geistreich geistreich text Matthias Dembski fotos Dietrich Bonhoeffer – Bilder seines Lebens © Gütersloher Verlagshaus www.dietrich-bonhoeffer.net Von guten Mächten Vor 70 Jahren ermordeten die Nazis den bekannten Theologen Dietrich Bonhoeffer. Er war in der Bekennenden Kirche und im Widerstand gegen Hitler aktiv. Sein Ziel: „Dem Rad in die Speichen fallen“ und dem mörderischen Treiben in Deutschland ein Ende setzen. „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“* Evangelisches Gesangbuch, Nr.65 Für Andere dasein Raus aus dem Hamsterrad An was wir alles glauben Bonhoeffer sagte, dass Menschen an viel zu viel glauben: Macht, Einfluss, Geld, zweifelhafte Helden und neue Ideen, die sich bald als schädlich herausstellen. „Aber wir glauben über dem allen an den Einen nicht – an Gott. Und dieser Glaube an Gott würde uns nämlich den Glauben an alle die anderen Mächte nehmen, unmöglich machen.“ Blitzkarriere eines Theologen Für die Juden schreien Riskantes Doppelleben Schon als 24-Jähriger habilitierte sich Bonhoeffer und wurde Privatdozent in Berlin. Er arbeitete als Jugendreferent für die Ökumenische Bewegung und hatte zahlreiche Auslandskontakte. Bereits 1930/31 hielt er sich zu Studienzwecken in den USA auf. Er arbeitete in New York und London, lernte dort die Weltoffenheit kennen. Schnell war ihm klar: Nationalsozialismus und Christentum sind nicht zu vereinbaren. Eine Rundfunkrede Bonhoeffers nach der „Machtergreifung“ der Nazis wurde vorzeitig abgebrochen. Bonhoeffer ging als Auslandspfarrer nach London, weil er nicht in der „häretischen Reichskirche“ arbeiten wollte. 1935 kehrte er aber nach Deutschland zurück, wo er an der Berliner Universität und einem Predigerseminar der Bekennenden Kirche lehrte, das die Nazis 1937 schlossen. Bonhoeffer arbeitete im Untergrund weiter. Von 1940 an durfte er keine Schriften mehr veröffentlichen, 1941 bekam er öffentliches Redeverbot. Bereits 1933 äußerte sich Bonhoeffer gegen die Judenverfolgung der Nazis und engagierte sich gegen den „Arier“-Paragraphen in der Kirche, der Pfarrern mit jüdischen Wurzeln verbieten sollte, ihren Beruf auszuüben: „Der Ausschluss der Juden-Christen aus der kirchlichen Gemeinschaft zerstört die Substanz der Kirche Christi“, schrieb Bonhoeffer. „Die Rasse (…) darf nie Kriterium für die Zugehörigkeit zur Kirche sein, dies ist allein das Wort Gottes und der Glaube.“ Bonhoeffer gehörte wegen seiner guten internationalen Kontakte ab 1940 zum Widerstandskreis um Admiral Canaris, Leiter des deutschen Militärgeheimdienstes. Offiziell arbeitete er als Reiseagent der „Abwehr“, reiste zu einem Geheimtreffen mit dem englischen Bischof Bell nach Schweden und informierte ihn über die Umsturzpläne des Widerstands. Als das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 scheiterte, geriet auch Bonhoeffer ins Visier der Nazis. Er wurde verhaftet und am 9. April 1945 auf persönlichen Befehl Hitlers im KZ Flossenbürg gehängt. Seine letzten Worte vor der Hinrichtung: „Für mich ist dies das Ende, aber auch der Anfang.“ Ein Grab gibt es nicht, seine junge Verlobte und die Familie erfuhren erst im Juni 1945 von der Hinrichtung. Der verantwortliche Richter kam nach Kriegsende ungeschoren davon, erst 1998 wurde das Unrechtsurteil aufgehoben. „Raus aus dem Hamsterrad“ – das forderte auch Bonhoeffer. Sonn- und Feiertage sind dazu da, auszuruhen. Arbeit dürfe nicht unser ganze Leben bestimmen. „Nicht die Arbeit erhält den Menschen, sondern allein Gott; nicht von der Arbeit lebt der Mensch, sondern allein von Gott.