Klausur WS0506-Wiederholungstermin

Prof. Dr. Stefan Nickel
Diplompru
¨ fung
(Wiederholungspru
¨fung gem. NPO)
Standortplanung und strategisches
Supply Chain Management
WS 2005/2006 (4 Punkte)
Vorbemerkung:
• Zugelassene Hilfsmittel: nicht programmierbarer Taschenrechner.
• Beginnen Sie mit jeder Aufgabe auf einer neuen Seite.
• Verwenden Sie keine Rotstifte.
• Bitte runden Sie alle Ergebnisse auf die zweite Nachkommastelle.
• Die Klausur umfasst 6 Seiten. Achten Sie darauf, dass alle Seiten vorhanden sind. Wenn
nicht, melden Sie dies bitte der Aufsicht.
Aufgabe 1 (Theorie): (10 Minuten)
a) Welche der folgenden Aussagen sind richtig und welche sind falsch? Geben Sie bei den
falschen Aussagen bitte jeweils eine kurze Begr¨
undung (1 Satz) an, was falsch ist. Notieren
Sie Ihre Antworten auf dem L¨osungsblatt und nicht auf dem Aufgabenblatt.
1. Logistikprozesse im engeren Sinne sind: Transport, Umschlag, Lagerung und Kommissionierung.
2. Je langfristiger eine Vorhersage ist, desto besser ist die Prognose.
3. 3PL bezeichnet den Einsatz externer Logistikdienstleister um einige logistischen Aufgaben eines Unternehmens durchzuf¨
uhren.
4. Eine Hauptgefahr strategischer Allianzen liegt im Verlust der Kontrolle.
b) Beantworten Sie folgende Fragen in Stichpunkten:
1. Erkl¨aren Sie den Unterschied zwischen einer Push-, Pull- und Push Pull-Strategie.
2. Was versteht man unter dem Risk Pooling-Effekt?
1
c) Welche allgemeine Supply Chain Strategie wird hier angewandt?
Nabisco, Inc., liefert 500 verschiedene Kuchen und u
ußigkeiten
¨ber 10 000 unterschiedliche S¨
an u
ur belaufen sich auf u
¨ ber 80 000 H¨andler. Die Transportkosten daf¨
¨ ber $200 Millionen
pro Jahr. Ein Grund f¨
ur die hohen Kosten ist die Problematik, dass oftmals LKWs halb leer
auf den Weg zu den Kunden geschickt werden m¨
ussen. Aus diesem Grund hatte Nabisco
die Idee, ihre LKWs und auch ihre Lagerh¨auser mit anderen Firmen zu teilen, um so eine
h¨ohere Auslastung und damit anteilsm¨aßig niedrigere Gesamtkosten zu erreichen.
In einem k¨
urzlich durchgef¨
uhrten Pilotprogramm, teilte Nabisco seine Lager und LKWs mit
25 anderen Herstellern. In einem Testlauf, welcher 8000 Bestellungen umfasste, konnte der
Gem¨
useh¨andler Lucky Stores seine Lagerbestandskosten um $480 000 reduzieren. Nabisco
selbst konnte Einsparungen in H¨ohe von $78 000 bei den Transportkosten verzeichnen. Zusammen beliefen sich die Einsparungen f¨
ur alle am Test beteiligten Hersteller auf knapp
$900 000.
Aufgabe 2 (Volkswirtschaftliche Standortmodelle): (10 Minuten)
Gegeben seien die folgenden Produktionsaktivit¨aten:
Aktivit¨at
p
k
1
32
4
2
56
16
3
48
8
4
44
10
a) Bestimmen Sie anhand von Th¨
unens Modell rechnerisch die optimalen Entfernungsintervalle
f¨
ur diese Produktionsaktivit¨aten und geben Sie f¨
ur jedes Intervall an, welche Aktivit¨at dort
am produktivsten ist.
¨
b) Andert
sich etwas an der L¨osung aus Teil a), falls der Marktpreis von Aktivit¨at 1 auf 28
