Tanz den Adolf Hitler - Bayerischer Rundfunk

Manuskript
radioWissen
SENDUNG: 07.08.2015
09.30 Uhr / B 2
AUFNAHME:
STUDIO:
RADIOWISSEN AM FREITAG
TITEL:
„Tanz den Adolf Hitler“ - Musik als Propagandamittel der Neonazis
AUTOR:
Thies Marsen
REDAKTION:
Nicole Ruchlak
PRODUKTION:
Martin Trauner
TECHNIK:
Susanne Harasim
PERSONEN:
Sprecher: Detlef Kügow
Musik, Atmo
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Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2015
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent
pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de
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MUSIK CD 44738#1
Richard Strauss „Also sprach Zarathustra“
(Anm.: mit Nebengeräuschen, vielleicht besser Studioaufnahme spielen???)
- darüber:
SPR
Oktober 2004 in der kleinen thüringischen Stadt Leinfelde, Bundesparteitag der NPD. Die
Spitzen der Partei marschieren in die städtische Turnhalle ein – zu den Klängen von
Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“.
ZSP MUSIK – hoch
NPD-Einmarsch Parteitag Leinefeld
Richard Strauss „Also sprach Zarathustra“
- darüber:
SPR
Dramatisch, mächtig, kraftvoll – auch ein wenig unheimlich und bedrohlich – so will die
neonazistische Partei erscheinen, und um diesen Eindruck zu erzeugen, kommt ihnen die
Musik von Richard Strauss gerade recht. Strauss, ein Komponist, der einst mit den
historischen Nationalsozialisten paktierte, ist auch bei den heutigen Nazis beliebt, ebenso
wie der Antisemit Richard Wagner. Das liegt nicht nur an ideologischen Gemeinsamkeiten,
sagt die Münchner Musikpädagogin Diemut Köhler.
ZSP Diemut Köhler 11
Dann ist es einfach eine Musik, die ganz stark ans Gefühl geht und die auch schon durch
diesen großen Orchesterapparat einfach unglaublich mächtig ist mit den vielen
Blechblasinstrumenten. Hitler hat es geliebt, Wagner zu hören, Hitler hat es geliebt nach
Bayreuth zu fahren und so hat man also die Wagner-Opern auch wirklich ganz, ganz stark
benützt, und um mit Musik zu manipulieren, ist es sicher auch eine genial gewählte Musik.
SPR
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In Sachen Manipulation sind die Nationalsozialisten höchst modern. Sie bauen einen
professionellen Propaganda-Apparat auf, erforschen wissenschaftlich, wie man Menschen
am besten beeinflusst, setzen auf neue Techniken wie das Radio und perfektionieren
nicht nur die visuelle Manipulation etwa durch Plakate, sondern auch die akustische.
ZSP Diemut Köhler 02 – 15''
Man hat sehr viel über den Volksempfänger ausgestrahlt. Bei Aufmärschen, irgendwelchen
Versammlungen, irgendwelchen Festen hat man sehr viel Musik gemacht und man hat
damit immer versucht, also vor allem durch das Singen, das Gemeinschaftsgefühl der
Leute zu stärken.
ZSP Diemut Köhler 01
Da muss man vielleicht mal überlegen, warum Musik für so was gerade gut geeignet ist
und zwar ist es so, dass der Gehörsinn und der Riechsinn ganz stark ans Kleinhirn
gebunden sind, so das wir instinktiv reagieren. Kennen wir alle, wir hören irgendeinen
Marsch, wir gehen automatisch so und es ist total schwierig, die Füße dagegen zu setzen,
also das ist so was, was sich automatisch einstellt und das haben die Nazis sehr gut
erkannt und so haben sie sehr stark die Musik mit reingezogen, um damit eine Wirkung zu
erzielen, die sie erreichen wollten.
ZSP MUSIK
Horst-Wessel-Lied - darüber:
SPR
Bestes Beispiel: Das Horst-Wessel-Lied, geschrieben von und benannt nach dem 1930
erschossenen SA-Mann Horst Wessel. Das Lied ist die Parteihymne der NSDAP und nach
der Machtübernahme der Nazis wird es die inoffizielle Nationalhymne Deutschlands.
