Hoffnung für das Katastrophenhaus? | Manuskript Hoffnung für das Katastrophenhaus? Bericht: Albrecht Radon Großreinemachen in der Obdachlosenunterkunft Köthen. Aufgewühlt durch unseren Bericht, bringen freiwillige Helfer heute zumindest ein Zimmer auf Vordermann. Mit dabei: Kevin Montag. Der 24-Jährige ist Chef einer Reinigungsfirma und eigentlich einiges gewöhnt. Kevin Montag Ich mache ja auch Toiletten sauber, ich mache Autohäuser sauber, ich mache eine Produktionshalle sauber und da ist auch überall Dreck, in den Ecken und so. Aber so schlimm wie hier, ist es nicht. Reporter: Vorstellbar, dass hier ein Mensch wohnt? Also ich habe es heute das erste Mal erlebt, dass der Mann hier drin geschlafen hat. Ich persönlich würde nicht hier drin hausen wollen. Die Rede ist von Peter Modrack. Als wir vor wenigen Wochen die Zustände in der städtischen Einrichtung dokumentieren, geht uns das Schicksal des 67-Jährigen besonders nah. Der Rentner verbringt den Tag trinkend und rauchend auf der Couch. Das winzige Durchgangszimmer ist völlig verwahrlost. Peter Modrack Hier sind zwei Türen drin, ein Fenster drin. Im Winter wird es hier nie warm. Nie. Die Putzkolonne ringt mit der Übelkeit, denn im Zimmer von Peter Modrack stinkt es bestialisch. Alexander Spodin findet die Quelle - ein mit Flüssigkeit gefüllter Eimer. Reporter: Was haben Sie denn da jetzt gerade weggeschüttet? Alexander Spodin: Das war Urin denke ich mal, Kot, Kotze, was widerlich ist und stinkt erbärmlich. Traurig, dass ein Mann so leben muss. Das Problem: Für den gehbehinderten Peter Modrack ist die Toilette auf halber Treppe nur schwer erreichbar. Die Folgen finden sich überall. Auch auf der Couch. Reporter: Was ist das für ein Fleck, wenn ich so fragen darf? Monique Leistner: Kot. Während der Putzaktion ist Peter Modrack bei Zimmernachbar Fred Mattern untergebracht. Beide sind alkoholkrank und bereits morgens um zehn betrunken. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 1 Hoffnung für das Katastrophenhaus? | Manuskript Fred Mattern: Ich mache alles für dich! Peter Modrack: Aber nur betrunken. Fred Mattern: Auch wenn ich nüchtern bin. Peter Modrack: Alles klar. Fred Mattern: Ich kaufe ein und alles. Jessica Cremer hat den heutigen Einsatz mit zwei Freundinnen organisiert. Durch unseren Bericht reißen bei der 27-Jährige alte Wunden auf. Jessica Cremer Meine Mutti, die hat genauso hier drin gewohnt, die war auch Alkoholiker. Wenn ich sowas sehe, da erinnere ich mich einfach zurück. Wenn ich das jetzt alles hochwühle, dann… Vor sieben Jahren ist ihre Mutter an den Folgen ihrer Alkoholkrankheit gestorben. In dem Haus werden seit 1998 Obdachlose untergebracht. Dass es hier Probleme gibt, weiß Landrat Uwe Schulze schon länger. Wie schlimm es wirklich ist, erfährt er erst durch unseren Beitrag. Uwe Schulze Wo der alte Mann da wirklich in Dreck und Speck auf dem Sofa da lag. Leute, das braucht man nicht. Deutschland ist eigentlich ein Land, das ist wirklich so gut situiert oder so reich, da müssen die Leute nicht in solchen Zuständen leben. Eine soziale Betreuung gibt es im Haus nicht. Dafür zuständig sind Landrat Schulzes Mitarbeiter – die von der Sozialbehörde des Landkreises. Uwe Schulze Handlungsbedarf sehe ich hier schon. Ich habe meine Überlegungen, die werde ich auch nochmal mit dem Sozialamt und mit den Beteiligten auch besprechen. Reporter: Wie das konkret aussieht, können Sie jetzt noch nicht verraten? Uwe Schule: Das werde ich jetzt auch noch nicht sagen. Ich kann erst gackern, wenn ich die Eier gelegt habe und nicht, wenn ich sie legen will. Reporter: Aber es ist was geplant? Uwe Schulze: Ich habe etwas vor. Für die katastrophalen hygienischen Bedingungen – es gibt weder Duschen noch Warmwasser – ist die Stadt Köthen verantwortlich. Vor der Kamera will sich hier seit Wochen niemand äußern. Schriftlich gibt es jetzt erstmals ein Zugeständnis: Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 2 Hoffnung für das Katastrophenhaus? | Manuskript Zitat: „Ungeachtet der Tatsache, dass in der Obdachlosenunterkunft … die Mindeststandards … erfüllt sind, wird die Stadt Köthen ihrerseits prüfen, welche Möglichkeiten für die Anschaffung von Duschen … bestehen.“ Hans-Joachim Scholz will das schon lange. Der Stadtrat besucht regelmäßig die Bewohner und setzt sich für sie ein. Doch im Rathaus ist er mit seinem Engagement bis jetzt auf taube Ohren gestoßen. Hans-Joachim Scholz Große Teile des Stadtrats waren hier der Meinung, das Schicksal ist selber verursacht, die haben es nicht anders gewollt. Scholz will nun den Bau der Duschen gemeinsam mit der Stadt vorantreiben. Sein Ziel: Einen Obdachlosenhilfeverein gründen und mit Hilfe von Spendengeldern diese Erdgeschosswohnung zu einem Duschraum umfunktionieren. Hans-Joachim Scholz Ich habe mal geguckt, im Internethandel wäre so eine Dusche für 306 Euro zu erwerben. Da ist sie noch nicht angeschlossen. Aber ich sage mal, auch da wird es uns bestimmt in Köthen gelingen, eine Firma zu finden, die uns die dann auch noch anschließt. Währenddessen hat es die Putzkolonne nach drei Stunden schweißtreibender Arbeit geschafft. Das Zimmer von Peter Modrack ist wieder bewohnbar. Und der kann sein Glück kaum fassen. Peter Modrack: Oh, das sieht ja wunderbar aus. Einwandfrei. Auweia. Reporter: Was gefällt Ihnen denn am besten Herr Modrack an Ihrem neuen Zimmer? Peter Modrack: Am besten der Fußboden, der ist blitzeblank und keine Spinnweben mehr dran. Und das Rollo ist weg, das elende Rollo. Jessica Cremer: Ist eine Erleichterung, dass man das so von Herzen hört, dass er froh ist, dass es sauber ist. Doch alle wissen: Ohne Hilfe der Behörden wird dieser Zustand nicht lange anhalten. Die alkoholkranken Bewohner sind unfähig, ihren Alltag alleine zu meistern. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 3
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