KAPITEL 1 Mehrdimensionale Funktionen 1. Abstände und Normen Definition 1.1 (Norm). Sei V ein Vektorraum über einem Körper K mit K = R oder K = C. Eine Abbildung k · k : V → R nennt man Norm, falls die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind: (i) Für x = 0 gilt kxk = 0 und für jedes x ∈ V \ {0} gilt kxk > 0. (ii) Für jedes x ∈ V und jedes λ ∈ R gilt kλxk = |λ| kxk. (iii) Für alle x, y ∈ V gilt kx + yk ≤ kxk + kyk (Dreiecksungleichung). p Definition 1.2. Die durch k · k2 : Rn → R, kxk2 := x21 + · · · + x2n definierte Abbildung nennt man euklidische Norm. Die durch k · k1 : Rn → R, kxk1 := |x1 | + · · · + |xn | definierte Abbildung nennt man 1-Norm. Die durch k · kmax : Rn → R, kxkmax := max{|x1 |, . . . , |xn |} definierte Abbildung nennt man Maximum-Norm. Definition 1.3 (Abstand). Es sei k · k eine Norm auf einem Vektorraum V über K = R, C, so nennt man d(x, y) := kx − yk den Abstand von x zu y (bezüglich der Norm). Bemerkung Für einen Abstand (bezüglich einer Norm) ergibt sich für alle x, y, z ∈ V (i) d(x, y) = 0 genau dann wenn x = y; (ii) d(x, y) = d(y, x) und (iii) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z). Lemma 1.4 (Die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung). Für alle x, y ∈ Rn gilt (x> y) ≤ kxk2 · kyk2 . Satz 1.5. Die euklidische Norm, die 1-Norm und die Maximums-Norm sind alles Normen auf Rn . 2. Topologische Eigenschaften Definition 1.6 (Topologische Begriffe). Es sei Rn versehen mit einer Norm k · k. a) Zu x ∈ Rn und > 0 nennen wir B (x) := {z ∈ Rn | kx − zk < } offene -Kugel um x. Im Spezialfall n = 1 ist B (x) =]x − , x + [. b) Es sei M eine Teilmenge von Rn . x ∈ M heißt innerer Punkt von M falls es ein > 0 gibt, so dass B (x) ⊂ M ist. Die Menge aller inneren Punkte heißt das Innere von M . Schreibweise: M 0 . c) M heißt offen, falls jeder Punkt innerer Punkt ist. d) x heißt Berührpunkt von M , wenn für jedes > 0 gilt B (x) ∩ M 6= ∅. Die Menge aller Berührpunkte heißt Abschluss von M . Schreibweise M . e) x heißt Randpunkt von M , falls x Berührpunkt von M und von Rn \ M ist. Die Menge aller Randpunkte von M heißt Rand von M . Schreibweise: ∂M . f ) M heißt abgeschlossen falls Rn \ M offen ist. Satz 1.7. Für A ⊂ Rn gilt: a) A ist offen genau dann wenn A = Ao . b) A ist abgeschlossen, genau dann wenn A = A. c) ∂A = A \ Ao . Definition 1.8 (Beschränkte Mengen). Eine Menge M ⊂ R heißt beschränkt bezüglich einer Norm k · k falls es eine Zahl R ∈ R gibt, so dass kxk ≤ R für jedes x ∈ M gilt. Lemma 1.9. Für alle x ∈ Rn gilt: kxkmax ≤ kxk2 ≤ kxk1 ≤ nkxkmax . Korollar 1.10. ist M beschränkt bezüglich einer der Normen k · k1 , k · k2 oder k · kmax , so ist M bezüglich aller dieser Normen beschränkt. Definition 1.11. Eine Teilmenge M ⊂ Rn heißt kompakt, falls sie abgeschlossen und beschränkt ist. 3. Konvergenz und Divergenz Definition 1.12 (Folgen, vergleiche Analysis in einer Variable). Eine Abbildung a : N → Rn (bzw. a : N0 → Rn ) nennt man Folge. Statt a : N → Rn schreibt man meist (ak )k∈N und ak statt a(k). 