ZSP Diemut Köhler 04
Man hat eine Melodie genommen, die es also schon vorher gab. Die ist sehr eingängig,
4/4-Takt, auftaktig, schöner Marschrythmus, kann man von der Melodieführung wunderbar
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mit Terz- oder Sextparallelen begleiten, was sehr ans Gemüt geht, was sehr innig ist.
Zugleich kann man die Beine wieder mit recht-links-rechts-links im 4/4-Takt werfen und
mitmarschieren. Und diese sehr eingängige Melodie, die haben sich also die
Nationalsozialisten gewählt und haben da drunter den Text von Horst Wessel gesetzt, also
„Die Fahnen hoch“ usw.
ZSP MUSIK - hoch
Horst-Wessel-Lied
- darüber
ZSP Diemut Köhler 03
So Leute im Alter unserer Eltern, Großeltern, die die Zeit erlebt haben, die sagen immer,
sie haben das damals auch oft gerne gesungen, weil sie sich gar nicht groß Gedanken
gemacht haben, was da dahinter steckt. Der Horst Wessel, der hat ihnen Leid getan, weil
er ums Leben gekommen ist und dann haben sie das halt mitgesungen.
SPR
Nach 1945 erlassen die Alliierten ein Verbot des Horst-Wessel-Liedes, es gilt bis heute –
es ist sogar illegal, öffentlich die Melodie zu spielen. Dennoch erklingt das Horst-WesselLied seither immer mal wieder: Früher auch schon mal gespielt bei Bundeswehr-Feiern
und gesungen von betrunkenen Staatsanwälten, immer noch abgespielt bei Neonazifeiern.
Dieses Musikstück dagegen ist nicht verboten:
ZSP MUSIK CD58311#4
Badenweiler-Marsch (aus dem BR-Archiv)
- darüber
SPR
Der Badonviller-Marsch, den die Nazis eindeutschten in „Badenweiler-Marsch“. Hitlers
Lieblingsmarsch, der regelmäßig bei seinen Auftritten gespielt wurde.
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Das Stück wurde zwar vor der NS-Zeit geschrieben, doch es ist sozusagen kontaminiert.
Ein Volksmusikant spricht aus Erfahrung.
ZSP 01 (Anm.: will nicht namentlich genannt werden)
Also ich habe das öfter erlebt mit der Blasmusik im Festzelt, wenn der Pegel
dementsprechend hoch war, also wenn die Leute viel getrunken haben, dann kamen
welche und haben sich den Badenweiler-Marsch gewünscht und wenn die Musikkapelle
diesen Badenweiler-Marsch dann angestimmt hat, dann sind tischeweise die Leute
aufgestanden und haben diesen sogenannten Hitlergruß gemacht und ich habe mich
irgendwann geweigert diesen Badenweiler mitzuspielen.
SPR
Viele Blasmusiker aber spielen ihn weiterhin - obwohl der Badenweiler Marsch für Adolf
Hitler steht – oder vielleicht gerade weil?
ZSP 02
Ja, es gibt die Blasmusiker, die sagen: Das ist ja so ein toller Marsch, der ist gigantisch. Er
ist sehr martialisch, das gefällt ihnen scheinbar, aber das ist kein Argument, dass der
musikalisch besonders hochwertig wäre. Und er wird bis heute deswegen gewünscht und
auch gespielt.
ZSP MUSIK – hoch (auf Schlussakkord schneiden)
Badenweiler-Marsch
SPR
Militarismus, Aggression, Gehorsam, Gleichschritt, Disziplin, Volksgemeinschaft – die
Ideologie der Nazis spiegelt sich in der Musik des sogenannten Dritten Reiches. Und was
vor 1945 in Deutschland beliebt gewesen ist - vom Schlager über Strauss und Wagner bis
zu Marschmusik und Volksliedern – bleibt es bei nicht wenigen auch nach der Befreiung.
Jazz und Rock’n’Roll gelten als undeutsch, werden als „Negermusik“ diffamiert.
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In der organisierten extremen Rechten, etwa in der 1964 gegründeten NPD, geben alte
NSDAP-Parteigenossen den Ton an - und damit die Musik. Für diese Generation ist es
ausgeschlossen, dass sich nationalsozialistische Ideologie und Rockmusik vereinbaren
lassen. Doch das ändert sich Anfang der 80er Jahre. Und der Anstoß dazu kommt, wie so
oft in der Populär-Musik, aus England. Dort ist kurz zuvor eine neue, im Wortsinne
unerhörte Musikrichtung entstanden:
ZSP MUSIK C118760#10
Sex Pistols: Anarchy in the UK
(bei der Textzeile: “don’t know, what I want, but I know how to get it, I wanna destroy….”)
