg freigemacht haben, die Grenzkontrollen in Deutschland, Dänemark, Norwegen, Österreich und Schweden für weitere sechs Monate zu verlängern, reagierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) umgehend. Er ordnete am Donnerstag an, die Maßnahme auf dieser Grundlage »lageangepasst, sichtbar und effektiv« fortzusetzen. Dies war erwartet worden, nachdem er sich zu Wochenbeginn bereits mit seinem bayerischen Kollegen Joachim Herrmann (CSU) auf Details verständigt hatte. »Solange der Außengrenzenschutz nicht wirksam funktioniert, brauchen wir nationale Grenzschutzmaßnahmen, um Recht und Ordnung zu gewährleisten«, sagte de Maizière. (Reuters/jW) wird herausgegeben von 1.832 Genossinnen und Genossen (Stand 29.4.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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