Gegenspieler EDUARD KORNIYENKO/REUTERS Millionen Menschen in Russland sind erwerbslos. Nach Auffassung der Kommunisten werden sie von der Regierung im Stich gelassen. Gespräch mit dem Sekretär des Zentralkomitees der KP der Russischen Föderation, Michail Kostrikow. SEITE 3 GEGRÜNDET 1947 · FREITAG, 2. SEPTEMBER 2016 · NR. 205 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Niemals Koch Waffen immer Weiterhin Unrecht Preußen zuerst 5 7 9 12 DGB-Umfrage: Mehrheit der Azubis ist zufrieden, in manchen Berufen ist die Lage schlecht US-Präsident Obama will Saudi-AraDie am meisten verdrängte EU-Krise bien Nachschub für den Jemenist die der abhängig BeschäftigKrieg liefern. Von Knut Mellenthin ten. Von Werner Rügemer Zur Debatte um den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche. Von Matthias Krauß »Fora Temer!« Unruhige Lage in Venezuela THAIS ALVES/MIDIA NINJA Caracas. In Venezuela haben am Donnerstag Tausende Menschen für und gegen die Regierung von Präsident Nicolás Maduro demonstriert. Während die sozialistische Bewegung zu einer Kundgebung für den Frieden auf der zentral gelegenen Avenida Bolívar mobilisierte, versammelten sich Anhänger der rechten Opposition im Westen der Hauptstadt. Die Sicherheitskräfte errichteten Kontrollstellen, um ein Zusammentreffen der beiden Lager zu verhindern. Noch vor Sonnenaufgang wurden auf dem Waraira Repano, dem »Hausberg« von Caracas, in Anwesenheit von Vizepräsident Aristóbulo Istúriz 600 Leuchten entzündet, die 37 Meter hoch das Wort »Frieden« bildeten. Sprecher der Regierung hatten gewarnt, dass die Opposition ihre Demonstration nutzen wollte, um Gewalt zu provozieren (jW berichtete). (AVN/jW) »Temer raus!« – Protest gegen den Staatsstreich des Parlaments am Mittwoch abend in Belo Horizonte Brasilien: Tausende demonstrieren gegen Sturz von Präsidentin Dilma Rousseff. Venezuela, Ecuador und Bolivien brechen diplomatische Beziehungen ab. Von André Scheer »Der erste, der von Repression und Folter begleitete Militärputsch (1964), traf mich, als ich eine junge Aktivistin war. Der zweite, der parlamentarische Putsch, der heute mittels einer juristischen Farce durchgeführt wurde, stürzte mich aus dem Amt, in das ich durch das Volk gewählt wurde.« Der Verteidiger der gestürzten Präsidentin will vor dem Obersten Gerichtshof Einspruch gegen die Entscheidung des Senats einlegen. Mit einem Erfolg rechnet José Eduardo Cardozo, der bis März Rousseffs Justizminister war, offenbar selbst nicht. »Ich weiß, dass einige Richter eine traditionellere Sichtweise haben, nach der ein Absetzungsprozess nicht überprüft werden darf.« Die meisten Unterstützer Rousseffs setzen ohnehin darauf, die Protestaktionen fortzusetzen. »Wir werden weiter Widerstand leisten, die Straßen besetzen und aus voller Kraft rufen: Fora Temer! Temer raus!« kündigte der Präsident des Gewerkschaftsbundes CTB, Adilso Araújo, an. Zahlreiche Regierungen Lateinamerikas teilen die Einschätzung der gestürzten Präsidentin, dass ihre Absetzung einen Putsch darstellt. Caracas, Quito und La Paz brachen die diplomatischen Beziehungen zum neuen Regime ab. Ecuadors Präsident Rafael Correa fühlte sich »an die dunkelsten Stunden unseres Amerikas« erinnert. »Wer kämpft, wird siegen«, twitterte Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro. Die kubanische Regierung erklärte in einem offiziellen Kommuniqué: »Die Ereignisse in Brasilien sind ein weiterer Ausdruck der Offensive des Imperialismus und der Oligarchie gegen die revolutionären und fortschrittlichen Regierungen Lateinamerikas und der Karibik, die den Frieden und die Stabilität der Nationen in Gefahr bringt.« In Deutschland forderte der Vizechef der Linkspartei, Tobias Pflüger, die Bundesregierung auf, die Amtsenthebung Rousseffs nicht anzuerkennen: »Das Impeachment-Verfahren gegen Dilma Rousseff ist ein kalter Putsch, der zwischen Teilen der parlamentarischen Opposition, der Justiz und der Medien koordiniert wurde. Die Rousseff zur Last gelegten Vorwürfe der Beschönigung von Haushaltszahlen dienten der putschenden Opposition als Vorwand, die im Jahr 2014 demokratisch gewählte Präsidentin aus dem Amt zu drängen. Strafbare Korruption kann ihr nicht nachgewiesen werden, Korruptionsbekämpfung stand auf ihrer politischen Agenda. Und pikanterweise sind insbesondere ihre politischen Widersacher in Schmiergeldaffären und Filz verstrickt und möchten nun ihre Köpfe aus der Schlinge ziehen.