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Rechtsextremismus in Limbach-Oberfrohna – Manuskript
Rechtsextremismus in Limbach-Oberfrohna
Autoren: Christian Werner, Michael Kraske
Die NPD Sachsen lädt zum Jahresauftakt - in Limbach-Oberfrohna. Man trifft sich im Januar
in einer Gaststätte. Mit dabei: Prominenz aus Berlin – der Parteivorsitzende Udo Voigt.
Die sächsische Kreisstadt sei ein richtig guter Ort für Rechtsextreme, so Chefideologe Jürgen
Gansel. Man fühle sich hier ganz zu Hause.
O-Ton: Jürgen Gansel, MdL der NPD im Sächsischen Landtag
"Wir merken also wie auch in anderen ländlichen Regionen Sachsens, dass es hier ein hohes
Maß an Heimatverbundenheit und nationalem Identitätsbewusstseins besteht. Insofern
fühlen wir uns hier aufgehoben und wir haben auch vor Ort den Eindruck, dass wir mit
unseren politischen Botschaften Gehör finden."
Und die Rechtsextremisten sorgen mit Nachdruck dafür, dass ihre politischen Botschaften
überall gesehen werden. Schmierereien sind dabei noch das geringste Übel.
Die erschreckende Bilanz des vergangenen Jahres: Im Mai schlagen Neonazis einen farbigen
Jugendlichen zusammen. Im selben Monat zertrümmern vermummte Rechtsextremisten die
Fenster eines Wohnhauses. Im Juni wird ein Jugendlicher mit einer Bierflasche angegriffen
und getreten. Im November werfen Rechtsextremisten mit Steinen das Fenster des
Wahlkreisbüros eines Bundestagsabgeordneten ein.
Harald Lamprecht von der Landeskirche Sachsen befasst sich schon seit Jahren mit
Rechtsextremismus. Er hat in Limbach viele Gespräche geführt – auch mit Vertretern der
Gemeinde. Doch gerade deren Verhalten stimmt den Fachmann mehr als nachdenklich.
O-Ton: Harald Lamprecht, Landeskirche Sachsen
"Limbach-Oberfrohna hat ein Problem mit Rechtsextremismus. Die Verantwortlichen in der
Stadt wollen das nicht wahrhaben und sie ignorieren die Probleme. Es gibt eine Gruppe, die
sich dagegen engagiert, die bekommen das Etikett aufgedrückt sie seien linksextrem und
damit muss man sich damit scheinbar nicht näher auseinandersetzen und das halte ich für
falsch."
Die rechte Gewalt trifft zuerst die, die nicht ins Weltbild passen. Daniel Drescher engagiert
sich in einem alternativen Jugendverein für Demokratie und gegen Neonazis. Seit Jahren
wird er immer wieder von rechten Schlägern überfallen.
O-Ton: Daniel Drescher
"Eigentlich schon seitdem ich vierzehn Jahre bin, seitdem ich mich etwas anders kleide, mich
für Politik für interessiere. Ich wurde auch schon körperlich öfters angegriffen, vielleicht
insgesamt schon so 20 Mal, man hört auch öfters mal Gruppen von Rechten durch Limbach
ziehen, da schlägt man doch immer mal einen anderen Weg ein, um denen halt aus dem Weg
zu gehen."
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Rechtsextremismus in Limbach-Oberfrohna – Manuskript
Zwanzig Überfälle - beim letzten landete Daniel mit einer Platzwunde im Krankenhaus. Und
Daniel ist nicht das einzige Opfer.
Die Eltern der Betroffenen sind verzweifelt - Architekten, Lehrer, Richter. Die sogenannte
Mitte der Gesellschaft bekommt die Bedrohung durch rechte Gewalt zu spüren.
O-Ton: Mutter von Daniel
"Man lebt eigentlich in ständiger Angst. Irgendwann habe ich mal gedacht, wenn die Kinder
größer sind, können die auch alleine und ohne Aufsicht irgendwohin gehen, jetzt ist er 19
schon und ich habe immer noch Angst, wenn er das Haus verlässt. Ich werde halt immer
grundsätzlich wach, wenn er sagt er kommt halb zwei, bin ich halb zwei wach, ohne Wecker
oder irgendetwas und dann rufe ich ihn auch an und frage ihn, bist noch nicht da, wo bist du
denn?"
