Wenn das Wetter aufs Gemüt schlägt

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Manuskript
radioWissen
SENDUNG: 19.06.2015
9.05Uhr / B 2
AUFNAHME:
STUDIO:
BIOLOGIE
Ab 8. Schuljahr
TITEL:
Wenn das Wetter aufs Gemüt schlägt - Das Phänomen der
Wetterfühligkeit
AUTOR/IN:
Claudia Bultje-Herterich
REDAKTION:
Schreglmann / Ruchlak
PRODUKTION:
PERSONEN:
Besondere Anmerkungen:
ED 18.01.2008
LW 09.09.2011
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Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
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ZITATOR FÜR WETTER- und BIOWETTERMELDUNGEN
(Nachrichtensprecher?2,3 übereinander/ineinander blenden?
Die Wettervorhersage:
Heute verlagern sich die starken Regenfälle von der Mitte in den Süden …Im
Tagesverlauf gibt es einen raschen Wechsel von Sonne und Wolken und immer
wieder zum Teil kräftige Schauer.
Das Biowetter:
Zurzeit treten vielfach wetterbedingte Beschwerden auf. Personen mit hohen
Blutdruckwerten sollten vorsichtig sein. Auch rheumatische Erkrankungen und
Arthrose machen sich durch eine Verschlimmerungen der Schmerzen in den
Gelenken bemerkbar. Außerdem kommt es vermehrt zu Kopfschmerzen.
Wettervorhersage:
Örtliche Nebelfelder lösen sich auf, gebietsweise kommt die Sonne hervor. Sonst
ziehen meistens dichte Wolkenfelder vorüber, aus denen stellenweise einige
Regentropfen fallen. Später ist es überwiegend trocken und die Sonne findet immer
öfter Wolkenlücken.
Biowetter:
Die Wetterlage schlägt auf die Stimmung. Neben einer erhöhten
Reizbarkeit und
Nervosität muss man heute auch mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit aufgrund
herabgesetzter Konzentration rechnen. Bei Personen mit niedrigem Blutdruck kommt
es vermehrt zu Kopfschmerzen und Schwindel.
(hier irgendwie überlappen lassen?)
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1. ZUSPIELUNG
Ich habs einfach mal irgendwann angefangen zu beobachten. Wieso bin ich heute so
in dieser Stimmung, so launisch, so agressiv und dann hab ich das beobachtet,
dann ändert sich immer dieses Wetter. Dieser Druck, in der Früh bist du dann so
komisch drauf, da bin ich froh, wenn ich niemand seh, und nix zu tun hab und keiner
Fragen stellt (…), wenn mich da alle in Ruhe lassen, ist am besten. Und dann bin ich
froh, wenn sich das dann geändert hat, das ganze …Wetter. Dann bin ich wieder
ganz normal.
SPRECHERIN
Sabine ist 45 Jahre alt und bezeichnet sich selbst als „ziemlich wetterfühlig“. Mit ihren
Beschwerden ist sie nicht allein. Dennoch ist es nicht besonders populär, dem
Wetter die Schuld zu geben, dass man nicht voll einsatzfähig ist oder sich nicht fit
fühlt. Häufig ernten Betroffene dann auch noch zweifelnde Blicke. Ausrede?
Einbildung?
SPRECHER
Im Auftrag der Ludwig-Maximilians-Universität München führte das Institut für
Demoskopie Allensbach 2001 zum ersten Mal eine wissenschaftlich fundierte
repräsentative Umfrage zum Thema Wetterfühligkeit durch. Damals kam heraus:
Mehr als die Hälfte aller Deutschen – genau 54,5% - waren davon überzeugt, dass
das Wetter ihre Wohlbefinden beeinflusst. Jeder fünfte gab sogar „starke
Auswirkungen“ des Wetters auf seine Gesundheit an. Besonders auffällig: Frauen
sind wesentlich wetterfühliger als Männer. Und Menschen über 60 leiden stärker
unter Wettereinflüssen als in jüngeren Jahren.
