1 Manuskript radioWissen SENDUNG: 15.10.2015 9.05 Uhr AUFNAHME: STUDIO: BIOLOGIE, NaTe Ab 8. Schuljahr TITEL: Der Dachs Auf den Spuren von 'Meister Grimbart' AUTOR/IN: Christiane Seiler REDAKTION: Bernhard Kastner REGIE: Sabine Kienhöfer TECHNIK: Siglinde Hermann PERSONEN: Sprecherin Hemma Michel Zitator Benedikt Schregle (PS) Zuspielungen: Jens Schlüter, Forstwirt in Zwiesel; Derk Ehlert, Biologe, Wildtierbeauftragter des Berliner Senats; Stefan Achatz, Bauer im Landkreis Regen Besondere Anmerkungen: Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 2 Musik Animation Z9506549 112 Zitator2 (Harry Rowohlt1) Immer schon wollte der Maulwurf den Dachs kennenlernen. Dieser schien eine in jeder Hinsicht wichtige Persönlichkeit zu sein, die, obschon sie selten in Erscheinung trat, ihren unsichtbaren Einfluss überall und für jeden spürbar geltend machte. Musik aus OT1 Bauer (Schritte, Kinderstimmen), Ich hab ihn bis jetzt noch nie gesehen, i kimm um die zeit normal nit aussa, wenn der unterwegs ist wahrscheinlich. Weil, a Jaga bin i keiner und so, du hast Familie und was weiß'n i ... Sprecherin Den Dachs kennenlernen möchte der Maulwurf aus dem englischen KinderbuchKlassiker von Kenneth Graham "Der Wind in den Weiden", übersetzt und gelesen von Harry Rowohlt. Das kann schwierig werden, weiß Stefan Achatz, Bauer im Bayrischen Wald. Auf seinem Grund und Boden beherbergt er einen großen Dachsbau. Und hegt für den unsichtbaren Baumeister durchaus Bewunderung: OT2 Bauer (Bach plätschert) Der hat ungefähr 10 Kubikmeter Erdreich rausgeholt, aus dem Boden. Des muss a Riesen-Gangsystem sein, also Wahnsinn... und der ist so stabil, der ist direkt unter dem Weg, da fahr ich mit dem Traktor drüber. (Bach plätschert, Stimmen) OT3 Jens Schlüter Der Landwirt duldet den Dachs, wahrscheinlich mag er ihn auch, oder hat nichts dagegen, warum auch, der Dachs macht ja hier in seiner Landwirtschaft keine Schäden ... Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 3 Sprecherin Jens Schlüter ist Forstwirt und Geschäftsführer des Bund-Naturschutz in Zwiesel. Bauer Achatz hat ihn zu einer Besichtigung seines Dachsbaus eingeladen. Auf seinen Hof bei Arnbruck im Landkreis Regen. OT4 Jens Schlüter Wir haben hier eben neben dem großen Waldgebiet Bayerischer Wald auch bäuerliche Kulturlandschaft und in genau der sind wir jetzt, wir sind an einem kleinen Waldstück einem kleinen hügligen Waldstück, umgeben von Wiesen und Weiden, und in dem Waldstück hat der Dachs eben seinen Bau ... Musik Selections from Pirates of the Caribbean: Dead man's chest: Jack Sparrow C1412910 006 Sprecherin Der europäische Dachs ist ein Raubtier und gehört zur Familie der Marder. Sein Lebensraum erstreckt sich von Mittelschweden bis Süditalien und von Portugal bis zum Ural. Zur selben Gattung gehören die asiatischen Dachse. Mit dem Silberdachs in Amerika und dem Honigdachs in Afrika und Asien ist er hingegen nur sehr entfernt verwandt. In den Alpen siedelt der europäische Dachs bis zu einer Höhe von 2.000 Metern. Sein Gewicht schwankt, je nach Jahreszeit, zwischen sieben und 15 kg, Männchen werden etwas größer und schwerer als die Weibchen. Vom Scheitel bis zum Schwanzansatz messen Dachse um die 70 cm. Der Dachs ist kurzbeinig und gedrungen, sein Fell grau meliert, am Bauch oft gelblich. Er hat runde kleine Ohren, kleine Augen und eine rüsselförmige Schnauze. Sein Markenzeichen aber ist die schwarz-weiße Gesichtsfärbung: Von der Nase über die Augen führen schwarze Streifen bis hinter die Ohren. Die Oberseite des Kopfes ist weiß. Wie Bären und Menschen sind Dachse Sohlengänger. Deshalb sind an ihren breiten Spuren deutlich die Abdrücke von fünf Zehen zu erkennen. Die stärksten Krallen besitzen Dachse an den besonders kräftigen Vorderpfoten. Die brauchen sie, um im Erdreich ihre Höhlen zu graben. