Abstract

Markus Egg
Von wieder erkalteten Leidenschaften und ungeputzten Wohnungen
Eine Gruppe von Prädikaten (v.a. V, VP, IP), die sich nicht ohne weiteres in aspektuelle Klassifikationen einfügen lassen, umfasst Ausdrücke wie kochen, erhitzen, erkalten, putzen, steigen oder
kämmen (Dowty 1979). Sie können als Prozess- und Ereignisprädikat verwendet werden, wie die
üblichen Tests zeigen: Sie sind z.B. mit Zeitdauer- und Zeitrahmenadverbialen kompatibel, Nachzustandsmodifikation ist möglich, aber auch das explizite Ausschließen eines Resultats:
(1)
(2)
Urs putzte seine Wohnung stundenlang/in einer Stunde.
Urs putzte seine Wohnung spiegelblank/ohne, dass sie sauber geworden wäre.
Wie der Titel zeigt, erlauben sie auch Zustandsverwendungen des Perfektpartizips. Eine besondere
Herausforderung stellen Kombinationen der Prozessverwendung mit wieder dar (Fabricius-Hansen
2001). So ist (3) bereits wahr, wenn sich der genannte Prozess umgekehrt hat, hier also die
Leidenschaft nach einer Phase der Erwärmung erkaltet, ohne dass wie bei restitutiven Lesarten wie in
(4) das Wiederherstellen eines lexikalisch über ein Nachzustandsprädikat definierten Zustandes
vorläge. D.h. Charlotte kann in (3) noch immer ziemlich leidenschaftlich gewesen sein, entscheidend
ist, dass ihre Leidenschaft vorher einmal gestiegen war.
(3)
(4)
Charlottes Leidenschaft erkaltete wieder.
Die Türe ging wieder auf.
Wenn man diese Prädikate nicht wie Rothstein (2004) als mehrdeutig klassifizieren oder wie
Fabricius-Hansen (2001) wieder als ambig ansehen will, kann man die Prädikate wie Stechow (1996)
als Zustandswechsel bezüglich von Graden beschreiben, so z.B. für erkalten:
(5)
λxn.BECOME(d.kalt’(x,d)  d > n)
D.h. erkalten denotiert einen Zustandswechsel, sodass x im Nachzustand einen Grad der Wärme d
besitzt, der einen gegebenen Wert n übersteigt. Die Ereignislesart ergibt sich dann durch Fixierung
von n auf einen kontextuell gegebenen Schwellenwert C. Die Bedeutung von wieder erkalten in (3)
kann dann mit Skopus von wieder unterhalb von BECOME beschrieben werden:
(6)
λxn.BECOME(wieder’(d.kalt’(x,d)  d > n))
Dies besagt, dass der Nachzustand bereits einmal vorgelegen haben muss, d.h., der Grad der Kälte von
x muss früher einmal n übertroffen haben. Zusammen mit der lexikalischen Bedeutung von erkalten
ergibt sich dann minimal eine Konstellation, in der der Kältegrad erst über, dann unter, dann wieder
über n liegt. Es ist aber nicht notwendig, dass x jemals kalt im absoluten Sinne war.
Problematisch an dieser Analyse ist nun, dass sie ein Prozessprädikat sehr fein dekomponiert und
damit minimale Sachverhalte in seiner Extension beschreibt. Die für Prozessprädikate typische
Kumulativität ergibt sich dann erst indirekt daraus, dass der beschriebene Zustandswechsel sehr
unspezifisch ist. Dies widerspricht dem von Dowty initiierten Programm, aspektuelle Klassen über
Dekompositionen und ihre Operatoren zu charakterisieren.
Es soll eine Analyse im Geiste von Krifkas (1998) Telizitätsansatz vorgestellt werden, der ein
abstraktes Skalenelement in die Semantik mit aufnimmt (ähnlich einem gerichteten Weg). Damit lässt
sich der Ereignischarakter von Ausdrücken wie um 10 Grad kälter werden unmittelbar erfassen; die
Zustandswechsellesart kann ähnlich wie bei direktionalen PPs wie in die Stadt daraus hergeleitet
werden, dass Abschnitte des Weg-/Skalenelements durch ein Prädikat P und seine Negation ¬P
charakterisiert werden können (hier, „[nicht] größer als der Schwellenwert C“).