sinkt? Falls ja, beschreiben sie kurz, was sich a¨ndert.
Aufgabe 3 (Standortplanung in der Ebene): (25 Minuten)
a) Herr Schlecker ist Großh¨andler f¨
ur Lebensmittel. Da sein altes K¨
uhlhaus zu klein geworden ist, sucht er nach einem Standort f¨
ur ein neues K¨
uhlhaus. Im Wesentlichen beliefert
Herr Schlecker mehrmals t¨aglich f¨
unf Fastfood-Restaurants im Stadtgebiet und der n¨aheren
Umgebung. Sobald die Bestellung eines Restaurants bei ihm eingeht, stellt er die Lieferung
zusammen und f¨ahrt sie aus. Das Zusammenstellen sowie die Be- und Entladung dauern
insgesamt 20 Minuten pro Lieferung. F¨
ur die Auslieferung benutzt er seinen eigenen kleinen
Transporter, mit dem er durchschnittlich 40 km/h f¨ahrt. Die Koordinaten der f¨
unf FastfoodRestaurants und die Anzahl der t¨aglichen Bestellungen sind
Restaurant
Koordinaten
T¨agliche Bestellungen
1
(1, 1)
4
2
(2, 2)
5
3
(6, 5)
1
4
(1, 3)
3
5
(3, 2)
2
Zur Vereinfachung k¨onnen Entfernungen mit der l1 −Metrik gemessen werden, wobei eine
Entfernungseinheit der Metrik ca. 5 Straßenkilometern entspricht.
Da seine Kunden auf eine schnelle Auslieferung der bestellten Waren bestehen, ist er auf der
Suche nach einem Standort f¨
ur das K¨
uhlhaus, von dem er jedes Restaurant m¨oglichst schnell
erreichen kann.
2
i) Bestimmen Sie einen ungewichteten Center f¨
ur dieses Problem.
Wie viel Zeit braucht er maximal, um eine Bestellung auszuliefern?
Wie lange braucht Herr Schlecker insgesamt f¨
ur die t¨aglichen Auslieferungen?
ii) Bestimmen Sie alle ungewichteten Center f¨
ur dieses Problem.
Herr Schlecker ist entsetzt, wie viel Zeit er f¨
ur die t¨aglichen Auslieferungen bei dem Standort
aus Teil i) braucht. Er malt sich aus, dass seine Frau und seine Kinder nicht sonderlich
begeistert sein werden, wenn er kaum noch zu Hause ist. Daher macht er sich auf die Suche
nach einem anderen Standort f¨
ur das neue K¨
uhlhaus.
iii) Bestimmen Sie einen gewichteten Median f¨
ur dieses Problem?
Wie viel Zeit braucht Herr Schlecker nun f¨
ur alle t¨aglichen Auslieferungen?
Wie viel Zeit braucht er maximal, um eine Bestellung auszuliefern?
b) Nennen Sie zwei Verfahren zur Bestimmung des optimalen Standorts f¨
ur ein 1−Centerproblem
mit l2 −Metrik in der Ebene und beschreiben Sie in 1 − 2 kurzen S¨atzen die Unterschiede
zwischen den beiden Verfahren.
Aufgabe 4 (Standortplanung auf Netzwerken): (20 Minuten)
a) Die Firma Schnappschuss stellt seit Jahren Spiegelreflexkameras her. Nach der Fertigung
werden die Kameras zu drei Lagern transportiert, von wo aus die Feinverteilung an die Kunden (Zwischen- und Einzelh¨andler) abgewickelt wird. Die Kunden der Firma konzentrieren
sich hierbei auf f¨
unf Regionen, in denen auch die drei Lager liegen. In der folgenden Abbildung sind die f¨
unf Regionen R1 , . . . , R5 und, grau unterlegt, die Standorte der drei Lager
(R1 , R4 und R5 ) dargestellt, sowie Strassenverbindungen zwischen den Regionen.
R2
R1
R1
R2
R3
R4
R5
R4
R3
R5
R1