1 Definition 1.13 (Konvergenz, Divergenz, Grenzwert einer Folge, vergleiche Analysis in einer Variable). Es sei (ak )k∈N eine Folge. Die Folge (ak )k∈N heißt konvergent falls ein a ∈ Rn mit folgender Eigenschaft existiert: Zu jedem > 0 gibt es ein N ∈ N, so dass für alle k > N die Ungleichung kak − ak < gilt. Der Wert a heißt in diesem Fall Grenzwert von (ak )k∈N . Wir schreiben auch limk→∞ ak = a oder k→∞ ak −→ a. Eine Folge heißt divergent falls sie nicht konvergent ist. Satz 1.14. Eine Folge (xk )k∈N mit xk ∈ Rn konvergiert bezüglich der euklidischen Norm, genau dann wenn Sie bezüglich der 1 − N orm konvergiert und genau dann wenn sie bezüglich der Maximums-Norm konvergiert. Satz 1.15. Eine Folge (xk )k∈N mit xk ∈ Rn konvergiert genau dann wenn alle ihre Komponentenfolgen konvergieren. Definition 1.16 (Cauchy-Folge, vergleiche Analysis in einer Variable). Eine Folge (ak )k∈N heißt Cauchy-Folge falls es zu jedem > 0 ein N ∈ N gibt, so dass für alle k, m ≥ N die Abschätzung kak − am k < gilt. Satz 1.17 (Cauchy-Konvergenzkriterium, vergleiche Analysis in einer Variable). Eine Folge in Rn ist genau dann konvergent, wenn Sie eine Cauchy-Folge ist. Satz 1.18 (Bolzano-Weierstraß, vergleiche Analysis in einer Variable, Satz. 2.6). Jede beschränkte Folge hat eine konvergente Teilfolge. 4. Stetigkeit Definition 1.19 (Stetigkeit). Es sei M ⊂ Rn und f : M → Rm eine Funktion. f heißt stetig im Punkt x0 ∈ M wenn zu jedem > 0 ein δ > 0 existiert, so dass für jedes y ∈ M mit ||x0 − y|| < δ auch ||f (x0 ) − f (y)|| < gilt. f heißt stetig auf M falls f für jedes x ∈ M stetig ist. Satz 1.20. Eine Funktion f : M → Rm ist genau dann stetig in a ∈ M , wenn alle Komponentenfunktionen fj : M → R, x 7→ (f (x))j stetig sind. Satz 1.21 (Folgenstetigkeit). Es sei M ⊂ Rn . Eine Funktion M → Rm ist genau dann stetig im Punkt a ∈ M wenn für alle Folgen (an )n∈N mit an ∈ M und an → a auch f (an ) → f (a) gilt. Satz 1.22 (Existenz von Maxima und Minima). Es sei K ⊂ Rn kompakt und f : K → R stetig. Dann gilt: a) f nimmt auf K ein absolutes Maximum und ein absolutes Minimum an. b) Ist K zusätzlich wegzusammenhängend, d.h. zu jedem Punktepaar x, y ∈ K gibt es eine stetige Funktion w : [0, 1] → R mit w(0) = x und w(1) = y, dann ist f (K) = [a, b] wobei a das absolute Minimum und b das absolute Maximum von f ist. Bemerkung: Es gilt sogar: Es sei f : Rn → Rm stetig. Dann gilt a) Ist M ⊂ Rm offen, dann ist auch f −1 (M ) offen. b) Ist M ⊂ Rm abgeschlossen, dann ist auch f −1 (M ) abgeschlossen. c) Ist K ⊂ Rn kompakt, dann ist auch f (K) kompakt. KAPITEL 2 Berechnung von Extrema 1. Partielle Ableitungen Definition 2.1 (partielle Ableitung). Sei U ⊂ Rn offen und ej der j-te