Aescin (Arbeitsvorschrift zur Isolierung aus Roßkastanienpulver)

Aescin (Arbeitsvorschrift zur Isolierung aus Roßkastanienpulver)
Auszug aus dem Naturstoffpraktikum für das Lehramtsstudium7. Semester von D. Sicker
Strukturformel:
H3C
CH3
OCOR
H
OH
HO
HO
CH3
O
HOOC
OH
H
O
O
HO
O
H3C
OH
HO
HO
CH3
OH
H
CH2OH
H
O
OCOCH3
CH2OH
CH3
R siehe Text
O
OH
Schmp. 222 - 223 °C
Nomenklatur und Struktur: Das Glycosid Aescin ist ein Gemisch aus über 30
strukturverwandten Saponinen. Als Hauptkomponenten gelten α- und β-Aescin. Letzteres
stellt den leicht kristallisierenden Anteil des Saponingemischs. Das α-Aescin ist besser
wasserlöslich und hämolytisch weniger aktiv. Das Aglycon besteht aus einem
pentacyclischen, mit Hydroxylgruppen funktionalisierten Triterpen-Gerüst, das am C-22-αOH mit Essigsäure, an C-21-β-OH mit Angelicasäure, Tiglinsäure, iso-Buttersäure oder αMethylbuttersäure verestert ist. Die C-3-β-OH-Gruppe ist β-glycosidisch mit einer
Trisaccharid-Einheit verknüpft. Sie besteht aus D-Glucuronsäure (an deren C-1 auch das
Aglycon gebunden ist), deren OH-Gruppen in 2- und 4-Position jeweils D-Glucose in βglycosidischer Form gebunden enthalten.
Literatur: T. Eicher, H.J. Roth, Synthese, Gewinnung und Charakterisierung von Arzneistoffen, G. Thieme Verlag, Stuttgart, 1986, S. 232.
Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Aescin
Vorkommen: Aescin kommt in Roßkastanien (Aesculus hippocastanicum L.) vor.
Anwendung: Aescin wird pharmazeutisch angewendet zur Ausschwemmung von Ödemen,
zur Therapie von Hämmorrhoiden, Varizen und Ulcus cruris. Name von Handelspräparaten
z.B. Aescusan. Vorsicht beim Umgang mit Aescin! Nicht in offene Wunden bringen, da alle
Saponine die Zellmembran schädigen und bei Erythrocyten Membranhämolyse erfolgt.
Isolierungsprinzip: Aus den geschälten, getrockneten und zerkleinerten Roßkastaniensamen
wird Aescin durch ein Methanol-Wasser-Gemisch extrahiert. Es kristallisiert beim Einengen
des Extrakts aus und wird durch Umkristallisieren gereinigt.
Rohmaterial: Zerkleinerte, getrocknete Roßkastanien werden gestellt.
Frisch gesammelte Kastanien werden geviertelt, geschält, getrocknet und gemahlen. Massenbilanz: Aus 100 g
frischen, geviertelten Kastanien verbleiben nach dem Schälen 80 g. Diese haben einen Trocknungsverlust von 35
g Wasser. Letztlich liefern 100 g frische Kastanien so 45 g des Kastanienpulvers, mit dem Sie arbeiten.
Chemikalien: Methanol / Wasser (65:35 v/v), 1000 ml zur Extraktion
Methanol
stark saurer Kationenaustauscher (Wofatit KPS oder Amberlite IR 120)
Gefahrstoff zum Ausarbeiten der Betriebsanweisung:
Methanol: Kategorien F und T, R 11-23/25, S 2-7-16-24
Arbeitsvorschrift und Hinweise:
100 g (mühevoll) geschälte, feingemahlene und luftgetrocknete Roßkastaniensamen werden
6-10 Std. intensiv mit 1000 ml 65%igem Methanol/Wasser bei 20 °C gerührt. Nicht länger!
Es ist nicht nötig, das Samengut zu entfetten. Die Schalen sollten jedoch vor dem Zerkleinern
weitgehend entfernt werden. Dies ist bei unserem Rohmaterial weitgehend der Fall.
Man trennt dann das Kastanienpulver durch Filtrieren ab. Das Filtrat wird mit 50 ml eines
stark sauren Kationenaustauschers (H+-Form) 15 Min. gerührt, z.B. Amberlite IR 120. Nicht
stundenlang!
Der saure Ionenaustauscher muß in der H+-Form eingesetzt werden. (Diese Form kann ggf.
durch Rühren der Austauscherperlen mit 2 M HCl erhalten werden. Vor der Verwendung sind
die aktivierten Perlen abzufiltrieren und mit reichlich dest. Wasser zu spülen. Ein fabrikneuer
Austauscher liegt als H+-Form vor und ist nur noch zu spülen.
Danach wird von den Ionenaustauscherperlen abfiltriert. Der pH-Wert des Aescin-Extraktes
sollte jetzt ca. 3,5 betragen und nicht höher als 3,8 sein.