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 4 Zitator Drei Viertel seines Lebens Verschläft der Dachs vergebens Musik aus Sprecherin … zitiert Alfred Brehm in Brehms Tierleben. Ob der Dachs vergebens schläft, sei dahingestellt. Und drei Viertel seiner Lebenszeit wird der Schlaf auch nicht in Anspruch nehmen. Diese Volksweisheit gehört wohl zu den vielen Irrtümern und Geschichten, die sich um den Dachs ranken. Wie soll man auch herausfinden, was er unter der Erde treibt, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbringt? Musik 2 Szenen aus Modern Times 72055320 W00 Zitator2 (Harry Rowohlt 2) "Könntest du ihn nicht einladen – zum Abendessen oder so?", fragte der Maulwurf. "Er würde nicht kommen", gab die Ratte schlicht zurück. "Der Dachs hasst Gesellschaft. Und Einladungen. Und Abendessen. Die ganze Richtung hasst er." "Und wenn wir ihn besuchten", schlug der Maulwurf vor. "Ich bin ganz sicher, dass ihm das schon gar nicht behagen würde", sagte die Ratte recht beunruhigt, "er ist so überaus scheu, dass er in einem solchen Fall bestimmt beleidigt wäre." Musik aus Sprecherin Tatsächlich schätzt der Dachs keine Besuche, er ist ein diskretes, vorsichtiges Tier. Deshalb ist es auch sehr schwer, ihn zu beobachten. Jäger bekommen ihn gelegentlich zu Gesicht, oder andere Menschen, die sich auch in der Dunkelheit viel in der Natur aufhalten. Eher als sehen, kann man den Dachs unter Umständen hören. Sogar am Stadtrand einer Großstadt, meint Derk Ehlert. Er ist der Wildtierbeauftragte des Berliner Senats: Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 5 OT5 Ehlert Also wenn Dachse paarungsbereit sind, dann hört sich das ganz jämmerlich an, als ob Kinder schreien, also das ist unüberhörbar, damit verbunden ist ja auch die Partnersuche und die können so über drei Kilometer zu hören sein, übrigens haben sie nicht nur so laute Stimmbänder, sondern auch sehr feine Nasen, die können also den jeweiligen Geschlechtspartner über mehrere Kilometer Entfernung, bei günstiger Witterung, riechen. Sprecherin Im Volksmund gilt der Dachs als mürrischer, grimmiger Einzelgänger. Grimbart heißt er in der mittelalterlichen Versdichtung vom Reineke Fuchs. Der Name bezeichnet – so steht es im Grimmschen Wörterbuch – einen alten, grimmigen oder mürrischen Kerl und sei … Zitator … entstanden aus dem Eigennamen Grimbert, der erst nachträglich umgestaltet wurde zu einer Bildung ähnlich Dummbart, Brummbart, Knasterbart. Sprecherin Johann Wolfgang von Goethe hat den Stoff des Reineke Fuchs zu einem Epos in Hexametern umgeformt. Von einem mürrischen Naturell des Dachses ist darin nichts zu merken. Im Gegenteil: Grimbart, Neffe des schlauen und vollkommen skrupellosen Fuchses, zeichnet sich durch Engelsgeduld aus. In unverbrüchlicher Treue steht er zu seinem Onkel, dem Übeltäter, selbst noch als dieser ihn verleugnet, um seine Haut zu retten. Immer wieder versucht der Grimbart den heuchlerischen Fuchs von seinen schlimmen Taten abzubringen – natürlich vergeblich. Musikakzent Der schalkhafte Pinocchio begegnet dem starken Ferdinand E0007900 106 Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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OT7 Jens Schlüter Also an diesem Einstieg, ... sieht man ganz genau, wie tief oder groß das System sein muss, wenn man allein den Aushub ansieht, diesen sandigen