- Institut der deutschen Wirtschaft

Pressekonferenz, 27. April 2015, Berlin
Die deutsche Konjunktur im Zeichen
billigen Öls und billigen Geldes
IW-Konjunkturumfrage und IW-Konjunkturprognose
Frühjahr 2015
Statement
Prof. Dr. Michael Hüther
Direktor
Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Es gilt das gesprochene Wort
Sondereffekte zünden Konsum-Strohfeuer
Das Konjunkturumfeld im Jahr 2015 ist außergewöhnlich gut,
aber durch zahlreiche positive Sondereffekte geprägt. Dazu
zählen vor allem der stark gesunkene Ölpreis, die noch weiter rückläufigen Niedrigzinsen sowie die deutliche EuroAbwertung. Viele dieser und weitere Sondereffekte wirken
jedoch nur einmalig und nicht dauerhaft positiv auf die deutsche Wirtschaft. Schon im nächsten Jahr gehen wir daher
wieder von einer deutlichen Wachstumsverlangsamung aus.
Das leidige Wellblechmuster der Konjunktur wird demnach
nicht überwunden.
Daraus ergeben sich wichtige wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen. Denn die mangelnde Nachhaltigkeit des Aufschwungs belegt, dass die gute Wirtschaftslage in diesem
Jahr keine Bestätigung für den wirtschaftspolitischen Kurs
der Bundesregierung ist. Im Gegenteil: Viele einmalig expansiv wirkende Maßnahmen werden langfristig zu Belastungen
für Wirtschaft und Beschäftigung, wie etwa der Mindestlohn
oder die Rentenpolitik. Der durch Sondereffekte getriebene
Konsumboom überdeckt die absehbaren negativen Wirkungen jedoch vorerst.
Mit einer Wirtschaftspolitik ohne Impulse für anhaltende Investitionen und Wachstum werden die Chancen auf einen
lang anhaltenden dynamischen Aufschwung verspielt. Das ist
deshalb problematisch, weil wir nach der ersten wirklich globalen Finanzkrise in einer veränderten Welt leben. Die
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Wachstumsfantasien der Vorkrisenzeit haben sich weitgehend in Luft aufgelöst, wie der Internationale Währungsfonds
jüngst festgestellt hat.
Im Weiteren werde ich Ihnen die Ergebnisse unserer Frühjahrsumfrage vorstellen und die wesentlichen Linien unserer
aktuellen Konjunkturprognose. Aufgrund des StrohfeuerEffektes gehen wir für 2015 von einem Anstieg der realen
Wirtschaftsleistung von knapp 2 ¼ Prozent aus. Im Jahr 2016
werden dagegen nur noch gut 1 ½ Prozent erreicht. Für das
laufende Jahr erhöhen wir damit unsere Prognose deutlich.
Denn seit dem Herbst ist es zu einem überraschend starken
Rückgang der Ölpreise, der Inflation und des Euro-Wechselkurses gekommen. Zudem sind die Erholungstendenzen im
Euroraum stärker geworden und mit Blick auf die weiter
schwelende Ukraine-Krise hat sich offenbar ein gewisser
Gewöhnungseffekt eingestellt.
Die gute Prognose für das laufende Jahr wird von unserer
neuesten Frühjahrsumfrage bei fast 3.000 Unternehmen untermauert. Sie melden eine deutliche Verbesserung der Konjunkturperspektiven für 2015 gegenüber 2014. Zwar ist der
Unterschied bei der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage
zwischen positiven und negativen Nennungen (32 Prozent
versus 22 Prozent) nicht sehr groß. Bei den Geschäftsperspektiven für 2015 im Vergleich zum Vorjahr sieht das Bild in
der Gesamtschau deutschlandweit aber deutlich besser aus:
40 Prozent der befragten Firmen sehen optimistischer auf
2015 als auf 2014, während nur 17 Prozent der Firmen sinPressestatement, 27. April 2015: „IW-Konjunkturumfrage und IW-Konjunkturprognose“
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kenden Geschäftserwartungen melden. Der positive Saldo
von 23 Prozent ist deutlich höher als bei der letzten Umfrage
im Herbst, als es nur 4 Prozent waren.
Ein noch etwas besseres Bild zeigt sich bei den überdurchschnittlich guten Produktionserwartungen der befragten
Unternehmen für 2015 im Vergleich zum Vorjahr. Hier ergibt
sich deutschlandweit ein positiver Saldo von sogar 31 Prozent,
mit nur begrenzten Unterschieden zwischen Westdeutschland
(Saldo 31 Prozent) und Ostdeutschland (Saldo 27 Prozent).
