SWR2 DIE BUCHKRITIK

SWR2 MANUSKRIPT
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SWR2 DIE BUCHKRITIK
Bernhard Viel: Der Honigsammler. Waldemar Bonsels, Vater der Biene Maja
Die Biogrpahie
Matthes & Seitz
446 Seiten
24,90 Euro
Rezension von Andrea Puff-Trojan
Mittwoch, 23.03.2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Jeder kennt die süße "Biene Maja". Weniger bekannt ist deren Autor: Waldemar Bonsels.
Und der war alles andere als harmlos. Schon im ersten Weltkrieg galt Bonsels Tierfabel, in
der sich – anders als in der lieblichen Comicverfilmung – der friedliche Bienenstaat gegen
gefährliche Aggressoren wehren muss, als systemstabilisierend und war ein Bestseller.
Unter den Nazis profilierte sich Bonsel, der zwar nie NSDAP-Mitglied war, aber über beste
Kontakte in die Parteiführung verfügte, mit Herrscherlob und kulturideologisch verbrämtem
Antisemitismus. Nun hat Bernhard Viel die erste Bonsel-Biographie geschrieben, die auch
dessen dunkle Seiten aufzeigt. Höchste Zeit, meint Andreas Puff-Trojan.
Sprecher:
Der Titel der Biographie ist treffend gewählt: „Der Honigsammler“. Waldemar Bonsels
gelang es weitgehend, sein Leben als eine Art Honigkuchen zu gestalten, er pickte die
Rosinen aus den Unwegsamkeiten des Daseins, spielte den Dandy, avancierte zum
Frauenheld und entwickelte dabei unglaubliche Fähigkeiten als Opportunist.
Bernhard Viel beginnt sein Buch über Waldemar Bonsels klassisch: Mit Geburt, Zwist im
Elternhaus, seinen Wanderjahren. Außer einer kurzen Missionstätigkeit in Ostindien
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geschieht da nicht wirklich Aufregendes. Aber mit dem Umzug nach München 1904 ändert
sich das. Der Autor gründet den Verlag E. W. Bonsels und der reüssiert alsbald. Neben
eigenen bringt er Texte junger Autoren, aber auch Thomas und Heinrich Mann vertrauen
Bonsels und seinem Verlag kleinere Publikationen an. Und Thomas Mann war es, der
Bonsels Debütroman „Ave vita morituri te salutant“ loben sollte. Ja, dieser Schriftsteller hat
nicht nur Plattitüden aufs Papier gebracht, ihn deswegen als bedeutenden Autor zu
bezeichnen, wäre allerdings verwegen. Bonsels war ein Meister der Diplomatie, er schaffte
sich ebenso wichtige Beziehungen zu Schaltstellen im Literaturbetrieb als auch zu
Künstlerkreisen. Und dennoch blieb er ein Außenseiter in der Schwabinger Boheme.
Waldemar Bonsels liebte die Natur und während er so im Vorkriegsdeutschland durch
seinen Garten schlenderte, kam ihm die Idee eine Art Tierfabel zu schreiben – mit einer
Biene in der Hauptrolle. „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ erschien 1913 und war
anfangs ein mäßiger Erfolg. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs änderte sich das
schlagartig. Bonsels „Biene Maja“ wurde zum Megaseller. Aber wieso? Anders als in der
Zeichentrickversion gibt es im Buch genug grausame Szenen. Denn auch in Bonsels
Tierwelt gilt das Motto: Friss oder stirb. Besonders brutal sind die Hornissen, die Majas
Bienenvolk vernichten wollen. Sie ergeben das Abbild des „Feindes“. Und damit wird
einiges klarer.
Zitat-Sprecher / Bernhard Viel: „ Der Honigsammler“, S. 143f.:
Eine Ursache dafür, dass Die Biene Maja und ihre Abenteuer sich im Laufe des Krieges
zum Bestseller entwickelte, liegt zweifellos in Bonsels‘ Einfall, einen friedlichen
Bienenstaat als Muster einer politischen Utopie auszuwählen und dessen friedliebendes
und emsiges Volk von raubgierigen Hornissen angreifen zu lassen. Am Vorabend des
Weltkrieges wusste jedes Schulkind, welche Ordnungsidee dafür Pate stand.
Sprecher:
Vielleicht war er sich dessen nicht ganz bewusst, doch Waldemar Bonsels diente sich mit
seiner „Biene Maja“ den herrschenden Verhältnissen an. Während er im Ersten Weltkrieg
als Kriegsberichterstatter tätig wurde, trugen die Frontsoldaten sein Buch im Tornister.
Während der Weimarer Republik schrieb der Autor einen Roman nach dem anderen, und
war an der Politik nicht sonderlich interessiert. Als Adolf Hitler an die Macht kam, hatte
Bonsels mit der NS-Ideologie keine Probleme. Er war zwar nicht NSDAP-Mitglied, aber er
hatte sehr gute Verbindungen in die Führungsriege, etwa zu Hanns Johst, dem Leiter der
Reichsschrifttumskammer. Und auch Propagandaminister Goebbels schätzte den Autor.
Waldemar Bonsels gab schon früh zu erkennen, dass er den antisemtischen Kurs der
Nazis mittrug. Dabei verlief seine Argumentation nicht rassisch, sondern kulturideologisch.
Die Juden besäßen eine alte und reiche Kultur und hinderten so das junge deutsche Volk
seine eigene zu etablieren. Fazit: Das Judentum zeige keinerlei Achtung gegenüber dem
Deutschtum.
Zitat-Sprecher / Bernhard Viel: „ Der Honigsammler“, S. 353:
Diese Respektlosigkeit ist bei allem Intellekt und aller Sentimentalität der jüdischen Natur,
offenkundig oder latent, das zehrende Gift an der Unbefangenheit des deutschen Gemüts.
Sprecher:
Nach 1945 gab sich Waldemar Bonsels natürlich als Antifaschist und Demokrat aus. Doch
diesmal ging sein Opportunismus nicht ganz auf: Die Amerikaner entdeckten seine
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antisemitischen Artikel und verhängten ein Schreibverbot. Das dauerte allerdings nur ein
Jahr lang. Viel ist also Waldemar Bonsels nicht passiert. Und so genoss der Autor seinen
Lebensabend geehrt und geachtet als Verfasser der süßen „Biene Maja“.
Bernhard Viels Bonsels-Biographie ist auch deswegen so interessant, weil sie den
Lebensweg eines deutschen Opportunisten haargenau nachzeichnet und dabei die
Zeitumstände in Kultur wie Politik klar vor Augen führt. Und die Waldemar Bonsels
Stiftung, die noch immer vom Honig der Biene Maja zehrt, könnte nun nach
Veröffentlichung der Biographie nicht nur schöne Kinder- und Jungendliteratur fördern,
sondern auch Bücher, die zeitkritisch gegen fatalen Opportunismus antreten.
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