Aushub, der da rumliegt, und natürlich sieht man auch ganz schön, wie der Dachs jeden Abend rein und raus kommt. Durch diese Gasse im Sand. Sprecherin Das Loch geht schräg in den leicht abschüssigen Boden hinein. Ein Trampelpfad führt durch den Sandhügel hinunter zu einem kleinen Waldweg, den der Dachs offenbar nutzt, um auf die Wiese hinaus zu gelangen. Ein Musterbau, meint der Forstwirt Jens Schlüter: OT8 Jens Schlüter In der Literatur kann man ja lesen, dass Dachse am liebsten ihre Bauten in Südwestlage anlegen, dazu noch in 'nem hügeligen Teil, am besten mit Waldrand, und alle diese drei Faktoren haben wir hier: wir haben einen Hügel, wir haben Südwestlage und wir haben dazu noch einen Waldrand. Und des ist natürlich das Optimale für den Dachs, damit er alles vor seiner Haustür hat. Nämlich Deckung Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 7 durch den doch hier dichten Wald am Hügel und natürlich verschiedene Nahrungsquellen auf der Wiese oder am Waldrand. Man sieht ja, die Nähe zum Menschen stört ihn generell nicht ... Sprecherin Eine Studie zu Dachsen im Bayerischen Wald hat gezeigt, dass die Tiere in zusammenhängenden Waldgebieten wesentlich weniger dicht beieinander wohnen, als in der Kulturlandschaft. Erst seitdem man Tiere mit Sendern ausrüsten kann, hat man herausgefunden, dass einzelne Dachse nachts oft weite Strecken zurücklegen, dass sie zu mehreren zusammenleben und sich gegenseitig besuchen. Aber wie nahe kommen sie den Siedlungen der Menschen? Wie weit dringen sie in die Großstadt vor? Derk Ehlert aus Berlin: OT9 Derk Ehlert Also es gibt schon etliche Dachse, so zwischen 50 und 80 Dachse werden es wohl sein, die in Berlin zuhause sind, aber, tatsächlich, man bekommt sie kaum zu sehen. Grundsätzlich ist es so, dass Dachse nicht im Stadtzentrum leben, das ist wichtig, noch mal deutlich zu machen, sie haben bevorzugte Wohnlagen, und all das finden sie im Bereich Berlin-Brandenburg doch wunderbar, auch in der städtischen Region, aber dann sind es immer Ecken, die doch geschützt sind. Geschützt wie zum Beispiel viele Wasserwerksgrundstücke oder Friedhofsanlagen oder aber ähnlich gelagerte Flächen, die zwar von der Qualität her genau das aufweisen, was der Dachs braucht, aber doch 'nen Zaun drum rum haben, dass nicht jeder reinkommt. Musik At the pictures 72055370 000 Sprecherin Dennoch wurde im Jahr 2012 ein Dachs im Berliner Stadtzentrum gesichtet und sogar gefilmt. Er hatte sich in einen Hinterhof in Charlottenburg verlaufen und fand tagelang nicht heraus. Eine Berliner Boulevardzeitung brachte ein Foto des Tieres, das die Treppe eines Altbaus hinunterstieg. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 8 Woher dieser Dachs kam und warum er sich in das Haus verirrt hatte, blieb ungeklärt. Vielleicht sei er über einen grünen Korridor, etwa die S-Bahn Trasse, in die Stadt hineingelangt, vermutet Ehlert. Oder es habe sich um einen handaufgezogenen zahmen Dachs auf Wanderschaft gehandelt. Denn der Dachs ist zwar ein Kulturfolger, aber anders als Füchse, die auf Berlins Straßen inzwischen häufig umherstreifen, sucht er normalerweise nicht im Müll nach Futter. Musik aus Der Speiseplan der Dachse ist sehr vielfältig und abhängig davon, was die Saison ihnen gerade bietet. Biologen haben Kotproben analysiert und kamen zu einem überraschenden Ergebnis: Das Hauptnahrungsmittel dieser Raubtiere sind Regenwürmer, nur gelegentlich erbeuten sie auch junge Mäuse oder Kaninchen. Bei der Nahrungssuche verlassen Dachse sich weniger auf das Auge als auf die anderen Sinne: OT10 Jens Schlüter Er hört