- danach darüber
SPR
„Ich weiß nicht was ich will, aber ich weiß wie ich es bekomme, ich will zerstören“ singt die
Punkrockband „Sex Pistols“ 1976. Heute gilt Punk gemeinhin als links, doch in ihren
Anfängen ist die Jugendbewegung politisch ziemlich indifferent. Gemeinsamer Nenner ist
das Dagegen-Sein. Der Sex Pistols-Bassist Sid Vicious etwa posiert mit Hakenkreuz-TShirt, was im einst von den Nazis bombardierten England weniger ein politisches
Statement ist, sondern vor allem eine Provokation. Doch schon bald versuchen
organisierte Neonazis gezielt die Anti-Haltung der Punks zu kanalisieren, allen voran die
britische Neonazipartei National Front, sagt Martin Langebach, Herausgeber des
Standardwerks „Rechtsrock“:
ZSP Martin Langebach 04 – 32’’
Gerade wenn man sich die Lebenserinnerungen von frühen Punkmusikern anschaut, egal
ob in England oder Deutschland, fällt auf, dass die politische Einschätzung der Leute oder
politische Positionen zum Teil sehr diffus waren. Und genau in diese Diffusität stach
damals auch die National Front hinein als sie versucht hat auf Punkkonzerten mit einfach
Parolen Jugendliche anzusprechen, für sich zu gewinnen und gerade diese
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nichtgefestigten Jugendlichen, die gelang es anzusprechen und dazu gehörte eben auch
Ian Stuart Donaldson.
SPR
Ian Stuart Donaldson ist sozusagen der Urvater des Rechtsrock. Mit 18 besucht er ein
Konzert der Sex Pistols, gründet daraufhin die Punk Band „Screwdriver“, drei Jahre
später, 1979, tritt er in die National Front ein:
ZSP Martin Langebach 05
Der Sänger wird Mitglied der Partei und auf der textlichen Ebene verändert sich das
plötzlich – musikalisch bleibt es das Gleiche, Punk, Street-Punk, aber auf einer textlichen
Ebene fängt er an, das umzusetzen, was er bei der Partei gehört hat.
ZSP MUSIK
Screwdriver: White Power (Refrain)
- darüber:
SPR
White Power – weiße Macht, singt Ian Stuart Donaldson nun, und hetzt damit offen gegen
nichtweiße Einwanderer. Nicht nur die Texte von Screwdriver ändern sich, sondern auch
das Aussehen: Nun tragen die einstigen Punks hohe Schnürstiefel, hochgekrempelte
Jeans, Hosenträger und kurz geschorene Haare – Screwdriver werden Skinheads. Die
Skinheads sind eine Jugendbewegung aus der britischen Arbeiterklasse, die schon in den
60er Jahren entstanden ist. Sie geben sich proletarisch und kultivieren die Gewalt – bei
Fußballspielen etwa, aber bald auch gegen asiatische Einwanderer. Zwar gibt es bis heute
unpolitische, ja sogar linke Skindheads, doch in den Medien und schließlich auch in der
Szene selbst dominiert bald der extrem rechte Flügel, der vor allem durch rassistische
Übergriffe auf sich aufmerksam macht. Dabei ist die Skinhead-Musik ursprünglich
schwarz.
ZSP Michael Weiß 12
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Es gab auch in den 70er Jahren schon eine extrem rechte Skinheadszene in England, die
damals mit der Musikform wie Reggae und Ska verhaftet waren, die dann im Punk ihre
Musik erkannt haben, endlich eine europäische Musik, endlich müssen wir nicht mehr
diese in Anführungsstrichen Negermusik hören und damit fing das eigentlich alles an.
