Fährmann, setz über! Ein Satz aus längst vergangener Zeit, der sich auf den Beruf des Sprachmittlers übertragen lässt: Wir sind die „Fährmänner”, die Gedachtes, Gesprochenes und Geschriebenes übersetzen. Anders als Dolmetscher brauchen Übersetzer weder Sprechtempo noch Gestik und Mimik des „Sprechers” zu berücksichtigen, eines verbindet uns jedoch: Wir müssen uns in unser Gegenüber hineinversetzen können. Der größte Unterschied ist die Zeit, die uns zur Verfügung steht: Ein Übersetzer kann sich länger mit dem zu übertragenden Text auseinandersetzen als ein Dolmetscher, der in Sekundenbruchteilen das richtige Wort finden muss. Übersetzer orientieren sich an ihrer Zielgruppe, das heißt, den Lesern ihrer Texte. Das hört sich zunächst ganz einfach an, ist es jedoch nicht. Der Ausgangstext wurde für eine bestimmte Gruppe Menschen in einem bestimmten Kulturkreis geschrieben, deren Hintergrund sich von dem des Ziellands stark unterscheidet. Das fängt bei unterschiedlichen Bildungssystemen an und hört bei verschiedenen Geschmäckern und Gepflogenheiten auf. Hier beginnt die wahre Kunst des Übersetzens im buchstäblichen Sinn. Die kulturellen Unterschiede Wir alle kennen die amerikanischen Texte, in denen jedes zweite Wort „fascinating“ oder „awesome“ zu lauten scheint oder Handbücher aus Großbritannien, in denen man nicht zum Speichern seines Textes aufgefordert wird, sondern die Möglichkeit, den Text speichern zu wollen („you may now wish to save your text”) angenommen wird. Beides weckt beim deutschen Leser mindestens ein Lächeln, verursacht vielleicht auch ein Kopfschütteln oder gar lautes Lachen. Diese kulturellen Unterschiede gilt es zu „lokalisieren”, das heißt, an die Kultur und den für solche Texte üblichen Sprachgebrauch im Zielland anzupassen. Hier ist Feingefühl gefragt, der Übersetzer muss sind in die Rolle des Lesers, seinen wahrscheinlichen Hintergrund und seinen Bildungsstand hineinversetzen können. Letzteres ist besonders dann wichtig, wenn es sich beispielsweise um Anleitungen oder Anweisungen für angelernte Bediener von Maschinen handelt - die im Zieltext verwendete Sprache muss möglichst leicht zu verstehen sein, geschliffene Formulierungen oder lange Sätze wie dieser sind in diesem Fall tabu. Übersetzer „sprechen” mehr als eine Sprache, auch in ihrer Muttersprache. Das verbindet unseren Beruf mit dem der dolmetschenden Kollegen: wir sprechen immer die Sprache unseres Gegenübers die unserer Leser. Die Recherche Recherche wird häufig mit der Suche nach Fachtermini oder Glossaren verbunden, das ist jedoch der kleinste Teil. Wenn Sie beispielsweise einen an Teenager gerichteten Text übersetzen wollen, werden Sie wahrscheinlich feststellen, dass sich Ihre Alltagssprache erheblich von der Ihrer Zielgruppe unterscheidet. Ihr Gegenüber verwendet Wörter und Begriffe, die Sie in einem ganz anderen Kontext kennen - oder schlicht noch nie gehört haben. Der zeitaufwändige Teil Ihrer Recherche beginnt genau an diesem Punkt: Wo tauscht sich Ihr Gegenüber, das heißt, Ihre Zielgruppe, aus? Welche Modewörter werden im Zusammenhang mit dem Gegenstand Ihres Texts verwendet? Und was sollen diese Wörter transportieren? Vielleicht sind Sie schon einmal über „YOLO” oder „SWAG” gestolpert - wissen Sie auf Anhieb, was ein heutiger Teenager damit meint? Wenn nicht, hilft Wikipedia weiter; ich bin sicher, Sie werden überrascht sein. © worlds united translations · c/principe de españa 29 · e-03580 alfaz del pi · +34 965 887 315 · http://www.sl-translations.com - Dieses Papier samt Inhalt ist Eigentum von worlds united translations. Jede Nutzung, Verwertung, Veröffentlichung, auszugsweise bzw. vollständige Wiedergabe, Übersetzung u.