“ Deshalb dürfen Arbeit und Konsum nicht die Oberhand gewinnen, weil sie uns sonst bald völlig mit Beschlag belegen und wir „darüber Gott vergessen“. Deshalb gebe es kein Gebot zu arbeiten, wohl aber eines, von der Arbeit auszuruhen. Christsein hieß für Bonhoeffer „Menschsein“ mitten im Leben. Er suchte Gott nicht in einem entfernten, unerreichbaren Jenseits. Er war für ihn kein allmächtiges, höchstes Wesen, das irgendwo fern von uns existiert. „Unser Verhältnis zu Gott ist ein neues Leben im »Dasein-für-andere«, in der Teilnahme am Sein Jesu.“ Wer sich dem Nächsten zuwende, begegne Gott. Glauben und Handeln müssten übereinstimmen. Die Bergpredigt Jesu hatte für Bonhoeffer eine besondere Bedeutung. Christen sollten „Gott in Menschengestalt“ suchen. In seinen Briefen aus dem Gefängnis entwickelte er wichtige Gedanken, wie die zukünftige Kirche aussehen sollte: Sie müsse „Kirche für Andere sein“, für die Armen, Ausgegrenzten, Fremden, für die, die von Gott nichts wüssten. Ein Leben mit Gott anfangen „Fragen wir, wie wir ein Leben mit Gott anfangen könnten, so antwortet die Bibel, dass Gott schon längst das Leben mit uns angefangen hat.“ Bonhoeffer schrieb 1936 sein Buch über die „Nachfolge“. Angesichts des Nationalsozialismus, der die Menschen immer mehr mit Beschlag belegte, verlangte Bonhoeffer den radikalen Bruch mit der Welt. Wer Jesus nachfolge, breche mit allem, was Menschen an diese Welt binde: Familie, Volk, Geschichte, Natur. Dafür bekämen Christen keine Anerkennung, sondern seien anstössig: „Darum werden die Jünger um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden.“ Für die Kirche bedeute Nachfolge, dass sie sich nicht um sich selbst drehen dürfe, sondern für andere da sein müsse. „ „Dem Rad in die Speichen fallen * Ein evangelischer „Heiliger“? Unerfüllte Wünsche Bonhoeffers Lebensweg im Widerstand gibt bis heute ein Beispiel, wie Christen für Menschenrechte Verfolgter eintreten sollen. Bonhoeffer war einer der wenigen Theologen, die schon während des Nationalsozialismus die Solidarität der Christen mit den Juden anmahnten und konsequent gegen die Nazi-Ideologie eintraten. Dafür wurde er zum Märtyrer. Heute wird er von vielen als „Lichtgestalt“ überhöht, was ihm selbst am wenigsten gepasst haben dürfte. Bonhoeffer hat auch Schriften hinterlassen, die man heute kritisch sehen muss. Wenn er vom „recht verstandenen Gottesgnadentum der Obrigkeit“ schreibt oder man die patriarchalen Töne der Brautbriefe an seine erst 18-jährige Verlobte hört, erlebt man die andere Seite des großen Theologen. Bonhoeffer war ein Konservativer, der immer wieder Grenzen überschritt, z.B. als Pazifist, der im militärischen Widerstand mitwirkte. „Es gibt erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche.“* alle Bonhoeffer-Zitate sind zu finden unter www.dietrich-bonhoeffer.net t tipps Die Landeskirchliche Bibliothek im Haus der Kirche, Franziuseck 2-4, hält die Werke und eine große Auswahl aktueller Bücher zu Dietrich Bonhoeffer bereit. Telefon 0421/5597-287 [email protected] www.bibliotheken.kirche-bremen.de Das Dietrich-Bonhoeffer-Portal bietet zahlreiche Infos zu Gedenkorten, Veranstaltungen im Bonhoeffer-Jahr, Projekt- und Gottesdienstvorschläge, eine umfangreiche Zitat-Datenbank sowie Bildmaterial aus Bonhoeffers Leben. www.dietrich-bonhoeffer.net 18 BEK Forum Mai 2015 BEK Forum Mai 2015 19
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