Besonders optimistisch sind deutschlandweit Investitionsgüterhersteller mit einem Saldo von 34 Prozent und Dienstleister mit
33 Prozent. Bemerkenswert ist auch, dass größere Unternehmen deutlich positiver gestimmt sind als kleinere. Das gilt für
die meisten der abgefragten Kategorien.
Billiges Öl, billiges Geld und weitere
Sonderfaktoren als Konjunkturtreiber
Die Sonderfaktoren Öl und Geld stehen besonders im Fokus.
Sie haben eine hohe Bedeutung für die Konjunktur, denn sie
wirken über zahlreiche Kanäle auf die deutsche Volkswirtschaft ein. Der starke Preisrückgang von Rohöl, das sich
nach unserer Annahme bis Ende 2016 auf bis zu 75 USDollar pro Barrel wieder leicht verteuert, stärkt die Kaufkraft
von Haushalten und Unternehmen und wirkt auch auf die
globale Nachfrage nach deutschen Exporten. Extreme Niedrigzinsen, bei denen wir am langen Ende erst gegen Ende
2016 wieder einen leichten Anstieg annehmen, können die
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Konsum- und Investitionsanreize erhöhen. Sie haben zudem
den Euro gegenüber dem US-Dollar und anderen Währungen
stark abwerten lassen. Dieser Wechselkurseffekt, der im
Prognosezeitraum per Annahme nur wenig weiter fortschreitet, verbessert die Handelsbilanz und lässt über teurere Importe die Preise steigen. Darüber hinaus bewirkt die Wirtschaftspolitik weitere Sondereffekte: Vor allem die Einführung
des gesetzlichen Mindestlohns sowie einige „Rentengeschenke“ lassen die Einkommen kurzfristig steigen.
Wir gehen davon aus, dass sich verbleibende ökonomische
und politische Risiken nicht nachhaltig krisenhaft auf die
deutsche Konjunktur auswirken, jedenfalls – wie bisher –
nach kurzer Irritation verkraften werden können. Dazu zählen
vor allem die geopolitischen Risiken etwa im Jemen und insbesondere die Ukraine-Krise, eine mögliche Eskalation der
Euro-Schuldenkrise durch einen Grexit oder durch Wahlen in
Spanien und Portugal sowie die anstehende US-Zinswende
und daraus resultierende potenziell starke Kapitalabflüsse
aus Schwellenländern. Das schließt nicht aus, dass einzelne
Branchen oder Regionen besonders betroffen sein können.
Strohfeuer beim privaten Konsum
Der preisbereinigte private Konsum wird 2015 aufgrund der
erwähnten Sondereffekte das drittstärkste Wachstum seit
1991 aufweisen, nur in den Jahren 1992 und 1999 war er
stärker. Damit wird er auch aufgrund seines hohen Anteils an
der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage mehr als die Hälfte
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zum BIP-Wachstum beitragen. So befindet sich das GFKKonsumklima derzeit auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren
und die Anschaffungsneigung war nur Ende 2006 höher, als
die Mehrwertsteuererhöhung 2007 anstand. Zudem gab es
im Februar einen starken Anstieg der Auftragseingänge der
Konsumgüterindustrie, der sich unter den üblichen monatlichen Schwankungen fortsetzen sollte.
Die übrigen Industriebranchen sind eher schwach ins Jahr
2015 gestartet, wenngleich sich dies im weiteren Jahresverlauf ändern dürfte. Bislang profitiert die stark exportorientierte
Industrie offenbar nur begrenzt vom heimischen Konsumboom. Der stärker inlandsorientierte Dienstleistungssektor
dürfte hingegen deutliche Vorteile aus dem dynamischen privaten Verbrauch ziehen. Darauf deutet auch unsere Umfrage
hin, bei der die Dienstleistungsfirmen meist überdurchschnittlich abschneiden.
