STRAFRECHTSNOVELLE SEIT 1.1.2016 IN KRAFT! Mit 1.1.2016 sind als Teil des nationalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen und in Umsetzung des Europaratsübereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (sogenanntes Istanbul-Übereinkommen) wichtige Änderungen im österreichischen Strafrecht zum Schutz von Frauen vor sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt in Kraft getreten: 1. Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung - ein „Nein“ muss genügen! Unter diesem Titel gab es eine österreichische Kampagne gegen sexuelle Gewalt und für eine Ausweitung der Strafbarkeit sexueller Gewalt. Nach der alten Rechtslage wurde als Vergewaltigung (§ 201 StGB) nur bestraft, wer das Opfer mit Gewalt, Freiheitsentziehung oder gefährlicher Drohung zu einem Geschlechtsverkehr (Beischlaf) oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zwang. Häufig scheiterte eine Strafbarkeit daran, dass das Opfer beweisen musste, dass es sich aktiv zur Wehr gesetzt hatte. Gemäß § 205a StGB ist nun unter „Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“ auch strafbar, wer mit einer Person „gegen deren Willen, [oder] unter Ausnützung einer Zwangslage oder nach vorangegangener Einschüchterung den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung“ vornimmt. Damit wurde das geforderte „Ein NEIN muss genügen!“ insoweit umgesetzt, als nun ein Geschlechtsverkehr bzw. gleichzusetzende geschlechtliche Handlung „schlicht gegen den Willen des Opfers“ strafbar ist.1 Allerdings muss der gegenteilige Wille (die Ablehnung des Opfers) äußerlich bzw. für den Täter/die Täterin erkennbar zum Ausdruck kommen und muss sich der Täter/die Täterin darüber hinwegsetzen. Die Umsetzung des neuen Straftatbestands durch die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaften, Gerichte) wird die nächste Zukunft zeigen. 2. Sexuelle Belästigung Mit 1.1.2016 wurde die gemäß § 218 StGB strafbare sexuelle Belästigung darauf ausgedehnt, dass auch zu bestrafen ist, „wer eine andere Person durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt“. Bisher war eine sexuelle Belästigung – anders als im Gleichbehandlungsrecht – strafrechtlich nur sehr eingeschränkt relevant. Lediglich unmittelbare bzw. intensive Berührungen an primären oder sekundären Geschlechtsorganen (weibliche Brust) waren strafbar. „Bloße“ Berührungen des Gesäßes („Po-Grapschen“) oder der Oberschenkel, das „bloße“ Streifen der Brust oder Berührungen des Halses oder des Dekolletés waren dagegen gerichtlich nicht strafbar, ebenso wie unerwünschte (intensive) Umarmungen oder unerwünschte (Zungen-)Küsse! Mit der Einführung des § 218 Abs. 1a StGB wird nun die Strafbarkeit auf „das Verletzen der Würde des Opfers durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle“ ausgedehnt, wozu nach den Erläuterungen jedenfalls das Gesäß und die Oberschenkel zählen. Damit fällt ab 2016 das sexistische und „entwürdigende“ Po-Grapschen in die gerichtliche Strafbarkeit, wohl aber auch ein unerwünschter (intensiver) Zungenkuss. 1 Oberlaber J./Schmidthuber K., Die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung gemäß § 205a StGB, in: RZ 2015, 174 ff. Derartige Übergriffe gegen den (freien) Willen einer Person verletzen grundsätzlich die Menschenwürde! Als geschlechtsspezifische Gewalt dient sexualisierte Gewalt jedoch der geschlechtsbezogenen Diskriminierung von Frauen und ist Ausdruck der in Österreich anhaltend strukturellgesellschaftlichen Machtungleichheit zwischen den Geschlechtern. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Strafrechtsnovelle eine gesellschaftliche Veränderung hin zu einem Abbau patriarchaler Gesellschaftsstrukturen gefördert wird, die nicht erst durch die Berichte aus Köln notwendig ist! Quellenangaben: Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015, siehe: https://ris.bka.gv.at/; https://www.bmbf.gv.at/frauen/gewalt/strafrechtsaenderungsgesetz2015_bgbl.pdf?58ylrg Erläuterungen zum Strafrechtsänderungsgesetz 2015 (689 d.B.) siehe: https://www.parlament.gv.at/; https://www.bmbf.gv.at/frauen/gewalt/strafrechtsaenderungsgesetz2015_erl.pdf?58ylrg Nationaler Aktionsplan (NAP) zum Schutz von Frauen vor Gewalt, Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung von 2014 bis 2016, Bundesministerium für Bildung und Frauen (Hrsgin), Wien 2014, siehe: https://www.bmbf.gv.at/ministerium/vp/2014/20140826.pdf?4ja8p5 Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Istanbul-Konvention“): Ratifizierung durch Österreich am 14.11.2013, in Kraft seit 1.8.2014, siehe: https://www.bmbf.gv.at/frauen/gewalt/uebereinkommen_des_europarat_26193.pdf?4dz8a1 Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Frauen: https://www.bmbf.gv.at/frauen/gewalt/strafrechtsaenderungsgesetz2015.html Oberlaber J./Schmidthuber K., Die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung gemäß § 205a StGB, in: RZ 2015, 174 ff.
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