Chancen bei Aktien überwiegen

Helaba Volkswirtschaft/Research
VERTRAU(D)LICH
8. Februar 2016
Chancen bei Aktien überwiegen
AUTOR
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirt/
Leitung Research
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Der Jahresauftakt war wenig erfreulich. Die Aktienmärkte kamen weltweit unter Druck, der DAX
verlor allein im ersten Monat fast neun Prozent. Jedoch nicht nur Aktien zeigten Schwäche, sondern auch Rohstoffe. Besonders ausgeprägt war der Rückgang beim Rohöl. Der Barrel-Preis der
Sorte Brent fiel unter die 30 Dollar-Schwelle. Zuletzt notierte er Anfang 2004 auf diesem Niveau.
Schwellenländer, deren Exporte größtenteils auf Rohstoffen basieren, gerieten weiter unter Druck.
Die ungelöste Flüchtlingsfrage, das Damoklesschwert „Brexit“ sowie der Abwertungsdruck auf die
chinesische Währung – ausgelöst durch Kapitalabflüsse – belasteten darüber hinaus die Märkte.
Angst vor einer weltweiten Rezession machte sich breit.
Wie wahrscheinlich ist das bzw. haben die Risiken in den letzten Wochen tatsächlich zugenommen? Zweifelsohne gibt es in diesem Jahr zahlreiche Belastungsfaktoren. Wirklich neu sind die
meisten allerdings nicht. Vielmehr werden aktuell alle positiven Faktoren ausgeblendet. Dies gilt
insbesondere für den starken Rückgang des Rohölpreises. Seit Mitte 2014 hat er in der Spitze 75
Prozent eingebüßt. Wesentlich hierfür ist aber nicht eine Nachfrageschwäche, sondern vielmehr
eine starke Ausweitung der Produktion, sowohl in den USA mittels Fracking aber auch in anderen
Staaten wie Irak. Das Ende der Sanktionen gegenüber dem Iran und die Dollar-Stärke beschleunigten den Preisverfall. Inzwischen hat der Bärenmarkt bei Rohstoffen wohl die Ausverkaufsphase
vollzogen. So ist auch bei der Mehrheit der Finanzinvestoren eine Kapitulation zu beobachten.
Notierungen von 20 bis 30 US-Dollar je Barrel bei Brent-Rohöl antizipierten nicht nur ein zu hohes
Angebot, sondern auch ein Krisenszenario mit Rezession in den Industrieländern. Letzteres halten
wir aber nicht für sehr wahrscheinlich. Gerade die Industrieländer sind aufgrund ihrer Position als
Nettoimporteur von Rohstoffen Profiteure der niedrigen Energiepreise. Auch in der Vergangenheit
führten Phasen strukturell niedrigerer Ölpreise aufgrund von Einkommens- und Vermögenseffekten zu einem deutlichen Wachstumsschub in diesen Ländern. Da diese positiven Effekte üblicherweise eher zeitverzögert richtig zu Buche schlagen, überrascht es nicht, dass derzeit nur die negativen Begleiterscheinungen in den rohstoffexportierenden Ländern im Vordergrund stehen und zur
Verunsicherung an den Finanzmärkten beitragen.
Die Nervosität der Anleger zeigt sich auch beim DAX. Dazu trägt die alte Börsenregel „Wie der
Januar, so das ganze Jahr“ bei. Einer empirischen Überprüfung hält diese „Regel“ aber nicht
Stand. Die Statistik zeigt vielmehr, dass in den vergangenen 50 Jahren bei einer negativen Januarperformance nur in 38 Prozent der Fälle das Gesamtjahr mit einem Verlust bei deutschen Aktien
einherging. Derart einfache Faustformeln helfen also nicht wirklich weiter, sondern verführen mitunter zu falschen Schlussfolgerungen. Entscheidend für die weitere Aktienmarktentwicklung ist
vielmehr die Frage, ob die derzeit vorherrschenden Wachstumsängste gerechtfertigt sind und
tatsächlich eine Rezession bevorsteht. Nur dann wären dauerhaft niedrigere Notierungen gerechtfertigt.
Seit April 2015 befindet sich der DAX im Abwärtstrend und hat mit einem Rückgang von über 20
Prozent die Bärenmarktschwelle überschritten. In Bärenmärkten, in denen es nicht zu einer Rezession kam (1987, 1998 und 2011), fiel der Rückgang beim DAX mit im Durchschnitt 37 % zwar
auch deutlich aus, allerdings wurde der Boden wesentlich schneller erreicht.
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Unter der Annahme, dass der starke Rückgang des Rohölpreises nicht wachstumsbremsend,
sondern vielmehr wie ein Konjunkturprogramm in den Industrieländern wirkt, müsste es im Laufe
dieses Jahres wieder zu einer starken Erholung an den Aktienmärkten kommen. Allerdings sind
bislang noch nicht alle Bedingungen für ein Ende eines Bärenmarktes erfüllt: So ist gemessen an
den Sentiment-Indikatoren noch keine Kapitulation zu beobachten. Mit Blick auf die Fundamentaldaten lässt sich feststellen, dass die Märkte zwar günstiger, aber noch nicht unterbewertet sind.
Letztendlich braucht es neben einer ausreichenden Liquidität auch noch eine Verbesserung der
Wachstumsperspektiven.
Auch unter der Annahme, dass die Industrieländer nicht in eine Rezession fallen, könnten die
Aktienmärkte kurzfristig noch nach unten übertreiben. Bei Notierungen unter 9.000 Indexpunkten
sehen wir den DAX als unterbewertet an. Entsprechend empfiehlt es sich, die gegenwärtige
Schwächephase zu nutzen, um Positionen bei Aktien aufzubauen. Denn die Wahrscheinlichkeit ist
hoch, dass der DAX Ende des Jahres um die 12.000 Punkte notiert.
Beitrag erschienen in „Die Welt“, 6. Februar 2016 
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