SPR
Sagt Michael Weiß, Musikexperte beim antifaschistischen Bildungszentrum apabiz in
Berlin. Die Nazi-Skins ignorieren dabei, dass auch der Punk, wie jede Form der
Rockmusik, seine Wurzeln im schwarzen Blues hat:
ZSP Michael Weiß
SPR
Doch so ganz lassen sich die offenkundigen Widersprüche nicht auflösen - zwischen der
Skinhead-Subkultur, wo es vor allem um Alkoholkonsum und Gewaltexzesse geht, und der
organisierten Neonaziszene, in der ideologische Schulung und Parteidisziplin im
Vordergrund stehen. Das zeigt sich auch am Beispiel des Screwdriver-Sängers Ian Stuart
Donaldson. 1987 tritt er aus der National Front aus und gründet seine eigene
Organisation: “Blood & Honour” – Blut und Ehre – ein neonazistisches Musik-Netzwerk
von der Szene für die Szene. Und mit einem bewaffneten Arm: “Combat 18”– die Zahl 18
steht für Adolf Hitler. Neonazis aus dem Umfeld von Combat 18 verüben Morde und
Anschläge – darunter Briefbomben gegen farbige Sportler und Nagelbombenattentate auf
Migrantenviertel und Schwulenbars in London Ende der 90er Jahre. In zahlreichen
Ländern gründen sich “Blood & Honour”-Sektionen – auch in Deutschland, wo die
Organisation zwar im Jahr 2000 verboten wird, aber nach wie vor aktiv ist. Ohne Blood
and Honour hätte es vermutlich auch die Terrorgruppe NSU nicht gegeben. Als die drei
Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe 1998 vor der Polizei flüchten,
werden sie von dem Netzwerk jahrelang unterstützt - Blood and Honour-Aktivisten
besorgen den angehenden Terroristen konspirative Wohnungen, versuchen Waffen zu
besorgen und sammeln bei Neonazikonzerten Geld für die Untergetauchten.
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ZSP MUSIK (7'' bis Wortbeginn drunter legen, dann freistehend bis Refrain:
Deutschland, Deutschland - Vaterland)
Böhse Onkelz: Deutschland
- darüber
SPR
Das Lied “Deutschland” der Böhsen Onkelz, veröffentlicht 1984 auf dem Album “Der nette
Mann”. Wegen nationalsozialistischer Tendenzen und Gewaltverherrlichung wird die Platte
indiziert und schließlich sogar beschlagnahmt – der erste derartige Fall in der
bundesdeutschen Geschichte. Und bei weitem nicht der letzte. Inzwischen werden jährlich
weit über 100 Neonazi-Veröffentlichungen indiziert. Die Böhsen Onkelz sind so etwas, wie
die deutschen Screwdriver, sagt der Rechtsrock-Experte Martin Langebach.
ZSP Martin Langebach 07
Sie galten zumindest in der ersten Hälfte der 80er Jahre als Deutschlands Antwort auf
Screwdriver. Und das kann man auch daran nochmal sehen, dass sie auf dem gleichen
Plattenlabel damals waren wie Screwdriver.
ZSP MUSIK- hoch
Böhse Onkelz: Deutschland
- darüber
SPR
In Großbritannien wird der Nazirock von der extrem rechten Partei National Front
angestoßen, die gezielt in der Punkszene agitiert. In Deutschland dagegen formiert sich
der Rechtsrock dank des britischen Vorbilds zunächst unabhängig von den organisierten
Neonazis.
ZSP Martin Langebach 09
Die schon in den 60er Jahren gegründete NPD hat lange gebraucht, die Skinheads in den
eigenen Reihen zu akzeptieren. Anders bspw. jüngere Parteigründungen, wie die später
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verbotene Nationalistische Front, die sich sehr, sehr früh für Skinheads geöffnet hat oder
die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei, auch später verboten, die sehr früh begann, in
der zweiten Hälfte der 80er Jahre auch Skinheads aufzunehmen. Und natürlich ist das die
große Diskrepanz: Wie geht man mit diesen Jugendlichen, diesen jungen Erwachsenen
um, die so undiszipliniert, so asozial sich verhalten haben, und eben nicht dem
entsprachen, was man unter einem deutschen Nationalisten, einem aufrechten Nationalen
gerne verstanden wissen wollte.