SPRECHERIN
Berufstätige berichteten von durchschnittlich 10 Tagen im Jahr, in denen sie
aufgrund von Beschwerden, die sie mit dem Wetter in Verbindung brachten, nicht zur
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Arbeit konnten. Hier waren vor allem die 30 bis 41jährigen stark betroffen. Insgesamt
gab immerhin ein Drittel der Menschen, die sich selbst als wetterfühlig bezeichneten,
an, dass sie mindestens an einem Tag im Jahr deshalb ihrer gewohnten Arbeit nicht
nachgehen konnten. Eine kanadische Studie aus dem Jahr 1994 konnte diese
Ergebnisse weitgehend bestätigen.
SPRECHER
Wetterfühligkeit beeinträchtigt aber nicht nur die Betroffenen in ihrer Gesundheit und
Lebensqualität, sondern belastet auch das Gesundheitssystem. Wiederholte
Arztbesuche, Medikamente, physikalische Anwendungen bis hin zu Kuraufenthalten
sind die Folge.
SPRECHERIN
Immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen beweisen: Es gibt tatsächlich einen
direkten Zusammenhang zwischen bestimmten Wetterlagen und körperlichen
Beschwerden. Zu den häufigsten gehören Kopfschmerzen, Schwindel,
Konzentrationsschwäche und innere Unruhe. Außerdem Herz-Kreislaufprobleme und
Gliederschmerzen bis hin zu depressiven Verstimmungen.
SPRECHER
Trotzdem: Das Wetter macht nicht krank - betont Angela Schuh, Professorin für
medizinische Klimatologie in München immer wieder - es sind eher unsere
Lebensumstände:
2. ZUSPIELUNG
Wetterfühligkeit ist eine Art Zivilisationskrankheit, was das Ganze nicht herabstufen
soll, (…) die Leute haben einen Leidensdruck, (…) aber (…) es gibt Studien darüber,
dass z.B. in Kriegszeiten nicht über Wetterfühligkeit (WF) geklagt wird. Sehr alte
Menschen klagen nicht mehr über WF, da sind andere Probleme im Vordergrund.
Zivilisationskrankheit insofern, wenn es uns gut geht, wenn wir Zeit haben, dann
können wir uns auch mit den relativ geringen Beschwerden, Funktionsstörungen, die
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wir haben aufgrund von Wetterfühligkeit, auseinandersetzen. (..) Außerdem ist es so,
(…) dass durch den Aufenthalt in klimatisierten Gebäuden durch ein Einheitsklima,
das wir oft künstlich haben,(…) der Körper die Auseinandersetzung mit dem akuten
Wetter verlernt und deshalb, wenn er dann rauskommt, überfordert ist.“
SPRECHERIN
Hinzu komme, so Angela Schuh, dass sich die meisten Menschen zu wenig
bewegten, was zu einem Trainingsmangel des Körpers und der Gefäße führe. Aber
auch wenn das Wetter uns nicht direkt krank macht, können Wetterreize
Schwachstellen des Körpers angreifen und Krankheitssymptome verstärken. Deshalb
unterscheiden einige Experten auch zwischen „wetterfühligen“ Menschen und
„wetterempfindlichen“. Angela Schuh:
3. ZUSPIELUNG
„Wetterfühlige Menschen haben subjektive Beschwerden. Es ist objektiv nichts an
Krankheitsparametern nachzuweisen. Wetterempfindliche Menschen sind bereits
vorgeschädigt, die haben Krankheiten (…) und die Symptome ihrer Krankheiten
verschlechtern sich. (…) Ganz konkret als Beispiel der Rheumatiker: Die wirklichen
Krankheitsparameter verändern sich durch das Wetter nicht, keine Blutparameter,
(…), Rheumafaktoren, wenn man die misst, die sind nicht beeinflusst, durchs Wetter,
aber die Schmerzen verstärken sich. Das ist diese spitzfindige Unterscheidung, dass
Wetter macht keine Krankheit, es verschlechtert auch keine Krankheit. Aber es
verschlechtert die Symptome der Krankheit. Und die wetterfühligen Menschen, die
mit den Befindlichkeitsstörungen, sind eigentlich gesunde Menschen, die dann
einfach nicht regulieren, die vegetative Funktionsstörungen haben, und deren Körper
sich nicht entsprechend an schnelle Wetterveränderungen anpassen kann.“
SPRECHER
Herzpatienten müssen sich vor allem vor Kälte schützen, Asthmatiker dagegen vor
Sommergewittern. Die großen Tropfen eines starken Regenschauers aktivieren
allergisch wirkende Eiweiße in großen Gräserpollen, die bei trockenem Wetter nicht
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in die Lunge gelangen. Menschen, deren vegetatives Nervensystem ohnehin schon
durch Krankheiten oder ungesunden Lebenswandel vorbelastet sind, können also
zusätzlichen Wetterstress nicht mehr wegstecken. Aber auf welche Weise beeinflusst
das Wetter denn überhaupt unseren Köper?