Allerdings wird der private Konsum nächstes Jahr schon wieder merklich an Dynamik verlieren und damit wesentlich zu
der von uns prognostizierten Wachstumsabschwächung 2016
beitragen. Denn trotz stabiler Arbeitsmarktentwicklung wird
es nur ein Strohfeuer beim Konsum geben: Wichtige Sonderfaktoren, die die Verbrauchsausgaben in 2015 beflügeln, wirken nur einmalig auf das Wachstum oder kehren ihre Wirkungsrichtung gar um. Dies gilt vor allem für den Ölpreis und
die Inflation, die in 2016 wieder ansteigen werden. Der massive Rückgang des Ölpreises seit dem letzten Herbst hat zu
einem starken Inflationsrückgang geführt. Zudem entstand so
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eine große Kluft von fast einem Prozentpunkt zwischen der
ausgewiesenen Inflationsrate und der Inflationsrate ohne
Energie. Diese Kluft wird bei einem prognostiziert niedrigen
Ölpreis bis zum Herbst in leicht abgeschwächter Form noch
erhalten bleiben. Danach läuft die inflationssenkende Wirkung des Energiepreisverfalls aus und die Verbraucherpreise
werden wieder stärker zunehmen. Im Jahresdurchschnitt
2015 gehen wir daher von einer Inflationsrate von nur rund
½ Prozent aus.
Unsere Konjunkturumfrage, bei der nach verschiedenen Folgen
des Energiepreisverfalls gefragt wurde, untermauert diese Erwartung. Demnach gehen fast vier von zehn befragten Unternehmen davon aus, dass ihre Absatzpreise durch den starken
Rückgang der Energiepreise unter Druck geraten, bei mehr als
jedem zehnten Betrieb gilt dies sogar in starkem Maß.
Die derzeit sehr niedrige Inflation birgt aufgrund der guten
Konjunkturlage in Deutschland – anders als in anderen Teilen
des Euroraums – keine Gefahr einer Deflationsspirale. Vielmehr stärkt sie über die höhere Kaufkraft den Konsum und
damit die Wirtschaftsdynamik weiter.
Im Jahr 2016 gilt das aber nicht mehr in diesem Ausmaß,
denn die Inflation wird deutlich auf rund 1½ Prozent zunehmen. Grund dafür sind neben dem leicht steigenden Ölpreis
vor allem Erhöhungen von Lohnkosten und Importpreisen
sowie eine Zunahme der Kapazitätsauslastung. Die starke
Nachfrage macht es zudem Unternehmen leichter, eigene
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gestiegene Kosten über ihre Absatzpreise weiterzugeben.
Zudem spielt auch die EZB mit ihrer starken Expansionspolitik eine Rolle.
Weitere Einmaleffekte auf das Einkommens- und Konsumwachstum gehen in 2015 vom neuen gesetzlichen Mindestlohn sowie von der Rentenpolitik aus – hier vor allem von der
Rente mit 63 und der Mütterrente, die beide erst in diesem
Jahr voll auszahlungswirksam werden. Der Mindestlohn trägt
immerhin rund ein Drittel zum Wachstum der Stundenlöhne in
2015 bei. Etwa 4 Millionen Beschäftigte dürften zunächst von
höheren Stundenlöhnen profitieren. Allerdings werden die
Unternehmen versuchen, den Kostenschub aufzufangen. Eine Unternehmensbefragung des ifo-Instituts zeigt, dass jeweils rund ein Fünftel der befragten Firmen dazu Sonderzahlungen kürzen, Personal abbauen oder die Arbeitszeit verringern wollen.
Nach dem Auslaufen dieser Effekte fällt das Konsumwachstum im nächsten Jahr auf eine wesentlich geringere Grunddynamik von knapp 1½ Prozent zurück. Dieser verringerte
Zuwachs wird vor allem durch die niedrigen Zinsen, eine wohl
anhaltende Lohndynamik und die Beschäftigungsentwicklung
getragen, die sich 2016 allerdings auch abschwächt.
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Beschäftigung positiv, aber weniger dynamisch
Wir gehen im laufenden Jahr davon aus, dass die Beschäftigung um mehr als ¾ Prozent und im nächsten Jahr um gut
½ Prozent steigen wird. Die gute Beschäftigungsprognose für
2015 basiert auch auf unserer Frühjahrsumfrage. So gehen
deutschlandweit rund 34 Prozent der befragten Unternehmen
von einem Beschäftigungsanstieg gegenüber dem Vorjahr
aus, nur 17 Prozent sehen einen Rückgang voraus. Der Saldo aus positiven und negativen Meldungen ist damit auf einen überdurchschnittlichen Wert von 18 Prozent gestiegen von lediglich 2 Prozent in der letzten Herbstumfrage. Die Unternehmen in Westdeutschland sind dabei mit einem Saldo
von 19 Prozent aber deutlich optimistischer als Firmen in
Ostdeutschland (Saldo 8 Prozent). Eine Erklärung könnte
sein, dass Ostdeutschland stärker vom Mindestlohn betroffen
ist. Zum konsumgetriebenen Konjunkturbild passt, dass
deutschlandweit Dienstleistungsfirmen besonders optimistisch sind (Saldo von 25 Prozent). Doch auch Industriebetriebe melden einen positiven Saldo von 6 Prozent.