« Apple-Boss tritt nach Computergigant hält Steuerforderung der EU-Kommission für unberechtigt. Unterstützung aus der CSU A pple-Chef Tim Cook hat am Donnerstag auf die Entscheidung der EU-Kommission vom Mittwoch reagiert. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte das Computerunternehmen aufgefordert, Steuerschulden in Höhe von 13 Milliarden Euro zu begleichen. Die Forderungen aus Brüssel seien »politischer Mist«, sagte der Manager in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der Zeitung Irish Independent. Er werde mit der Regierung in Dublin eng zusammenarbeiten, um sich gegen die Entscheidung zu wehren. »Niemand hat etwas falsch gemacht, und wir müssen zusammenstehen.« Irland werde schikaniert. Unterstützung erhielt Cook vom bayerischen Finanzminister Markus Söder (CSU). Er warnte vor einem Konflikt mit US-Unternehmen. »Überzogene Forderungen bei gleichzeitigem Abbruch der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP werden die Handelsbeziehungen massiv belasten«, sagte Söder der Süddeutschen Zeitung (Donnerstagaus gabe). »Wir brauchen faire Steuerregeln, aber keinen Handelskrieg.« Die deutsche Apple GmbH hat ihren Sitz in München, damit ist Bayerns Finanzministerium zuständig. Es schließt allerdings Steuernachzahlungen hierzulande nach einer ersten Prüfung aus. »Nach derzeitigem Stand ist es unwahrscheinlich, dass Deutschland aufgrund der Entscheidung der EU-Kommission höhere Steuereinnahmen erhalten wird«, teilte das Ministerium der Süddeutschen Zeitung mit. Der Kovorsitzende der Partei Die Linke, Bernd Riexinger, erklärte, Bayerns Finanzminister zeige eine sehr ungewöhnliche Berufsauffassung. »Herr Söder nimmt das Geld offensichtlich lieber von Beschäftigten – die auch auf deutlich geringere Verdienste zwischen 14 und 42 Prozent Einkommenssteuer zahlen müssen – als von einem der reichsten Konzerne der Welt, der mit 0,005 Prozent nach Herrn Söders Auffassung ausreichend besteuert wird.« Selbst die geringsten steuerpflichtigen Einkommen würden 2.800fach höher besteuert als Apple, so Riexinger. Simon Zeise Siehe Seite 8 Tausende neue Stellen für Bundespolizei PETER ENDIG/DPA-BILDFUNK I n Brasilien sind in der Nacht zum Donnerstag Tausende Menschen gegen den »parlamentarischen Staatsstreich« in ihrem Land auf die Straße gegangen. In zahlreichen Städten demonstrierten sie gegen die Absetzung von Präsidentin Dilma Rousseff. In São Paulo ging die Militärpolizei mit Tränengasgranaten gegen die Menge vor. Zuvor hatte eine Mehrheit von 61 gegen 20 Senatoren im Oberhaus des brasilianischen Parlaments den Sturz der 2014 mit den Stimmen von 54 Millionen Brasilianern gewählten Präsidentin beschlossen. Ihr bisheriger Stellvertreter Michel Temer wurde zum neuen Staatschef des südamerikanischen Landes erklärt. Seine Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung (PMDB) hatte die Koalition mit Rousseffs Arbeiterpartei (PT) im März platzen lassen und sich auf die Seite der Rechten gestellt, die durch den Sturz der Präsidentin das Ergebnis der Wahl von 2014 umkehrten. Rousseff sprach anschließend davon, sie sei zum zweiten Mal in ihrem Leben das Opfer eines Staatsstreichs geworden: Bamberg. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will im Rahmen eines »Sicherheitspakets« für die Jahre 2017 bis 2020 Tausende neue Stellen bei der Bundespolizei schaffen. Er habe mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) inzwischen »über die notwendige Größenordnung Einvernehmen erzielt«, erklärte er am Donnerstag nach Angaben seines Ministeriums beim Besuch des neuen Ausbildungszentrums der Bundespolizei in Bamberg. Demnach sollen bis 2020 zusätzlich zu den bereits beschlossenen 3.700 weitere 3.250 Stellen geschaffen werden. »Betrachtet man den Zeitraum von 2016 bis 2020, heißt das ausschließlich für die Bundespolizei einen Aufwuchs von über 7.000 Stellen – das ist viel, das ist richtig, das ist nötig«, erklärte der Minister den Angaben zufolge. (AFP/jW) wird herausgegeben von 1.867 Genossinnen und Genossen (Stand 12.8.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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