ä. bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten. Die Übersetzung Eine gelungene Übersetzung ist keine Frage der Grammatik, Rechtschreibung oder des Wortschatzes. Eine Übersetzung ist gelungen, wenn sie den Zweck, die „Botschaft” des Ausgangstexts spiegelt. Dolmetscher können zusätzliche Informationen aus der Gestik und Mimik des Sprechers ziehen, Übersetzer müssen zwischen den Zeilen lesen können. Auf den ersten Blick bestätigende, nichtssagende oder scheinbar nur dem höflichen Austausch dienende Texte können scharfe Warnungen, Aufforderungen, Androhungen von Vertragsstrafen sein - allerdings erst auf den zweiten oder dritten Blick. Wenn Sie einen solchen Text als normale Geschäftskorrespondenz wahrnehmen und übersetzen, geht möglicherweise die eigentliche Botschaft des Absenders verloren. Die Kunst besteht darin, den Zieltext genauso bestätigend, nichtssagend und/oder höflich zu schreiben und die eigentliche Botschaft des Absenders darin zu verpacken, sofern das in der Zielkultur möglich ist. In einer Kultur, in der solche Botschaften direkt übermittelt werden, ist das nicht möglich - Ihr Gegenüber wird Ihren Text nicht verstehen, die Folgen nicht abschätzen können oder falsche Schlüsse ziehen. Der Text muss also mit sehr viel Fingerspitzengefühl und Gefühl für beide Kulturen übersetzt werden, denn er darf keinesfalls die Beziehung zwischen Absender und Empfänger ruinieren. Oft sind es wirklich Kleinigkeiten, die den Unterschied machen und zu echten Übersetzungsproblemen führen können. Grußformeln sind ein Beispiel dafür: „Kind regards” - „Best regards” oder einfach nur „Regards”? Die allgemein übliche Grußformel in Deutsch lautet immer gleich „Mit freundlichen Grüßen”, die Nuancen, die die englische Grußformel transportiert, müssen also an anderer Stelle im Text deutlich werden. Das ist der Text zwischen den Zeilen, den Sie im Fall der Grußformel nur durch die Wahl der Verben und/oder Adjektive im Textkörper wiedergeben können. Übersetzen und Dolmetschen erfordern viel Empathie, Feingefühl und die Kunst, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen, ohne sich selbst dabei zu verlieren. Übersetzer haben dabei einen Zeitvorteil, denn wir können den Text in der Regel zunächst lesen, beiseite legen und in Ruhe nachdenken, Dolmetscher hingegen müssen in Sekundenbruchteilen über Wortwahl und Formulierung entscheiden. Uns trennt der Unterschied zwischen dem mehrdimensionalen gesprochenen und dem eindimensionalen geschriebenen Wort. Gemeinsam ist uns, dass wir uns ständig in zwei verschiedenen Welten gleichzeitig bewegen, Brücken zwischen den Kulturen schlagen und dabei auch Unausgesprochenem Gehör verschaffen. Sprache ist der Schlüssel zur Welt1, ein spannendes Abenteuer, Faszination und gelebter, lebendiger kultureller Austausch - und niemals Routine. Wir wünschen Ihnen einen spannenden Tag! 1 Friedrich von Humboldt (1767-1835) © worlds united translations · c/principe de españa 29 · e-03580 alfaz del pi · +34 965 887 315 · http://www.sl-translations.com - Dieses Papier samt Inhalt ist Eigentum von worlds united translations. Jede Nutzung, Verwertung, Veröffentlichung, auszugsweise bzw. vollständige Wiedergabe, Übersetzung u.ä. bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.
© Copyright 2024 ExpyDoc