Gründe für den Rückgang des Beschäftigungszuwachses im
kommenden Jahr sind in erster Linie die dann anstehende
Abschwächung der Konjunktur sowie der deutlich gestiegene
Lohnkostendruck. Hier spielt gerade im Dienstleistungssektor
der Mindestlohn eine kritische Rolle.
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Außenhandel mit moderat stärkerer Dynamik
Die Sondereffekte Wechselkurs und Ölpreisverfall wirken
auch auf die Weltwirtschaft und den deutschen Außenhandel.
So stützt die Euro-Abwertung tendenziell deutsche Exporte
und der Energiepreisverfall beeinflusst die globale Nachfrage
nach deutschen Exporten.
Wir prognostizieren vor diesem Hintergrund einen Anstieg
der preisbereinigten Exporte von 5 ¼ Prozent im Jahr 2015
und von 5 ½ Prozent im Jahr 2016. Bei den realen Importen
gehen wir in diesem Jahr von einen Zuwachs von 6 Prozent
aus und von 5 ½ Prozent im nächsten. Dass die Importe in
2015 schneller wachsen als die Exporte, liegt vor allem an
der starken Konsumkonjunktur und den moderat steigenden
Investitionen hierzulande. Damit trägt der Außenhandel insgesamt im laufenden Jahr so gut wie nicht, im nächsten Jahr
aber moderat zu Wachstum in Deutschland bei.
Der merkliche Anstieg der Exportprognose für das Jahr 2015 gegenüber unserer letzten Vorhersage aus dem Herbst (4 Prozent
Zuwachs) begründen wir zunächst mit den deutlich verbesserten
Exporterwartungen der von uns befragten Unternehmen. Knapp
ein Drittel der Firmen gehen deutschlandweit von höheren Exporten als 2014 aus und nur knapp 12 Prozent von geringeren Ausfuhren. Der Positivsaldo steigt damit auf fast 21 Prozent gegenüber nur 6 Prozent bei der letzten Herbstumfrage. Dieser Saldo ist
bei ostdeutschen Unternehmen deutlich geringer (2 Prozent) als
bei westdeutschen Firmen (23 Prozent). Mit einem Saldo von
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33 Prozent sind deutschlandweit insbesondere Betriebe aus dem
Investitionsgüterbereich positiv gestimmt.
Weitere Gründe für die verbesserte Exportprognose sind der
Ölpreisrückgang und die etwas dynamischere Weltkonjunktur. Die Wirkung der Euro-Abwertung ist ebenfalls relevant,
sollte aber auch nicht überschätzt werden, zumal in vielen
Zielländern unserer Exporte die Währung ebenfalls gegenüber dem US-Dollar abgewertet hat.
Die Rolle des Energiepreisrückgangs für die globale Nachfrage nach deutschen Exporten ist ambivalent: Energieexportländer verzeichnen Einbußen und dürften daher zurückhaltender mit dem Import deutscher Güter sein, während für
Energieimporteure das Umgekehrte gilt. Allerdings zeigt unsere Konjunkturumfrage, dass sich die Relevanz dieses Effekts in Grenzen hält. Etwas mehr als 22 Prozent der Unternehmen erwartet energiepreisbedingt eine höhere Nachfrage
nach ihren Produkten aus dem Ausland, nur gut 2 Prozent
der Betriebe rechnen hier mit einem starken Effekt. Knapp
24 Prozent der Firmen sehen hingegen einen energiepreisbedingten Rückgang der Nachfrage aus Rohstoffländern, gut
4 Prozent erwarten hier einen starken Effekt.
Weltwirtschaft legt einen kleinen Gang zu
Wesentlich relevanter für den deutschen Exportzuwachs ist
die Wachstumsdynamik der Weltwirtschaft. Hier bleibt es im
laufenden Jahr bei einer eher moderaten Expansion, die im
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Jahr 2016 etwas an Tempo zulegt. Sie wird wie zuletzt mehr
von den Industrieländern als den Schwellenländern getragen.