Hier evtl. Sturmgeräusche
SPRECHERIN
Wenn es stürmt, schneit, die Temperatur fällt oder der Luftdruck steigt, dann werden
diese Wetterreize genau wie andere Sinnesreize durch Rezeptoren des Körpers und
der Haut registriert und dem Gehirn mithilfe einer so genannten Reizweiterleitung
gemeldet. Im Hypothalamus und in der Hirnanhangdrüse werden Hormone
ausgeschüttet. Hormon- und Nervensystem werden beauftragt, Körpertemperatur,
Blutdruck und alle Stoffwechselfunktionen so zu regulieren, dass alle
Körperfunktionen konstant bleiben. Solange der Körper bei veränderten
Wetterbedingungen mit Frieren oder Schwitzen reagiert, sprechen MedizinMeteorologen von einer „normalen Wetterreaktion“ – die Körpertemperatur wird
durch Verdunstungskälte oder Zittern leicht korrigiert.
SPRECHER
Wenn aber die Reize zu stark für den Organismus sind, werden Stresshormone
ausgeschüttet. Dann kommt das Thermoregulations-system aus dem Gleichgewicht.
Die Reizschwellen hierfür sind allerdings von Mensch zu Mensch verschieden.
Deshalb wird angenommen, dass wetterfühlige Menschen eine niedrige
Reizschwelle haben und der Körper deswegen schon auf geringe Wetterreize heftig
reagiert, während weniger empfindliche Menschen bei gleichen Gegebenheiten
überhaupt nichts spüren.
Dass Frauen häufiger und stärker auf das Wetter reagieren, hat wohl mit ihrem
wesentlich komplizierteren Hormonhaushalt zu tun.
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SPRECHERIN
Dr. Eva Wanka, Diplom-Meteorologin am Institut für Arbeitsmedizin an der LudwigMaximilians-Universität in München wollte es genau wissen: Welche Wetterreize
werden von Menschen, die sich selbst als wetterfühlig bezeichnen, besonders stark
wahrgenommen? In einer wissenschaftlichen Studie stattete sie gemeinsam mit
Kollegen wetterfühlige Probanden, die häufig über Kopfschmerzen, Migräne,
Phantom- und Narbenschmerzen klagten, mit einem Wettertagebuch aus. Jede
gesundheitliche Veränderung sollte dort auf einer Skala von eins bis zehn
festgehalten werden. Wann traten die Schmerzen auf? Wie lange dauerten sie an?
Veränderte sich die Intensität? Im gleichen Zeitraum wurden alle Wetterdaten des
Deutschen Wetterdienstes registriert. Zusätzlich wurden mit einem extrem hoch
auflösenden Barometer noch feinste Luftdruckschwankungen gemessen.
4. ZUSPIELUNG
(…) Wir haben das in den Computer eingegeben und verglichen mit Wetterdaten
unterschiedlichster Art, Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit,
Windgeschwindigkeiten und haben dann geguckt: gibt es Zusammenhänge zwischen
der Häufigkeit der Schmerzen und verschiedenen Wettersituationen?
SPRECHER
Die gab es ohne Zweifel: Die Übereinstimmung der meteorologischen Daten des
Deutschen Wetterdienstes mit den Angaben der Studienteilnehmer war sogar weit
größer als erwartet. Nach einem Wetterfühligkeitsindex, den die Forscher zuvor
entwickelt hatten, reagierten mehr als zwei Drittel der Testpersonen nachweislich auf
bestimmte Wetterveränderungen und Luftdruckwechsel - sie waren also eindeutig
wetterfühlig. Mehr noch – zur Überraschung der Wissenschaftler - konnte sich auch
eine so genannte „Vorfühligkeit“ bestätigen. Manche Menschen waren tatsächlich in
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der Lage, Wetterumschwünge so frühzeitig und so zuverlässig vorauszusagen wie
Hightech-Barometer oder die guten alten Wetterfrösche.