0

 3

 5


 8
4
R2
R3
R4
2
0
7
9
3
6
7
0
2
8
5
2
8
0
3
R5

8

9 

4 


6 
0
Sie machen gerade ihr Praktikum in der Logistikabteilung der Firma und sind mit der Aufgabe betraut, das bisherige Distributionsnetz unter die Lupe zu nehmen. Als erstes stellen Sie
anhand der Straßenentfernungen zwischen den Regionen, den durchschnittlichen Kilometerpauschalen und den prognostizierten Absatzzahlen f¨
ur die Spiegelreflexkameras, die rechts
angegebene gewichtete Distanzmatrix auf. Die Zahlen entsprechen dabei Kosten in 100 000 e
pro Jahr f¨
ur die Auslieferungen.
Bei einer ersten Analyse f¨allt ihnen auf, dass drei Lager bei nur f¨
unf Kundenregionen eigentlich viel zu viel sind. Sie u
¨ berlegen sich, ob man bei einer L¨osung mit nur zwei Lagern nicht
vielleicht Kosten einsparen k¨onnte, denn durch die Schließung eines Lagers erh¨ohen sich zwar
die gesamten Distributionskosten, aber man spart die Unterhalts- und Betriebskosten eines
Lagers, welche sich auf 500 000 e belaufen.
3
i) Welches der drei Lager sollte man schließen, damit die Transportkosten m¨oglichst wenig
steigen? Lohnt sich, unter Ber¨
ucksichtigung der Unterhalts- und Betriebskosten, die
Schließung dieses Lagers?
Sie entscheiden sich daf¨
ur, das Lager in der Region 5 zu schließen. Allerdings sind nun die
Standorte der beiden verbliebenen Lager nicht mehr unbedingt transportkosten-minimal.
ii) Wenden Sie, ausgehend von dieser 2-Lager L¨osung, die Interchange-Heuristik (mit First
Improvement-Strategie) solange an, bis Sie keine bessere L¨osung mehr finden, jedoch
maximal 2 Iterationen. Geben Sie die endg¨
ultige L¨osung und ihre Kosten an.
b) Betrachten Sie folgendes Baum-Netzwerk, bei dem Knotengewichte den fettgedruckten und
Kantenl¨angen den normal gedruckten Zahlen entsprechen.
4
v2
6
v7
v8
2
6
5
6
v3
4
v1
7
3
v4
v6
7
2
v11
8
5
1
4
v9
10
3
v5
3
7
v10
8
8
i) Bestimmen Sie alle absoluten Mediane dieses Baum-Netzwerks.
ii) W¨
urde sich an der (den) optimalen L¨osung(en) aus Teil i) etwas a¨ndern, wenn man die
Kante [v4 , v5 ] durch eine neue Kante [v5 , v6 ] mit der gleichen L¨ange ersetzen w¨
urde?
Begr¨
unden Sie Ihre Antwort in 1 − 2 kurzen S¨
atzen.
Aufgabe 5 (Diskrete Standortplanung): (40 Minuten)
a) Die Spezialstahl AG betreibt f¨
unf Stahlh¨
utten in Europa. Zur Herstellung von Superlegierungen wird der Rohstoff Kobalt ben¨otigt. Da in den n¨achsten Monaten die Vertr¨age mit
ihren bisherigen Lieferanten in S¨
udafrika und Lateinamerika auslaufen, muss die Spezialstahl AG neue Liefervertr¨age abschließen. Die Vertr¨age haben in der Regel eine Laufzeit von
vier Jahren. Zur Auswahl stehen f¨
unf Lieferanten. F¨
ur die Verhandlungen mit den Lieferanten schaltet die Spezialstahl AG einen Makler ein, der sehr gute Verbindungen zu den
Lieferanten hat und dementsprechend g¨
unstige Preise aushandeln kann. Allerdings verlangt
der Makler pro Vertragsabschluss eine saftige Provision. In der folgenden, linken oberen Tabelle sind f¨
ur jeden Lieferanten die Provision und die zu erwartenden Rohstoffpreise pro
Tonne (in 100 000 e) angegeben.
4
1
6
0.3
2
8
0.2
3
13
0.1
4
7
0.2
5
11
0.1
Stahlh¨
utte
1
2
3
4
5
Nachfrage in Tonnen
10
10
20
10
20
Stahlh¨
utten
Lieferant
Maklerprovision
Preis pro Tonne
i\j
1
2
3
4
5
1
4
12
2
6
4
Lieferanten
2
3
4
7
16
7
4
7
8
9
9
8
5
13 11