Dabei ist das Wachstum in den USA und im Vereinigten Königreich überdurchschnittlich. Doch auch im Euroraum, der
für Deutschland besonders relevant ist, zeigen sich zunehmende Erholungstendenzen, wenngleich das Wachstum hier
noch recht schwach bleibt. Die Strukturreformen der Krisenländer, die umfangreicher sind als gemeinhin angenommen,
beginnen sich endlich auszuzahlen. Auch die Banken in Südeuropa sind weniger zurückhaltend bei der Kreditvergabe.
Beim Export in manche dieser Länder spüren einige Industriebranchen derzeit bemerkenswerte Nachholeffekte. Auch
Frankreich als wichtigster deutscher Handelspartner findet im
Prognosezeitraum – nicht zuletzt wegen erster wichtiger Reformen – zu einem freilich nur schwachen Wachstum von
1 Prozent zurück.
Die meisten der für die deutsche Wirtschaft wichtigen BRICStaaten enttäuschen im Prognosezeitraum erneut. Das gilt
vor allem für das krisengezeichnete Russland, aber auch für
Brasilien. Chinas Wachstum bleibt in beiden Prognosejahren
bei knapp 7 Prozent und damit sehr viel geringer als noch vor
einigen Jahren. Hier steht weiterhin der Umbau von einem
investitions- und exportgetriebenen Wachstum hin zu mehr
Konsumorientierung und einer stärkeren Berücksichtigung
des Umweltschutzes an. Allein Indien dürfte unter der relativ
wirtschaftsfreundlichen Regierung Modi wieder dynamischer
und damit 2016 sogar schneller als China wachsen.
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Nach einer Analyse des Internationalen Währungsfonds ist
der Wachstumsrückgang der Schwellenländer nicht nur ein
konjunktureller Effekt, sondern spiegelt ein kontinuierlich
vermindertes Potenzialwachstum wider. Grund dafür sind
auch erhebliche Governance-Probleme.
Investitionsdynamik weiter ohne Fantasie
Auch in den Industrieländern ermittelt der IWF vor allem nach
der Finanzkrise einen Rückgang des Potenzialwachstums,
der sich zuletzt nur leicht zurückbildet. Diese Entwicklung ist
vor dem Hintergrund der Diskussion um eine vermeintliche
säkulare Stagnation hoch relevant. Begründen lassen sich
die schwächeren Wachstumsaussichten nicht zuletzt durch
den starken Investitionseinbruch, der gerade im Euroraum
und vor allem in den Krisenländern groß war und das Produktionspotenzial geschwächt hat. Das ist auch der Hintergrund
des Investitionsprogramms der EU-Kommission, das aber mit
Blick auf seine Begründung (vermeintliches Staatsversagen)
und seine Umsetzung (u.a. substitutive Finanzierung) durchaus kritisch gesehen werden kann.
Auch in Deutschland wird zu Recht über eine anhaltende
Schwäche der privaten Ausrüstungsinvestitionen diskutiert.
Die Frage, ob die deutschen Investitionen wieder anziehen,
ist zudem relevant für die Nachhaltigkeit des Aufschwungs.
Denn ohne eine neue Investitionsdynamik, die dem Konsumrückgang im nächsten Jahr deutlich entgegenwirkt, wird das
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BIP-Wachstum wieder sinken. In der Tat ist genau das unser
Konjunkturbild.
Im laufenden Jahr dürften die preisbereinigten Ausrüstungsinvestitionen zwar moderat um rund 4 Prozent ansteigen.
Diese Erwartung wird von unserer Frühjahrsumfrage gestützt:
Hier ist der Saldo aus positiven und negativen Meldungen im
Vorjahresvergleich auf ein im längerfristigen Vergleich überdurchschnittliches Niveau von rund 24 Prozent der befragten
Unternehmen gestiegen – von lediglich 6 Prozent im Herbst.
Doch liegen die Erwartungen weit hinter dem hohen Wert von
29 Prozent bei der Frühjahrsumfrage 2014 zurück, als sie im
weiteren Jahresverlauf enttäuscht wurden. Wieder schneidet
der Westen Deutschlands (Saldo 27 Prozent) deutlich besser
ab als der Osten (Saldo 7 Prozent). Auch sind deutschlandweit erneut die Dienstleister und die Investitionsgüterhersteller besonders optimistisch.