Einheitsvektor. Eine Funktion f : U → R ist in x ∈ U partiell differenzierbar in der j-ten Komponente falls der Grenzwert f (x + hej ) − f (x) lim h→0 h ∂f existiert. Falls dieser Grenzwert existiert bezeichnet man diesen mit Dj f (x) oder mit ∂x f (x). Dieser j Grenzwert wird auch j-te partielle Ableitung von f in x genannt. f heißt in x partiell differenzierbar, falls f für jedes j = 1, . . . , n in x partiell differenzierbar in der j-ten Komponente ist. f heißt partiell differenzierbar, wenn es für alle x ∈ U partiell differenzierbar ist. f heißt stetig partiell differenzierbar in x bzw. in U , wenn f partiell differenzierbar in x bzw. in U ist und jede partielle Ableitung in x bzw. in U stetig ist. Definition 2.2 (zweifach partiell differenzierbar). Sei U ⊂ Rn offen und f : U → R. Ist f partiell differenzierbar und sind sämtliche partiellen Ableitungen Dj f , j = 1, . . . , n wieder partiell differenzierbar, so nennt man f zweifach partiell differenzierbar. Sind alle Abbildungen Di Dj f stetig, so nennt man f zweifach stetig differenzierbar. Satz 2.3 (Satz von Schwarz). Sei U offen und f : U → R zweifach stetig differenzierbar, so gilt Di Dj f (x) = Dj Di f (x) für alle i, j = 1, . . . , n und alle x ∈ U . 2. Totale Differenzierbarkeit Definition 2.4 (totale Differenzierbarkeit). Sei U ⊂ Rn offen und f : U → Rm . f heißt im Punkt x ∈ U total differenzierbar, falls es eine lineare Abbildung A : Rn → Rm , eine Umgebung V ⊂ U von x und eine Abbildung Rest : V → Rm gibt welche Rest(h) =0 f (x + h) = f (x) + Ah + Rest(h) für h ∈ V und lim h→0 khk erfüllen. Wir schreiben meist differenzierbar statt total differenzierbar. Achtung: A und Rest hängen von x ab. Die lineare Abbildung A wird Ableitung von f im Punkt x genannt. Satz 2.5. Sei U ⊂ Rn offen und f : U → Rm in x differenzierbar mit Ableitung a11 . . . a1n .. . A = ... . am1 . . . amn Dann gilt a) f ist stetig in x, b) Alle Komponentenfunktionen fi : U → R von f (x1 , . . . , xn ) = (f1 (x1 , . . . , xn ), . . . , fm (x1 , . . . , xn )) sind partiell differenzierbar und es gilt Dj fi (x1 , . . . , xn ) = aij . Definition 2.6 (Gradient und Jacobi-Matrix). Die Ableitung in x einer differenzierbaren Funktion f : U → Rm mit U ⊂ Rn offen nennt man Jacobi-Matrix. Schreibweise: D1 f1 (x) . . . Dn f1 (x) .. .. Df (x) = . . D1 fm (x) . . . Dn fm (x) 3 Im Fall m = 1 nennt man Df (x) den Gradienten von x. Schreibweise: grad f (x) = (D1 f (x), · · · , Dn f (x)) . Satz 2.7. Sei U ⊂ Rn offen und f : U → R in x partiell differenzierbar. Sämtliche partiellen Ableitungen Dj f , j = 1, . . . , n seien stetig in x. Dann ist f total differenzierbar und stetig. Satz 2.8 (Kettenregel). Es seien U ⊂ Rn und V ⊂ Rm offen. Für zwei Abbildungen f : U → Rm und g : V → Rk gelte f (U ) ⊂ V . Weiter sei f in x ∈ U und g in y = f (x) differenzierbar. Dann ist g ◦ f : U → Rk differenzierbar und es gilt D(g ◦ f )(x) = Dg(f (x)) Df (x). 