Meteorologin Dr. Eva Wanka:
5. ZUSPIELUNG
(…) Also wir haben ganz ganz feine Luftdruckschwankungen untersucht, nicht nur
die (..) von Hoch/Tiefdruckgebieten, sondern auch die feinen
Luftdruckveränderungen, (…) und haben feststellen können, dass diese (…) der
wirklich sichtbaren Wetteränderung voraus gehen. (…) Es ist möglich, dass diese
Patienten, die so genannten Vorfühligen, einfach empfindsamer für diese
Luftdruckschwankungen sind und dadurch die Beschwerden ausgelöst werden, eben
ein, zwei Tage vorher (…) je nach dem wie empfindlich der Mensch ist. (…) Man geht
davon aus, dass diese niederfrequenten Luftdruckschwankungen auf die
Barorezeptoren gehen und die befinden sich in der Hauptschlagader am Hals und im
Aortenbogen, der direkt aus dem Herzen entspringt und normalerweise sind die
Barorezeptoren dafür verantwortlich unseren Blutdruck und unsere Herzfrequenz zu
regeln: Und wenn von außen eine Störung kommt,(…) dann kann es sein, dass der
Körper einfach nicht mehr genau weiß, wie er regulieren soll und dadurch die
Missempfindungen z.B. Kopfschmerzen oder Schlappheit, Müdigkeit auftreten.“
SPRECHER
Dass das Wetter an den „Barorezeptoren“, also an speziellen Sensoren auf der Haut,
greift, gilt momentan als plausibelste These, ist aber nicht unumstritten. Und auch für
die „niederfrequenten Luftdruck-schwankungen“ - Schwingungen des Luftdrucks, die
so minimal und schnell vor sich gehen, dass man sie auf einem herkömmlichen
Barometer nicht sieht - fehlen noch eindeutige wissenschaftliche Beweise. Dazu
müssten diese Luftdruckschwankungen in einer speziell dafür gebauten
Druckkammer künstlich erzeugt werden. Erst wenn es dort unter objektiven
Versuchsbedingungen gelänge, Symptome wie Kopf – oder Narbenschmerzen bei
wetterfühligen Patienten auszulösen, erst dann wäre der Einfluss niederfrequenter
Luftdruckschwankungen auf die besagten Barorezeptoren wirklich bewiesen.
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SPRECHERIN
Angela Schuh, Autorin des Buches „Biowetter“ – Wie das Wetter unsere Gesundheit
beeinflusst“ und Professorin am Institut für Gesundheits- und
Rehabilitationswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München bleibt
skeptisch. Sie betont, dass es vor allem die thermischen Einflüsse wie Wärme, Kälte
und Temperatursprünge – eben rasche Veränderungen des Wärme-Kältemilieus seien, die den größten Einfluss auf die Wetterfühligkeit haben. Der thermische
Komplex aus Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit spielt ihrer Meinung nach die
wichtigste Rolle, wenn sich Hochdruck- und Tiefdruckgebiete austauschen. Wenn
Wetterfühlige also glauben, der Druck im Kopf habe allein etwas mit dem Luftdruck
zu tun, dann stimmt das so nicht unbedingt:
6. ZUSPIELUNG
Auch der Luftdruck wurde sehr häufig verdächtigt, da eine Rolle zu spielen bei der
WF, aber man konnte auch da nichts feststellen. Die Luftdruckveränderungen, die
Sie haben zwischen einem Hoch und Tiefdruckgebiet, also bei einem sehr starken
Wetterwechsel, entsprechen den Veränderungen, die Sie erleben, wenn Sie mit
einem Lift in ein Hochhaus in den 10. Stock hinauffahren und zumindest ist noch
nicht untersucht, dass es da Symptome der WF gibt. Also muss man auch da sagen,
Luftdruck kommt auch nicht in Frage, die thermischen Bedingungen sind ganz im
Vordergrund!