SPR
Inzwischen gibt es keine Berührungsängste mehr. Ganz im Gegenteil: Seit den 90er
Jahren integriert die NPD gezielt die Neonazi-Musikszene in die Partei. Sie veranstaltet
Konzerte, was den Vorteil hat, dass diese unter den Schutz des Parteiengesetzes fallen
und schwerer verboten werden können. Und sie bringt selbst braune Töne unters Volk,
etwa mit ihrem schlagzeilenträchtigen Projekt, der kostenlosen „Schulhof-CD“:
SPR
Doch Neonazis nutzen den Rechtsrock nicht nur zur Propaganda, sondern auch für den
Profit: Maßgebliche Produzenten und Aktivisten des Rechtsrock sind zwischenzeitlich
NPD-Mitglied oder sogar in den Parteivorstand gewählt worden und können ihre
Geschäfte unter dem Deckmantel der Partei betreiben, sagt der Neonazi-Aussteiger Jan
Zobel, der selbst jahrlang in NPD und Rechtsrock-Geschäft aktiv war:
ZSP Jan Zobel 02
Es ist natürlich sehr lukrativ, wenn man Sachen für ein paar Cent irgendwo fertigen lassen
kann und sie hier für das Hundertfache dann nachher verkaufen kann, da sind die
Gewinnspannen ganz immens.
SPR
Nach der Wiedervereinigung ist der deutsche Rechtsrockmarkt geradezu explodiert.
Dutzende Labels und Versandhäuser beliefern die rechte Kundschaft, CDs erscheinen
inzwischen in Auflagen von mehreren Tausend. Verlässliche Zahlen gibt es zwar nicht,
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aber es darf als sicher gelten, dass die Umsätze in die Millionen gehen, sagt Musikexperte
Michael Weiß:
ZSP Michael Weiß 08 – 33’’
Alleine von dem harten Nazirock haben wir bestimmt eine dreistellige Anzahl von
Personen, die davon leben, wir haben Profimusiker in diesem Bereich, wir haben bestimmt
20 Versände und Labels, die hauptberuflich betrieben werden.
ZSP Jan Zobel 03 – 15''
Es ist ja ein ganzes Angebot was gemacht wird, es ist ja nicht nur CDs oder nicht nur TShirts, sondern es ist inzwischen ja soweit, es gibt sogar Parfum – für die Frau Wallküre,
dann für den Herrn Nationalist, der herbe Duft vom Großdeutschen Reich. Es wird ein
rechtes Lifestyle angeboten.
SPR
Und der rechte Lifestyle besteht längst nicht mehr nur aus der Skinhead-Subkultur, betont
Buchautor Martin Langebach.
ZSP Martin Langebach 12 – 19’’
Wir haben in Deutschland zumindest seit Ende der 90er Jahre eine wachsende
nationalsozialistisch geprägte Hard-Core-Szene, wir haben auch Elemente, dass Bands
aus der extremen Rechten zugegangen sind auf die Black Metal Szene, auf die Heavy
Metal Szene und wir haben – eines der jüngeren Beispiele – extrem rechten HipHop.
ZSP MUSIK (10'' freistehen - drunterlegen)
Sprachgesang zum Untergang: Nationaler Sozialismus – jetzt
„Nationale Sozialisten auf die Straße voran...
- darüber
SPR
Die Band Sprachgesang zum Untergang rappt Nazi-Parolen – ein Musikprojekt gegründet
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von rechten Aktivisten. Selbst der ursprünglich afroamerikanische HipHop wird zum Träger
von NS-Propaganda - nur ein Beispiel für die Ausweitung der Kampfzone.
Kaum ein Genre scheint sicher zu sein vor brauner Vereinnahmung. Auch im Dark Wave
versuchen Neonazis sich breit zu machen, insbesondere im sogenannten Neofolk.
ZSP MUSIK (9'' freistehend - drunterlegen)
Von Thronstahl: Dressed in black Uniforms
„Dressed in Black Uniforms....
SPR
Josef Klumb, Sänger der Band „Von Thronstahl“ besingt schwarze Uniformen – und meint
damit ganz offensichtlich die SS. In Teilen der sogenannten Schwarzen Szene gibt es
einen regelrechten Uniformfetischismus, der so manches Mal einhergeht mit einer nicht
nur ästhetischen Begeisterung für den Nationalsozialismus. Immer wieder haben auch
Musiker anderer Stilrichtungen sich der Ästhetik der NS-Zeit bedient – Rammstein etwa,
die eines ihrer Videos aus Leni-Riefenstahl-Filmen montierten oder die slowenische
Gruppe Laibach mit ihren martialischen Bühnenauftritten. Das Spiel mit Symbolen muss
aber nicht gleichbedeutend sein mit brauner Ideologie, betont Michael Weiß:
ZSP Michael Weiß 04
Das darf auch ein Künstler, er darf auch provozieren und da kann ich jetzt nicht auftreten
und Geschmackspolizei spielen. Aber die spannende Frage ist doch: Wann wird
Provokation zu Propaganda, wann wird Ambivalenz zur Eindeutigkeit.