Schockierend: Selbst vor einem Überfall auf ein Wohnhaus schreckten die Rechtsextremisten
nicht zurück. Vermummte hatten eine Familie regelrecht belagert und schlugen
Fensterscheiben ein. Solidarität? Energisches Vorgehen? Das erwarteten die Eltern von ihren
Stadtoberen - vergebens.
O-Ton: Iris Raether-Lordieck, Mutter eines Opfers
"Nach wie vor lässt man uns im Stich. Wir haben diverse Anfragen an die Stadt gestartet, es
sind mäßige Antworten, hinhaltend, man will sich dem nicht stellen."
Seit ein paar Wochen gibt es im Rathaus von Limbach zwar einen Präventionsbeauftragten.
Doch der möchte am liebsten gar nicht von politisch motivierten Straftaten von Rechts
sprechen.
O-Ton: Dietrich Oberschelp, Präventionsbeauftragter
"Meines Erachtens helfen diese Begrifflichkeiten gerade den Betroffenen auch den Bürgern,
die schockiert sind über diese Vorgänge nicht viel weiter, sondern denen hilft weiter, wenn
man aktiv dagegen vorgeht."
Aktives Handeln? Die Stadt hängt ein Plakat auf und organisiert eine Filmvorführung. Hinter
verschlossenen Türen aber wird ausgesprochen, was die Vertreter von Stadt und Polizei
wirklich umtreibt. Exakt liegen interne Protokolle aus dem sogenannten kriminalpräventiven
Rat vor: Wichtig sind scheinbar nicht so sehr die Verletzungen der Opfer, sondern die
Darstellung in der Presse. Die Berichterstattung über rechte Überfälle schade dem Ansehen
der Stadt. Und die Schuld sucht man ausgerechnet bei denen, die sich gegen
Rechtsextremismus engagieren. Über einen betroffenen Jugendlichen heißt es: er sei
ideologisch festgefahren und provoziere gezielt. Wir sprechen Bürgermeister Lothar Hohlfeld
daraufhin an.
O-Ton: Lothar Hohlfeld, Bürgermeister
"Ich selber meine, das so nicht gesagt zu haben."
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Rechtsextremismus in Limbach-Oberfrohna – Manuskript
Und dann fällt ihm ein, dass wir das eigentlich gar nicht wissen dürften.
"Aber es ist natürlich ein nicht öffentliches Gremium im Rahmen der polizeilichen Tätigkeit
der Stadt."
Die Stadtoberen möchten gern glauben machen, es gäbe kein rechtsextremes Problem in
ihrem beschaulichen Städtchen. Nur ein paar Schlägereien zwischen rechten und linken
Jugendlichen. Ein Randphänomen.
Doch beim Landesverfassungsschutz sieht man das ganz anders. Auf Nachfrage bestätigt
man uns, dass in Limbach-Oberfrohna eine rechtsextremistische Kameradschaftsszene
existiert, die unter der Bezeichnung „Freie Kräfte“ auftritt. Auch Rechtsextremisten aus der
Umgebung seien in der Stadt aktiv.
Dass die Stadt auf diese Fakten nicht offensiver reagiert, hält Kirchenmann Harald Lamprecht
für grundlegend falsch.
O-Ton: Harald Lamprecht, Landeskirche Sachsen
"Wenn in unseren Straßen Menschen geschlagen werden, wenn Erwachsene Leute nicht ohne
Angst durch die Straßen gehen können, weil sie Angst haben müssen, dass sie wegen ihres
Äußeren einfach so von anderen geschlagen werden, dann ist was schief gegangen., dann
muss man doch ernsthaft fragen, was ist dort passiert und dann muss man sich als Stadt
fragen, was können wir dagegen tun, das so etwas geschieht. Wegducken hilft da nicht."
Vorläufiger Höhepunkt der rechtsextremen Gewalt: ein Anschlag auf das Vereinshaus der
alternativen Jugendlichen im November. Die Räume brannten vollständig aus. Anwohner
mussten evakuiert werden. Der mutmaßliche Brandstifter ist ein 19-Jähriger und gehört zur
rechtsextremen Szene, die sich in Limbach-Oberfrohna so wohl fühlt.
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