SPRECHER
Trotzdem gibt es Forschungsansätze, die sich weiter mit rein atmosphärischen
Phänomenen auseinandersetzen. Immer wieder in der wissenschaftlichen
Diskussion: SFERICS – schwache elektromagnetische Wellen, die durch Blitze
entstehen, aber auch bei kleineren elektrischen Entladungen zwischen
unterschiedlichen Wolkenschichten. Sie erreichen Lichtgeschwindigkeiten und haben
Reichweiten von über 100 Kilometern. Meteorologin Dr. Eva Wanka:
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7. ZUSPIELUNG
(…) Auch diese Sferics breiten sich schneller aus als eine sichtbare Wetteränderung,
also wenn ein Gewitter noch ganz weit weg ist und wir das noch nicht sehen können
oder nicht hören – können diese Sferics in der Atmosphäre schon gehäuft auftreten
in bestimmten Frequenzbereichen und die Hypothese geht dahin, dass es
elektromagnetische Wellen sind und dass die von Nerven, bzw. Nervenendigungen
wahrgenommen und weiter verarbeitet werden.“
SPRECHER
Einem Forscherteam der Universität Gießen gelang es in einer Untersuchung mit
künstlich erzeugten Sferics zwar bei Patienten Veränderungen der Hirnströme
hervorzurufen, aber keine Symptome.
SPRECHERIN
Auch der Deutsche Wetterdienst in Freiburg beschäftigt sich mit den Einflüssen des
Wetters auf die Gesundheit des Menschen. Medizinmeteorologe Dr. Klaus Bucher ist
dort verantwortlich für die Biowettervorhersage. Er kennt die Diskussionen um Sferics
und niederfrequente Luftdruckschwingungen, hat aber noch eine andere Erklärung,
warum manche Menschen Wetterwechsel quasi „erspüren“ können:
8. ZUSPIELUNG
Ich denke an die Annäherung einer Warmfront an der Vorderseite eines Tiefs. (…)
Es kommt zu einer gewissen Änderung der Strahlungsbilanz (…) der Laie erkennt
das aber noch nicht, (…) er spürt aber eben schon die Zunahme der Luftfeuchtigkeit
und denkt er ist „wettervorfühlig“, aber im Grunde ist er nicht „wettervorfühlig“,
sondern reagiert bereits auf Wetteränderungen, die sich am Boden bemerkbar
machen, aber am Boden nicht erkannt werden.“
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SPRECHER
Die Berechnung des Biowetters gehört für den Deutschen Wetterdienst schon sehr
lange zur meteorologischen Grundversorgung. Gemeinsam mit anderen
Meteorologen hat Klaus Bucher ein statistisches Rechenmodell entwickelt, das fünf
objektive Wetterklassen umfasst. Diesen Klassen lassen sich bestimmte
Wetterfühligkeitssymptome zuordnen, die bei speziellen Wetterlagen signifikant
gehäuft auftreten. Modernste Wetterforschung wird hier vernetzt mit Erkenntnissen
aus allen wichtigen internationalen Untersuchungen der letzten 20 Jahre zum Thema
Wetterfühligkeit.
SPRECHERIN
Die Biowettervorhersagen, die mittlerweile in jeder Zeitung zu finden sind, werden
allerdings meist von privaten, nicht immer unumstrittenen Anbietern erstellt und
deshalb von Experten wie Klaus Bucher, skeptisch beäugt. Denn, so sagt er:
verallgemeinern kann gefährlich sein. Seriöse, vorsichtige Formulierungen sind
wichtig, um niemanden unnötig zu beunruhigen. Denn nicht jeder Wetterfühlige oder
durch Krankheiten vorbelastete Mensch reagiert auf die gleiche Wettersituation.
Hier evtl. Atmo zum Wetterwechsel oder Musikakzent?
SPRECHER
Es sind besonders die Wetterwechsel, die vom menschlichen Organismus eine hohe
Anpassung fordern. Und alles rund um herannahende- und abziehende
Tiefdruckgebiete macht Wetterfühligen besonders zu schaffen. Beispielsweise, wenn
ein herannahendes Tief mit Warmluft das herrschende Hoch ablöst, der Luftdruck
fällt und die Luftfeuchtigkeit zunimmt. Meteorologen sprechen hier von der
„Tiefvorderseite“, der problematischsten Wetterlage für Migränepatienten. Diese
Wetterlage belastet vor allem Menschen mit niedrigem Blutdruck. Sie können sich
schlechter konzentrieren, sind unruhig und nervös. Naht dagegen eine Kaltfront, bei
der die Temperaturen sinken, der Luftdruck steigt und Regen fällt, bekommen das
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eher Menschen mit hohem Blutdruck zu spüren. Die Gefäße verengen sich, der
Bluthochdruck steigt und Herz-Kreislauf-beschwerden nehmen zu.