12 11
3
5
13
14
6
5
10
In der rechten Tabelle sind f¨
ur jede Stahlh¨
utte die gesamten Transportkosten (in 100 000 e)
f¨
ur die Belieferung der in den n¨achsten vier Jahren ben¨otigten Menge Kobalt von jedem der
f¨
unf Lieferanten angegeben. Zu den Transportkosten kommen allerdings noch die Rohstoffkosten f¨
ur die angeforderte Menge Kobalt hinzu. Die in den n¨achsten vier Jahren ben¨otigte
Menge Kobalt in Tonnen in jeder der f¨
unf Stahlh¨
utten ist in der linken unteren Tabelle
angegeben.
Bestimmen Sie mit dem Greedy-Verfahren eine L¨osung f¨
ur dieses Problem, welche die Gesamtkosten, d.h., Provisionen, Transport- und Rohstoffkosten, f¨
ur die n¨achsten vier Jahre
minimiert. Geben Sie die von Ihnen berechnete L¨osung und deren Kosten an.
b) Gegeben sei ein Warehouse Location Problem mit f¨
unf Kunden und f¨
unf m¨oglichen Lagerstandorten. Die Fix- und Transportkosten sind wie folgt gegeben.
Lager
Fixkosten
1
7
2
8
3
9
4
6
i\j
1
2
3
4
5
5
5
1
9
7
1
8
2
2
3
8
7
6
4
3
8
2
6
4
9
4
4
3
9
7
8
5
7
9
4
1
7
i) Bestimmen Sie mittels des Dual Ascent-Verfahrens eine L¨osung f¨
ur das duale Problem.
Welchen Zielfunktionswert hat die L¨osung?
ii) Berechnen Sie, ausgehend von der in Teil i) ermittelten dualen L¨osung, mit Hilfe der
Konstruktionsheuristik eine zul¨assige L¨osung f¨
ur das WLP.
Wie hoch sind die Kosten dieser L¨osung? Treffen Sie eine Aussage u
ute der
¨ ber die G¨
gefundenen L¨osung.
iii) Die Qualit¨at einer L¨osung des Dual Ascent-Verfahren h¨angt, wie bei so vielen anderen
Heuristiken auch, sehr stark von der Reihenfolge der Eingabedaten ab. Angenommen,
der dritte und vierte Kunde sind umgekehrt nummeriert, d.h. die dritte und vierte Zeile
in der Transportkostenmatrix sind gerade eben vertauscht.
¨
Andert
sich dadurch etwas an der von ihnen in Teil i) berechneten dualen L¨osung?
Wenn ja, geben Sie die neue duale L¨osung an und bewerten Sie erneut mit deren Hilfe
die Qualit¨at der L¨osung der Konstriktionsheuristik.
c) Stellen Sie ein gemischt ganzzahliges lineares Programm f¨
ur das allgemeine Warehouse Location Problem auf mit
– mehreren Produkten und single-sourcing (aber ohne Produktverf¨
ugbarkeiten) und mit
– produktabh¨angigen Kapazit¨aten f¨
ur neue Einrichtungen.
Definieren Sie die Entscheidungsvariablen.
5
Aufgabe 6 (Prognoseverfahren): (15 Minuten)
Gegeben sind die folgenden Absatzzahlen der letzten vier Monate.
Monat
Absatz
1
39
2
44
3
43
4
48
a) Prognostizieren Sie den Absatz vom zweiten bis zum einschließlich f¨
unften Monat mit Hilfe
des Verfahrens der Gleitenden Durchschnitte (Moving Averages). W¨ahlen Sie f¨
ur das Verfahren den Parameter r = 3.
b) Die Prognose scheint immer recht weit daneben zu liegen. Berechnen Sie das Tracking Signal
f¨
ur die Monate 2 – 4. Welchen Schluss k¨onnen Sie daraus ziehen?
c) Prognostizieren Sie nun den Absatz vom zweiten bis zum einschließlich sechsten Monat mit
Hilfe des Verfahrens der Zweifachen Exponentiellen Gl¨attung (Methode von Holt). Bestimmen Sie hierbei die Prognosen f¨
ur die Monate 2-5 jeweils basierend auf dem Vorg¨angermonat.
W¨ahlen Sie f¨
ur das Verfahren die Parameter α = β = 0.3 und die Startwerte a1 = d1 und
b1 = (dT − d1 )/T − 1.
Berechnen Sie die durchschnittliche quadrierte Abweichung im vierten Monat, M SE4 .
*
*
*
Ende
*
Viel Erfolg !
6
*
*