3. Die zweite Ableitung (Hesse Matrix) Definition 2.9 (Hesse Matrix). Sei U ⊂ Rn offen und f : U → R zweimal partiell differenzierbar, so nennen wir die Matrix D1 D1 f (x) . . . Dn D1 f (x) .. .. Hf (x) = . . D1 Dn f (x) . . . Dn Dn f (x) die Hesse Matrix von f in x. Die Hesse Matrix ist also die Jacobimatrix des Gradienten und wird daher auch zweite Ableitung von f in x genannt. Satz 2.10 (Taylor Approximation zweiter Ordnung). Ist U ⊂ Rn offen und f : U → R zweimal stetig differenzierbar, dann gilt für jedes x ∈ U für h aus einer genügend kleinen Umgebung von x 1 Rest(h) f (x + h) = f (x) + Df (x) · h + h> Hf (x)h + Rest(h) mit lim = 0. h→0 khk2 2 Definition 2.11. Sei A ∈ Rn×n symmetrisch. Man nennt A a) b) c) d) e) positiv definit, falls für alle x ∈ Rn \ {0} gilt: x> Ax > 0. positiv semidefinit, falls für alle x ∈ Rn \ {0} gilt: x> Ax ≥ 0. negativ definit, falls für alle x ∈ Rn \ {0} gilt: x> Ax < 0. negativ semidefinit, falls für alle x ∈ Rn \ {0} gilt: x> Ax ≤ 0. n > indefinit, falls es ein x1 ∈ Rn mit x> 1 Ax1 < 0 und ein x2 ∈ R mit x2 Ax2 > 0 gibt. 4. Extremwerte Definition 2.12 (Maxima und Minima). Ist M ⊂ Rn und f : M → R. a) Ist x ∈ M derart, dass f (x) ≥ f (z) für alle z ∈ M gilt, so heisst f (x) (globales) Maximum von f . Ist x ∈ M derart, dass f (x) ≤ f (z) für alle z ∈ M gilt, so heisst f (x) (globales) Minimum von f . Ein globales Maximum (bzw. Minimum) nennt man isoliert (oder strikt) falls sogar f (x) > f (z) (bzw. f (x) < f (z)) für alle z ∈ M \ {x} gilt. b) Ist x ∈ M derart, dass es eine offene Menge U ⊂ M gibt, so dass x ∈ U ist und f (x) ≥ f (z) für alle z ∈ U gilt, so heisst f (x) (lokales) Maximum von f . Ist x ∈ M derart, dass es eine offene Menge U ⊂ M gibt, so dass x ∈ U ist und f (x) ≤ f (z) für alle z ∈ U gilt, so heisst f (x) (lokales) Minimum von f . Ein lokales Maximum (bzw. Minimum) nennt man isoliert (oder strikt) falls sogar f (x) > f (z) (bzw. f (x) < f (z)) für alle z ∈ U \ {x} gilt. Satz 2.13 (Notwendiges Kriterium für lokale Extrema). Sei U ⊂ Rn offen und f : U → R partiell differenzierbar. Hat f in x ein lokales Extremum (also ein lokales Minimum oder ein lokales Maximum) so ist grad f (x) = 0. Bemerkung: Die Punkte mit der Eigenschaft grad f (x) = 0 nennt man die kritischen Punkte von f . Satz 2.14 (Hinreichendes Kriterium für lokale Extrema). Sei U ⊂ Rn offen und f : U → R zweimal stetig differenzierbar. Weiter sei x ein kritischer Punkt von f und Hf (x) die Hesse Matrix von f in x. a) Ist Hf (x) symmetrisch positiv definit, so hat f in x ein isoliertes lokales Minimum. b) Ist Hf (x) symmetrsich negativ definit, so hat f in x ein isoliertes lokales Maximum. c) Ist Hf (x) indefinit, so hat f in x weder ein lokales Minimum noch ein lokales Maximum.
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