Leitartikel: Statt für ein Grundeinkommen sollte die Schweiz für Vollbeschäftigung sorgen Seite 17 Neuö Zürcör Zäitung NZZ – INTERNATIONALE AUSGABE Freitag, 13. Mai 2016 V Nr. 110 V 237. Jg. gegründet 1780 www.nzz.ch V € 2.90 Das Ende des Bankenkonflikts Neue Kapitalregeln für UBS und Credit Suisse PAULO AMORIM / REDUX / LAIF Die sterbende Altstadt Lissabons Portugals Hauptstadt Lissabon verdankt einen grossen Teil ihres Aufschwungs dem Tourismus. Doch dafür zahlt sie einen hohen Preis. Vor allem das verwinkelte Altstadtviertel Alfama verliert allmählich seinen Charakter. Familien können sich die steigenden Mieten nicht mehr leisten, die Besitzer vermieten die Wohnungen lieber an gut zahlende Touristen. Das Sozialgefüge ist im Umbruch. International, Seite 7 Rousseff muss gehen Brasiliens Senat für Weiterführung des Absetzungsverfahrens gegen die Präsidentin Vizepräsident Michel Temer übernimmt die Leitung der brasilianischen Regierung. Präsidentin Dilma Rousseff ist vorläufig suspendiert. TJERK BRÜHWILLER, SÃO PAULO Über 21 Stunden hat sich die Sitzung des brasilianischen Senats hingezogen, bevor am Donnerstagmorgen feststand: Das Absetzungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff wird fortgeführt. Die Senatoren sprachen sich mit 55 zu 22 Stimmen dafür aus. Das bedeutet, dass Rousseff die Amtsgeschäfte ihrem Vizepräsidenten Michel Temer übergeben muss. Sie ist für maximal 180 Tage oder bis zur definitiven Absetzung durch den Senat vom Amt suspendiert. Es ist davon auszugehen, dass das brasilianische Parlament vor Ablauf der Frist zu einem Entscheid gelangt. Im Falle einer Absetzung würde Temer die Amtszeit bis zu den Wahlen 2018 zu Ende führen. Bereits Rousseffs Suspendierung kommt jedoch einem Regierungswechsel gleich. Temer, der sich mit seinem Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB) – einem bisherigen Koalitionspartner – von Rousseff und ihrem Partido dos Trabalhadores (PT) abgewandt hat, will ein komplett neues Kabinett einsetzen, in das bisherige Oppositionsparteien eingebunden sind. Die Equipe steht zu weiten Teilen. Zehn Ministerien sollen gestrichen werden. Eine zentrale Figur ist der frühere Zentralbankchef Henrique Meirelles, der das Finanzministerium und damit die Herkulesaufgabe übernimmt, die angeschlagene brasilianische Wirtschaft aus der Krise zu führen. Ein Antrag des PT auf eine einstweilige Verfügung, die Nominierungen neuer Minister seitens Temers verbieten sollte, ist vom Obersten Gericht ebenso zurückgewiesen worden wie ein Rekurs gegen das gesamte Absetzungsverfahren. Rousseff hat sich bereits mit den Tatsachen abgefunden. Sie hat den Präsidentenpalast geräumt und wird wohl noch am Donnerstag von Brasilia in den heimatlichen Gliedstaat Rio Grande do Sul zurückkehren. Dilma Rousseff werden Buchhaltungstricks vorgeworfen, mit denen sie grosse Haushaltsdefizite verborgen haben soll. Sie bestreitet ein Fehlverhalten, und ihre Anhänger bezeichnen das Senatsvotum als Putsch und drohen mit umfangreichen Protesten und Streiks. Rousseffs Gegner hingegen bestehen darauf, dass die Präsidentin das Gesetz gebrochen habe und dass die tiefen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leiden des südamerikanischen Landes nur bewältigt werden könnten, wenn sie keine aktive Rolle mehr spiele. Der Bundesrat hat den innenpolitischen Konflikt um die Kapitalregeln der Grossbanken beendet. Die zuvor heftige Kritik der Banken hat zum Teil Früchte getragen. Krisenmodus lange bevor der letzte Eigenkapitalfranken verbrannt ist. Trotz dem Bundesratsentscheid von 2015 über die Eckpunkte gab es in den «Details» noch erhebliche Differenzen – die für die Grossbanken bei den Kapitalvorgaben eine Differenz von mehreren Milliarden Franken ausmachen können. HANSUELI SCHÖCHLI Progression gestrichen Es hat lange gedauert. Über sieben Jahre nach der Rettung der UBS durch Bund und Nationalbank ist nun der innenpolitische Konflikt um die faktische Staatsgarantie für die Grossbanken vorderhand beendet. Der Bundesrat hat am Mittwoch die Verordnung mit verschärften Kapitalregeln für die Grossbanken auf Anfang Juli in Kraft gesetzt. Die Eckpunkte hatte der Bundesrat in einem politischen Kompromiss vergangenen Herbst festgelegt. Gemäss diesem Kompromiss müssen die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse bei ihrer derzeitigen Grösse ab Ende 2019 eine Eigenkapitalquote von mindestens 5 Prozent des Gesamtengagements (vereinfacht: der Bilanzsumme) halten. Dazu kommt eine Vorgabe von 3 bis 5 Prozent Wandlungskapital für den Notfall; dabei geht es um Fremdkapital, das im Fall einer Bankenliquidation direkt nach dem Eigenkapital Verluste trägt, um die übrigen Fremdkapitalgeber und die Steuerzahler zu schützen. Bei diesen Konfliktfeldern ist der Bundesrat nun den Grossbanken zum Teil entgegengekommen. So verzichtet er auf eine «doppelte Progression» der Eigenmittelvorgaben. Gemäss dem ursprünglichen Entwurf wären die Vorgaben ab einer Bilanzsumme von 1050 Milliarden Franken mit zunehmender Bankgrösse plötzlich doppelt so stark gestiegen wie unter diesem Schwellenwert – weshalb die Banken von einem «faktischen Wachstumsverbot» sprachen. Nun gilt ein linearer Anstieg der prozentualen Eigenmittelvorgaben. Auch im Sinne der Banken ist eine Präzisierung im Erläuterungsbericht des Finanzdepartements. Damit wird klarer, dass die «normale» Vorgabe von 5 Prozent zusätzlichem Wandlungskapital für den Notfall um maximal 2 Prozentpunkte gesenkt werden kann. Eine weitere Konzession erhielten die Banken bei den Bedingungen zum Wandlungskapital für den Krisenfall. Demnach müssen die Institute solche Spezialanleihen nicht mehr immer zwingend nach Schweizer Recht herausgeben, sofern der Nachweis erbracht wird, dass das Heranziehen der Papiere zur Verlustdeckung im Krisenfall auch unter ausländischem Recht gesichert ist. Nicht durchgesetzt haben sich die Banken dagegen mit ihrem Anliegen, dass für die Festlegung der Kapitalvorgaben nur die Grösse des Inlandgeschäfts anstelle der Grösse des Gesamtkonzerns gelten solle. Das Finanzdepartement macht deutlich, dass das Schweizer Geschäft der Grossbanken trotz separater juristischer Einheit immer noch Bestandteil der Globalkonzerne UBS bzw. Credit Suisse ist. Noch im Gang sind die Diskussionen über die Notfallpläne der Grossbanken. Diese Ausmarchung läuft nicht auf politischer Ebene ab, sondern zwischen den Banken und der Finanzmarktaufsicht. Bis spätestens 2019 müssen die Notfallpläne vorliegen und die vorbereitenden Massnahmen umgesetzt sein. 50 Milliarden zum Leben Grob gesagt heisst dies, dass die beiden Grossbanken bei ihrer derzeitigen bzw. angestrebten Grösse mit einer Bilanzsumme von 900 bis 1000 Milliarden Franken gegen 50 Milliarden Franken Eigenmittel zum Leben und weitere 30 bis 50 Milliarden Franken zum «Sterben» haben müssen, bevor normale Gläubiger und am Ende vielleicht doch noch der Staat zur Kasse kämen. Ein Finanzkissen von 8 bis 10 Prozent der Bilanzsumme müsste gemessen an historischen Verlustdaten bei Bankenkrisen für die allermeisten Fälle reichen. Die UBS hatte in der jüngsten Finanzkrise ab 2007 Verluste von kumuliert rund 2 Prozent der Bilanzsumme eingefahren. Doch Garantien wird es nie geben. In Extremfällen haben Banken auch schon Verluste von über 8 Prozent der Bilanzsumme produziert. Zudem schlittern Institute meist schon in den ANZEIGE LGT. Ihr Partner für Generationen. LGT Bank (Schweiz) AG Telefon 044 250 81 81 www.lgt.ch PROVENIENZFORSCHUNG In Belgiens Strafvollzug herrscht das nackte Chaos SEITE 5 St. Galler Museum lässt Herkunft von 150 Bildern abklären SEITE 29 ENDE DER FIRMENPRIVILEGIEN LAIENRICHTER Mit tieferen Gewinnsteuern gegen die Abwanderung SEITE 9 PLO-BERICHT Arbeitsgruppe findet keine Beweise für Geheimvertrag SEITE 27 HENRI MOTTE Umfassende Beratung. STREIK DER GEFÄNGNISWÄRTER GEWAGTE THESEN Enfant terrible der Archäologie wartet mit neuen Erkenntnissen zum Untergang Trojas auf SEITE 21 Am Bezirksgericht Andelfingen ist nur der Präsident ein Profi SEITE 31 IN AKUTER ABSTIEGSGEFAHR Der FC Zürich entlässt nach 0:4 gegen Lugano den Trainer SEITE 34 10°/14° WETTER Stark bewölkt und Niederschläge. Schneefallgrenze um 1900 Meter. Im Süden ebenfalls stark bewölkt, aber geringes Schauerrisiko. Seite 36 Sport 34–35, Reisen 38–40, Trauer 8 Freitag 37, Diverse Anzeigen 6, 12 www.nzz.ch Redaktion und Verlag: Neue Zürcher Zeitung, Falkenstrasse 11, Postfach, 8021 Zürich, Telefon: +41 44 258 11 11, Leserservice/Abonnements: + 41 44 258 10 00, weitere Angaben im Impressum Seite 16 q
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