Die Umfrage macht darüber hinaus deutlich, dass die Zunahme der Bauinvestitionen in 2015 Jahr eher gering sein
wird. Denn die Produktionserwartungen des Baugewerbes
sind mit einem Saldo von 15 Prozent für 2015 stark unterdurchschnittlich im Branchenvergleich.
Für das Jahr 2016 sehen wir keinen neuen dynamischen
Zyklus bei den realen Ausrüstungsinvestitionen, sondern
prognostizieren einen leicht schwächeren Anstieg von
3 ½ Prozent. Unserer Ansicht nach platzt der Knoten nicht
und es bleibt somit auch hier bei der Wellblechkonjunktur.
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Wir begründen unsere verhaltene Skepsis mit der Abwägung
aus positiven und negativen Einflussfaktoren: So könnten die
gesunkenen Energiepreise zwar stimulierend wirken, weil
mehr Geld für Investitionen bleibt. Tatsächlich zeigt unsere
Frühjahrsumfrage, dass mehr als drei von vier Unternehmen
deshalb einen Rückgang ihrer Produktions- und Betriebskosten erwarten und 15 Prozent hier sogar einen starken Effekt
sehen. Doch nur ein deutlich geringerer Anteil von 37 Prozent
der befragten Firmen will aufgrund der energiepreisbedingten
Kosteneinsparungen mehr investieren, nur 6 Prozent will dies
stark tun. Der tatsächliche Effekt der gesunkenen Energiepreise ist also begrenzt und wird bei dem angenommenen
leichten Energiepreisanstieg bis 2016 seine Relevanz wieder
verlieren.
Entscheidender sind sicherlich die zunehmende Kapazitätsauslastung, die Anreize zu Erweiterungsinvestitionen gibt,
sowie der steigende Kostendruck, der Rationalisierungsinvestitionen begründen kann. Auch die nochmals gesunkenen
Kreditzinsen könnten die Investitionstätigkeit stützen. Doch
die Erfahrung zeigt: Die Relevanz der Zinsen sollte nicht
überschätzt werden, es kommt vor allem auf belastbare
Nachfrage- und Absatzperspektiven an.
Doch gerade hier fehlt die Fantasie, was auch die Bedeutung
der höheren Kapazitätsauslastung begrenzt. So erscheint
das Exportwachstum nicht stark genug, um in Deutschland
kräftige Investitionen anzukurbeln. Auch das Strohfeuer beim
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Konsum dürfte von den Unternehmen als solches erkannt
werden.
Die zentralen Gründe für unsere Zurückhaltung bei den Investitionsperspektiven sind jedoch die folgenden:
- Die vergangenen Jahre waren durch eine hohe Unsicherheit geprägt und die Erfahrung mit den verschiedenen Krisen wirkt unserer Ansicht nach. Die eingangs erwähnten
geopolitischen und ökonomischen Risiken sind weiter relevant. Zudem bleibt die wirtschaftspolitische Unsicherheit
in Europa hoch.
- Es mehren sich strukturelle Indizien, dass die exportorientierte Industrie in Zukunft Erweiterungsinvestitionen vorwiegend im Ausland vornehmen und in Deutschland nur
noch begrenzt investieren könnte. Man sieht dies beispielsweise an der hohen Reinvestition der im Ausland erzielten Gewinne ebendort.
- Die beiden vorgenannten Aspekte werden durch die investitions- und wachstumsschädliche Wirtschaftspolitik der
vergangenen Jahre weiter verschärft, worauf ich gleich
näher eingehen werde.
Insgesamt verhindern die dämpfenden Faktoren die Entstehung eines anhaltenden Investitionsbooms. Da auch die Perspektiven bei den Bauinvestitionen und beim Export verhalten bleiben, kann der Rückgang des privaten Konsums im
nächsten Jahr kaum kompensiert werden. Damit wird das
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gesamtwirtschaftliche Wachstum wieder deutlich schwächer
und ein Boom bleibt aus.
Wirtschaftspolitik verbraucht die Anstrengungen
der Vergangenheit und schafft Zukunftslasten
Die Wirtschaftspolitik hat es in den vergangenen Jahren versäumt, die Investitionsbedingungen zu verbessern. Es fehlt
jede nachhaltige Sicht für eine Politik, die das Wachstum
stärkt. Statt dessen werden Maßnahmen ergriffen, die die zukünftige Entwicklung gefährden. Derzeit überdecken das
Konsumstrohfeuer und die gute Beschäftigungsentwicklung
diese Gefahren noch, doch die Belastungsfaktoren summieren sich und dürften ihre volle Wirkung beim nächsten Abschwung zeigen.