Prüfen Sie den pH-Wert mit Unitestpapier. Es sollte schwach rötlich aussehen. Tun Sie den
gebrauchten Austauscher in eine Sammelflasche. Er kann regeneriert werden.
Nun ist i. Vak. des Rotationsverdampfers auf ein Volumen von ca. 100 ml einzuengen, bis das
Aescin in feinen farblosen Kristallen auszufallen beginnt. (Druck nicht unter 170 mbar
wählen!). Beachten Sie den folgenden Hinweis!
Praktischer Hinweis zur Vakuumdestillation: Die durch Extraktion erhaltene
Aescinlösung schäumt erfahrungsgemäß beim Einengen i. Vak. sehr stark, so daß eine
ordentliche Destillation schwierig ist. Um ein Überschäumen zu vermeiden, destilliert
man in einem 2l-Rundkolben unter ständiger Beobachtung zunächst mit nur schwachem
Vak. (ca. 400 mbar) Bei starkem Schäumen ist etwas zu belüften und dann vorsichtig
weiter zu destillieren. Mit fortschreitender Destillation senkt man die Druckeinstellung
am Regler der Membranpumpe allmählich ab. Ggf. Assistenten fragen.
Die Kristallisation des aufkonzentrierten Extrakts wird durch Einstellen in eine Eis-WasserMischung (0 °C) vervollständigt. Man saugt ab, wäscht mit etwas Eiswasser (nicht zuviel)
und trocknet auf einem Tonteller. Man erhält so 1,7 - 2,0 g rohes Aescin.
Bestimmen Sie davon den Schmelzpunkt! Oft ist dieses Material schon völlig farblos,
feinkristallin und scharf schmelzend, so dass auf eine Umkristallisation verzichtet werden
kann.
Umkristallisationsanleitung, falls doch nötig:
Dieses löst man in der 10fachen Masse Methanol (abwiegen!), erhitzt einige Min. unter
Rückfluß und filtriert. Die heiße Methanol-Lösung des Aescins wird mit dem doppelten
Volumen von auf 90 °C erhitztem, destillierten Wasser versetzt. Daraufhin kristallisiert das
Aescin aus. Nach dem Erkalten wird abgesaugt und getrocknet.
Sollte das Roh-Aescin nicht farblos oder fast farblos aussehen, so kann zur Entfärbung beim
Umkristallisieren dem Methanol eine kleine Menge Aktivkohlepulver zugesetzt werden. Vor
der Zugabe des heißen Wassers ist dann zu filtrieren.
Ausbeute: 1,5- 1,9 g β-Aescin, farblose Kristalle, Schmp. 222 - 223 °C. pKS = 4,7
optische Drehung: α
20
D
zwischen - 26 bis -30 ° wegen schwankender Zusammensetzung
DC-Analyse:
Variante 1: Trägermaterial: Kieselgel F254- Alufolien, Fließmittel: n-Butanol/Eisessig/H2O
im Verhältnis 4:1:5 (v/v/v).
Variante 2: RP-18F254-Glasplatte als Träger (viel auftragen!) Elution: CH3OH/H2O 4:1
Vor der Detektion ist das Laufmittel mit einem Fön abzublasen. Danach sind im UV 254 nm
fluoreszenzmindernde Zonen zu sehen. Im UV 366 nm ist Eigenfluoreszenz zu beobachten.
Markieren Sie die Zonen mit einem weichen Bleistift.
Achtung: Im Beispielprotokoll von Frau Konow (WS 2011/12) finden Sie ein 1H-NMRSpektrum abgebildet, aus dem man im Überblick erkennen kann, wo welche Strukturelemente
dieses Saponins Peaks verursachen. Die Aufnahme von Spektren eines Tensids ist nicht ganz
trivial. Deshalb ist im Einzelfall zu entscheiden (Rücksprache!) ob von Ihrem Aescin ein
Spektrum gemessen wird oder nicht. Auch ist MeOH-D4 nicht billig.
Allgemeine Aufgaben und Anregungen zum Umfeld dieses Präparates:
•
Was sind Saponine? Woher rührt der Name? Was ist das allgemeine strukturelle Motiv?
•
Was bezeichnet man allgemein als ein Glykosid?
•
Weshalb kann für Aescin ein pKS-Wert angegeben werden?
•
Wie funktioniert ein Ionenaustauscher?
•
Was unterscheidet einen stark sauren von einem schwach sauren Ionenaustauscher? Was
bezeichnet man als H+-Form?
•
Eine Substanz fluoresziert. Welche physikalischen Vorgänge laufen dabei ab?
•
Bilden Sie die rationellen Namen für die isomeren Carbonsäuren Angelicasäure und
Tiglinsäure! Welcher Fall von Isomerie liegt vor?
H3C
HOOC
CH3
CH3
Angelicasäure
HOOC
CH3
Tiglinsäure