gut und er riecht noch besser. Als nachtaktives Tier muss man nicht viel sehen, und wenn man seine Beute am Boden sucht, und die nicht davon laufen kann wie Regenwürmer oder reife Pflaumen, dann ist man auch nicht auf Schnelligkeit angewiesen, sondern man kann eher gemütlich durchs Unterholz streifen und dann ist er eben mit seiner Nase am Boden unterwegs, und er schnüffelt eben überall rum und des hört man eben auch. Wenn er z. B. nach Regenwürmern oder Engerlingen sucht, oder nach Pilzen, Trüffeln, Schnecken. Also er schnauft dann so (macht Schnaufen nach). Fressgeräusche Sprecherin Wenn es nötig ist, können Dachse sogar ganz auf pflanzliche Kost umsteigen. Wenn im trockenen Boden kaum mehr Regenwürmer vorhanden sind, schlemmen sie gerne Äpfel, Birnen und Zwetschgen. Und es gibt eine Feldfrucht, die ihnen besonders köstlich schmeckt, den Mais. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 9 Bauer Stefan Achatz sieht die Angelegenheit gelassen: OT11 Bauer Bauer: I hob ihn gspürt, i hob a Maisfeld gehabt und da ist er regelmäßig nei gangen und hat den mais ... ich: und hat er da schaden angerichtet? Bauer: mei, des wenn ein Prozent vom ganzen Feld war. Also Wildschweine machen da a ganz andres Ding. So war's net ... Musik Résonance M0010659049 Zitator2 (Harry Rowohlt3) Sicherheit, Frieden und Ruhe - das gibt es doch nur unterirdisch. Musik aus Sprecherin Schwärmt der Dachs in dem Kinderbuch "Der Wind in den Weiden". OT12 Jens Schlüter Die vielen Ausgänge zeigen auch, dass es hier ein großer Dachsbau sein muss und der schon ziemlich lang bewohnt ist. Unter uns befindet sich ein weitverzweigtes Tunnelsystem, und natürlich die verschiedenen Kammern, in denen der Dachs seine Tage verbringt, und nachts ist er dann in Wald und Wiese unterwegs. Musik Nr. 4: Der grimmige Pluto E0007900 104 Zitator2 (Harry Rowohlt4) Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Musik aus Sprecherin Nach neuesten zoologischen Erkenntnissen ist der Dachs allerdings mitnichten der gesellschaftsscheue Eigenbrötler, für den man ihn lange gehalten hat, meint Jens Schlüter: OT13 Jens Schlüter … sondern durchaus gesellig und er lebt im Familienverband über Generationen hinweg in seinem Höhlensystem und baut des immer wieder fleißig aus. Sprecherin Dachsbaue bestehen aus vielen größeren und kleineren Kammern, Verbindungsröhren und Gängen, die nach draußen führen. Diese unterirdischen Systeme graben die Dachse mit ihren schaufelähnlichen Vorderpfoten bis zu fünf Meter tief in den Boden. Diese Bauten können sehr alt sein und beachtliche Ausmaße annehmen. Ein Bau, der bei dem mecklenburgischen Ort Pisede ausgegraben wurde, war um die 12.000 Jahre alt. Das ließ sich anhand der dort gefundenen fossilen Dachsknochen berechnen. Und in einem englischen Dachsbau waren die Gänge insgesamt über 800 Meter lang. Dass so viele Dachsknochen verschiedensten Alters gefunden wurden, lässt den Schluss zu, dass Dachse in der Regel auch unter der Erde sterben. Vermutlich werden sie von ihren Mitbewohnern in einer toten Röhre eingegraben. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 11 Musik Paddington C1562580 102 Sprecherin Wie alle Tiere, die Winterruhe halten, können Dachse ihre Körpertemperatur absenken, um den Stoffwechsel zu verlangsamen. Ab Oktober verlassen Dachse nur noch selten den Bau, allenfalls an wärmeren Wintertagen stöbern sie draußen nach Essbarem. Und damit es im Heim schön warm bleibt, wendet der Dachs einen Trick an, weiß Jens Schlüter: Musik aus OT14 Jens Schlüter Im Winter, wenn es kalt wird, dann deckt er vorher, im Herbst schon, feuchtes Laub ein, was dann quasi als eine Art Bio-Heizung dient, und diese Zersetzungswärme, die seine Kleinkompostieranlage im Dachsbau erzeugt, von der kann er dann im Winter profitieren. Da verbringt er zum Beispiel seine Winterruhe. Sprecherin In der behaglichen Wärme und im Schutz des Baus bringt das Dachsweibchen – Fähe genannt – im Februar ihre Jungen zur Welt, in der Regel sind es zwei bis drei. Wird es draußen wärmer, in unseren Breiten meist Ende April, wagt sich die Mutter mit ihrem Nachwuchs an die frische Luft, und von da ab können spielende Dachse vor ihrem Bau beobachtet werden. Die Fähe säugt ihre Jungen zwölf Wochen lang, im Alter von fünf Monaten haben sie meist gelernt, selbstständig ihr Futter zu suchen. In dem Bau, in dem sie geboren wurden, halten die Jungen meist noch ihre erste Winterruhe. Musik Animation Z9506549 112 Sprecherin Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 12 Eine Verrichtung gibt es allerdings, die alle Dachse nach draußen treibt, auch bei Wind und Wetter: OT15 Jens Schlüter Er ist eben sehr reinlich, der gräbt dann wirklich als eine Art Toilette kleine Gruben in den Waldboden, wo er sich dann löst, damit er sich nicht in seinem Bau lösen muss. Da ist der Dachs anders als der Fuchs, der macht das natürlich schon in seinen Bau. Im Dachsbau stinkt's normalerweise nicht, das ist dann eher der Fuchs, der für den entsprechenden Geruch sorgt. Sprecherin Diese sogenannten Latrinen dienen noch einem weiteren Zweck. Der Dachs hinterlässt dort mit dem Kot ein Sekret, dass in den Analdrüsen produziert wird. Derk Ehlert, Wildtierbeauftragter von Berlin: OT16 Ehlert Das ist nämlich nicht nur eine Art von Kotbeseitigung, sondern er schafft es mit dieses Latrinen viel länger als der Fuchs seinen Geruch zu hinterlassen und vor allem sein Revier zu markieren. Weil er viel größere Reviere hat, kommt er seltener an dieselben Stellen. Die Reviergrenzen werden gerne angelegt an den Wegen, deswegen findet man häufig auch an den Wegrändern die Latrinen, und die müssen lange halten, denn vielleicht kommt er ja erst in vierzehn Tagen wieder an dieser Stelle vorbei. Sprecherin Dachs und Fuchs leben also auf denselben Territorien. Füchse ziehen oft in verlassene Dachsbauten ein, manchmal teilen sich die beiden Arten sogar ein Tunnelsystem. Ist es weitläufig genug, dulden sie einander. Diese Wohngemeinschaft der beiden Arten wurde dem Dachs fast zum Verhängnis, in der Hochzeit der Tollwutbekämpfung in Deutschland: Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 13 OT17 Jens Schlüter In den 70er Jahren wollte man den Fuchs per Baubegasung ausrotten, um die Tollwut zu bekämpfen, und hat damit vor allem den Dachs getroffen. Der Dachs wurde dann durch die Begasung in seinen Bauen stark dezimiert und stand kurz vor der Ausrottung. Und erst als man die Bekämpfung des Fuchses per Begasung der Bauten eingestellt hat, ist die Dachspopulation wieder angestiegen. Musik Pu sitzt fest M0011380 109 Sprecherin Inzwischen gibt es in Deutschland wieder so viele Dachse, dass sie nicht mehr zu den bedrohten Arten zählen. Natürliche Feinde haben Dachse in der Tierwelt nicht. Ausgewachsene, gesunde Exemplare können sich gegen Fuchs, Luchs und Wolf gut verteidigen. Und auch gegen andere große Tiere, die ihnen ins Gehege kommen. Musik aus Derk Ehlert: OT18 Derk Ehlert Wer sich mit Dachsen anlegt, der verliert, also zumindest als Wildtier. Ich hab schon selber öfter beobachten können, wie sich Wildschweine mit Dachsen anlegen, und die, die den Kürzeren ziehen, sind nicht die Dachse. Der Dachs ist zwar kleiner als ein Wildschwein, aber er ist kräftig und weiß seine Zähne und vor allem seine Schnauze einzusetzen, er versteht keinen Spaß, Geräusch Dachs er muss sich auch durchsetzen, wenn er nämlich verjagt werden würde von Wildschweinen, dann hätte er er noch weniger Lebensraum und den um den kämpft er. Und letztlich sind Wildschweine Revierfeinde und dann zeigt er ihnen, was er davon hält, dass die Wildschweine bei ihm eindringen. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 14 Sprecherin Den Dachsen bleibt also nur ein ernst zu nehmender Feind, nämlich der Mensch. Im 19. Jahrhundert waren die Tiere noch eine begehrte Jagdbeute. Wie vielfältig ein erlegter Dachs damals verarbeitet wurde, kann man in Brehms Tierleben nachlesen: Zitator Sein Fleisch schmeckt süßer als Schweinefleisch, erscheint aber manchen Menschen als ein wahrer Leckerbissen. Die wasserdichten, festen und dauerhaften Felle, von denen jährlich 55.000 Stück im Werte von 123.000 Mark auf den Markt kommen, werden zu Überzügen von Koffern und dergleichen verwendet; aus den langen Haaren, namentlich aus denen des Schwanzes, verfertigt man Bürsten und Pinsel; das Fett gebraucht man als Arzneimittel oder benutzt es zum Brennen. Sprecherin Immer noch gilt Salbe aus Dachsfett als Hausmittel gegen Gelenkschmerzen, und Rasierpinsel aus Dachshaar sind nach wie vor im Handel. Das Material dazu stammt aber heute meistens aus Asien. In Deutschland gehören Dachse zwar wieder zum jagdbaren Wild, werden allerdings nur noch selten geschossen. Denn die scheuen Tiere aufzuspüren, ist schwierig und selten von Erfolg gekrönt. Geräusch Dackel Einen Ort gibt es allerdings, wo sie der Jäger mit großer Wahrscheinlichkeit stellen kann: in ihrem Bau. Für die unterirdische Dachs- und auch die Fuchsjagd wurde deshalb eine besondere Jagdmethode entwickelt, Dackelbellen besonders kurzbeinige Hunde wurden für die sogenannte Baujagd gezüchtet. In England sind es die Terrier und bei uns die Dackel, jene beliebten und schwer erziehbaren Hunde. Jens Schlüter: OT19 Jens Schlüter Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Und bis sich der Dackel, wenn überhaupt, aus dieser Lage befreien kann, ist der Dachs schon wieder ganz woanders in seinem Höhlensystem oder der Dackel wird nie wieder rausfinden. Sprecherin Dackel auf Dachsjagd leben also gefährlich. Deshalb wird in Jägerkreisen inzwischen davon abgeraten, das Leben der kurzbeinigen Freunde bei der unterirdischen Jagd aufs Spiel zu setzen. Ein Dachs in seinem Bau kann also zumindest in Deutschland vor unerwünschtem Dackelbesuch einigermaßen sicher sein, auch am Stadtrand von Berlin. Musik Nr. 2: Der geschwätzige Donald Duck E0007900 102 Zitator2 (Harry Rowohlt5) Wer weiß, sagte der Dachs. Die Menschen kommen … sie bleiben ein Weilchen … sie blühen und gedeihen … und dann verschwinden sie wieder. So sind sie. Doch wir bleiben. Man sagt, es habe hier schon Dachse gegeben, als die Stadt noch nicht einmal geplant war. Und jetzt gibt es wieder Dachse. Wir sind ein zähes Geschlecht. Hin und wieder ziehen wir uns für eine Zeit lang zurück, aber wir warten. Wir sind geduldig. Und dann kommen wir wieder. Und so wird es immer sein. Sprecherin Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 16 Das sind die philosophischen Worte des Dachses in Kenneth Grahams "Der Wind in den Weiden". Musik aus Wer weiß, vielleicht wird er recht behalten; der Bau, der in Mecklenburg ausgegraben wurde, ist immerhin 12.000 Jahre alt. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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