So geben die deutlichen Lohnerhöhungen und der Mindestlohn lediglich einmalige Kaufkraftschübe, verteuern aber
dauerhaft den Faktor Arbeit und mindern die Einstellungsanreize. Bei einer künftig schwächeren Konsumentwicklung
dürften sich vor allem bei Dienstleistungen, die durch den
Mindestlohn teurer geworden sind, merkliche Nachfragerückgänge einstellen und so Entlassungen nötig machen. Ich
warne davor, die Kraft relativer Preisverschiebungen zu unterschätzen. Der deutliche Rückgang bei der Anzahl geringfügig Beschäftigter (ohne Nebenerwerbstätige) in den letzten
Monaten könnte – bei aller Vorsicht aufgrund der noch dünnen Datenlage – ein erster Hinweis darauf sein, was hier am
Arbeitsmarkt auf längere Sicht droht.
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Auch die Rentenpolitik belastet den Faktor Arbeit zusätzlich:
Statt Beitragssenkungen werden ihre Leistungen in fragwürdiger Weise immer weiter ausbaut. Gerade auf längere Sicht
wachsen damit die Belastungen im Zuge der demografischen
Entwicklung. Auch vermindert die Rente mit 63 das Erwerbspersonenpotenzial trotz des absehbar hohen Fachkräftebedarfs.
Bedeutsam für die Investitionsperspektiven sind auch die
Kostenbelastungen durch die Energiewende. Denn das
Wegbrechen von energieintensiven Unternehmen würde
ganze Wertschöpfungskettens gefährden und damit den
Standort Deutschland nachhaltig schwächen.
Die Bundesregierung sollte daher sehr bald eine neue angebotspolitische Agenda für bessere Investitionsbedingungen
und nachhaltige Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven entwickeln. Zu den wesentlichen Elementen einer solchen Agenda gehören:
- Vorbereitung der sozialen Sicherungssysteme auf die demografische Herausforderung ab dem Jahr 2020. Hierzu
zählt auch eine weitere Erhöhung der Lebensarbeitszeit.
- Die Flexibilität des Arbeitsmarkts, die mitverantwortlich für
das hohe Beschäftigungsniveau in Deutschland ist, darf
nicht durch derzeit diskutierte Begrenzungen bei Zeitarbeit
und Werkverträgen eingeschränkt werden.
- Weitergehende Konsolidierung der öffentlichen Haushalte,
insbesondere auch über die Ausgabenseite. Es wäre fahrPressestatement, 27. April 2015: „IW-Konjunkturumfrage und IW-Konjunkturprognose“
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lässig, dauerhaft mit dem derzeitigen Einnahmewachstum
von mehr als 3 Prozent zu rechnen, um damit ein ähnlich
hohes Wachstum der Ausgaben zu finanzieren.
- Erhöhung der Infrastrukturinvestitionen, wofür im Bundeshaushalt Vorsorge getroffen werden muss. Dies betrifft
den Ausbau der digitalen Netze, ebenso die Verkehrsnetze. Den Vorschlag, dafür eine Infrastrukturgesellschaft
nach österreichischem Vorbild (Asfinag) einzurichten, haben wir bereits vor längerem gefordert. Notwendig ist
ebenso eine Infrastrukturplanung, die Bund und Länder
sowie alle Netze integriert.
- Begrenzung der Abgabenbelastung für Unternehmen und
Bürger. Über die Abschaffung der kalten Progression sollten neue Belastungen vermieden werden. Mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags könnte sogar eine
nennenswerte Entlastung erfolgen.
-
Abbau nationaler Zusatzbelastungen und Schaffung von
Planungssicherheit in der Energiewende. Rein nationale
Belastungen und immer wieder drohende Mehrbelastungen durch die Befristung von Ausnahmeregeln haben sich
als erhebliches Investitionshemmnis herausgestellt. Die
Energiewende zeigt prototypisch die Verantwortung der
Politik, klare ordnungspolitische Perspektiven zu entwickeln statt laufend in Prozesse einzugreifen und damit Unsicherheiten zu produzieren.
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