ZSP Michael Weiß 03
Wir haben da so Beispiele auch von Popbands gerade, die auch einen irrsinnigen Erfolg
haben, Freiwild z.B. Diese Band vertritt ganz klar einen Südtiroler Nationalismus und sie
vertritt auch ganz klar völkische Thesen, indem sie eben Zugehörigkeit zur Nation oder zu
Südtirol über Brauchtum Tradition und ähnliches definiert. Da gibt es keine Brüche, da wird
das Publikum nicht zum Nachdenken angeregt oder mit irgendwas Überraschenden
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konfrontiert.) Aber diese Band sagt von sich: Wir sind unpolitisch, wir haben doch mit
Politik gar nix zu tun. Und es sind auch 98 Prozent der Fans, die sagen, ja klar, die Band
ist unpolitisch, die sagt das doch selber.
SPR
Wann ist Musik rechts? Eine Frage, die sich nicht nur bei Marschmusik, Volksliedern,
Wagner und Strauß stellt, sondern auch bei der Populärmusik. Die Meinung gehen nicht
nur bei Fans und Musikern auseinander, sondern auch bei Experten:
ZSP Martin Langebach 01
Rechtsrock definieren wir im Kollegenkreis als moderne Musik, Rockmusik mit extrem
rechten Texten, das heißt mit antisemitischen, rassistischen, nationalistischen Texten.
Dabei wird nicht auf die Musik, also auf den Stil der Musik abgehoben.
ZSP Michael Weiß 01
Ich finde das natürlich ein bisschen wacklig, weil Neonazirock und Rechtsrock müsste
man eigentlich noch mal unterscheiden. Nazirock ist Nazirock und d.h. das sind Leute, die
ein positives Verhältnis zum Nazismus, zum Neonazismus oder zum Nationalsozialismus
haben und das mag ich bei einigen Bands nicht sehen, die aber von ihren Texten doch
eindeutig sich politisch rechts positionieren, indem sie eben rechte Ideologieelemente
transportieren wie Rassismus, wie Antisemitismus, wie Nationalismus. Rechtsrock ist eine
Rockmusik, die über musikalische Botschaften rechte Inhalte transportiert, über Texte,
über Ästhetik oder meistens einer Gemengelage aus all dem.
ZSP MUSIK (fängt an mit Gegröle – drunterlegen - Gesang setzt ein bei 18'')
Edei in Budapest: „Wir stellen die jüdische Drecksau zum letzten entscheidenden
Schlag...“
- danach drüber gehen
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SPR
Manchmal aber ist die Sache doch ziemlich eindeutig – wenn etwa der bayerische
Liedermacher Edei bei einem Auftritt 2007 in Budapest von der jüdischen Drecksau singt,
die zum entscheidenden Schlag gestellt werden soll. Bis das Publikum begeistert „Juden
raus“ grölt.
ZSP MUSIK - hoch
Edei in Budapest: 1'10 Lied-Ende, Publikum grölt „Juden raus“
- darüber
SPR
Neonazi-Rock ist eben mehr als ein Propagandamittel, er dient auch zur
Selbstvergewisserung der Szene – und er ist der Soundtrack zu Hass und Gewalt. Hass
und Gewalt sind immanenter Bestandteil der extrem rechten Ideologie – und damit auch
der extrem rechten Musik. Laut der Amadeu-Antonio-Stiftung haben Neonazis in den 25
Jahren nach der Wiedervereinigung mindestens 184 Menschen umgebracht, weil sie nicht
in ihr Weltbild passten. Und so mancher Mörder putscht sich vorher mit Musik auf. So auch
im April 2008 in Memmingen: Ein polizeibekannter Neonazi hört in seiner Wohnung bei
voller Lautstärke Rechtsrock. Als sich der 40jährige Nachbar beschwert, nimmt der
Neonazi ein Bajonett und sticht zu.
ENDE
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