Atmo beschwertes Atmen? Herzgeräusche?
SPRECHER
Am erfreulichsten für alle wettersensiblen Gemüter ist die stabile Hochdrucklage, die
sogar nachweislich einen positiven und stabilisierenden Einfluss auf das
Wohlbefinden hat. Aber wenn besonders schönes Wetter ist und der Himmel tiefblau,
lauert vor allem im Voralpenland ein für viele Menschen höchst problematisches
Phänomen – der Föhn.
Ein südlicher, oft stürmischer Fallwind – warm und mit geringer Luftfeuchte.
Wellenartige Strömungen entstehen, wenn der Föhn sein Hindernis - die Berge überwindet. Dabei kommen auch hier, wie bei Wetterwechsel, wieder
niederfrequente Luftdruckschwankungen ins Spiel, die die Atmosphäre bis in
Bodennähe zum Schwingen bringen. Kopfschmerzen, Migräne und vor allem
psychische Beschwerden, wie Aggression, große Ungeduld und Depressionen sind
die Folge. Dr. Eva Wanka vom Institut für Arbeits- und Umweltmedizin in München:
10. ZUSPIELUNG
Wir haben festgestellt das dabei Föhn ganz speziell,
wenn der Luftdruck rasch angestiegen ist, dass dann mehr Personen versucht haben
sich umzubringen oder in psychiatrische Kliniken eingewiesen wurden und zwar um
bis zu 20% mehr.
SPRECHER
Die Diplom-Meteorologin erforschte parallel zu ihrer Studie an wetterfühligen
Patienten ein Jahr lang die Auswirkungen des Wetters auf Verkehrs-, Arbeits- und
Haushaltsunfälle, Selbstmorde und Gewalttaten in München und Umgebung. Die
Ergebnisse waren verblüffend:
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11. ZUSPIELUNG
Also das Ergebnis war in der Tat für uns überraschend, dass bei Föhn in München
und Umgebung weniger Verkehrsunfälle stattgefunden haben. ne mögliche Erklärung
ist, bei Föhn ist generell schönes Wetter, warme Temperaturen sind, das die
Menschen eher am See oder an der Isar gelegen sind und dadurch nicht mehr auf
der Straße waren, um mögliche Verkehrsunfälle zu verursachen. Das könnte eine
Erklärung sein.
SPRECHERIN
... aber keine wissenschaftlich abgesicherte.
Fakt ist: Die Auswertung der täglichen Einsatzdaten von Polizei und
Rettungsdiensten ergab tatsächlich: bei Föhn krachte es auf Münchens Straßen nur
120 Mal, wo es sonst durchschnittlich zu 130 Unfällen kam. Und sogar die Zahl der
Rettungseinsätze, bei denen Drogen und Alkohol im Spiel waren, sank um ein Drittel.
Dass bei Föhn viele Menschen ungeduldig werden, Hupen und Streiten, muss also
nicht bedeuten, dass sie schlechter Autofahren und riskanter leben.
SPRECHER
Wirklich in Acht nehmen muss sich der Mensch hingegen bei Hitze: Die
Reaktionszeit verlängert sich, Sehschärfe und Kontrastwahrnehmung nehmen ab.
Dementsprechend steigt auch die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr um 17 Prozent.
Vor allem Haushalts- und Arbeitsunfälle nehmen zu, an heißen Nachmittagen sogar
fast um die Hälfte. Besorgniserregend sind auch die Zahlen zu Gewaltdelikten. Eine
Steigerung von bis zu 75% stellte Eva Wanka nach ihren Auswertungen fest:
12, ZUSPIELUNG
(…) es kam wirklich in einem Jahr zu mehr Gewalttaten, und da spielten
verschiedene Faktoren mit rein, einfache Schlägereien im Biergarten, aber auch
Schussverletzungen zählten dazu oder Messerstechereien, die Verletzungen
verursacht haben.
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SPRECHER
Hitze, und da sind sich alle Experten einig, ist für den Organismus am schwersten zu
verkraften und belastet nicht nur wetterfühlige Menschen – diese aber besonders.
Musikakzent zum Abschluß
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