kleine Krabbe - mayershome.de

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Lösungsvorschlag
Frage 1: Ist der Widerspruch zulässig?
Zu prüfen ist vorliegend, ob der Widerspruch des Jung zulässig ist.
(I. Rechtsweg zum Verwaltungsgericht)
Dann müsste zunächst der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht gegeben sein. Eine
Spezialzuweisung durch eine gesetzliche Regelung zum Verwaltungsgericht ist nicht
ersichtlich.
(Generalzuweisung des § 40 Abs. 1 VwGO)
Nach der Generalzuweisung des § 40 Abs. 1 VwGO ist der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht gegeben, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt und keine anderweitige Zuweisung vorliegt.
(a. öffentlich-rechtliche Streitigkeit)
Die streitentscheidenden Normen müssen öffentlich-rechtlicher Natur sein, d.h. einen
Hoheitsträger als Berechtigten oder als Verpflichteten benennen. (Jede andere Definition für
die Abgrenzung öffentliches/privates Recht ist auch möglich.)Die Beteiligten streiten über die
Frage, ob die Verfügung der Stadt Kaiserslautern hinsichtlich der Betriebsuntersagung,
rechtmäßig ist. Ermächtigungsgrundlage für das Handeln durch die Stadt Kaiserslautern sind §
31 GastG iVm § 15 Abs.2 Satz 1 GewO, § 30 GastG in Verbindung mit § 1 GastVO. Dort ist
die Kommune als berechtigter Hoheitsträger genannt. Die Streitigkeit ist damit öffentlichrechtlicher Natur.
(b. nichtverfassungsrechtlicher Art)
Die Streitigkeit ist nichtverfassungsrechtlicher Art, weil weder Verfassungsorgane oder ihnen
gleichgestellte Personen an dem Streit beteiligt sind, noch Streit über Anwendung und
Auslegung von Verfassungsrecht besteht.
(c. keine Zuweisung zu einem anderen Gericht)
Eine Zuweisung zu einem anderen Gericht ist nicht ersichtlich.
(d. Zwischenergebnis)
Demnach sind die Voraussetzungen der Generalzuweisung des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO
erfüllt. Damit ist der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht gegeben.
II. Statthafter Rechtsbehelf
Statthafter Rechtsbehelf könnte der Widerspruch nach § 68 VwGO sein. Dies ist der statthafte
Rechtsbehelf, wenn die betroffene Person die Aufhebung oder den Erlass eines Verwaltungsaktes oder ein hoheitliches Handeln begehrt, bei dem die Anwendbarkeit des § 68 VwGO
gesetzlich ausdrücklich gefordert wird.
Jung will weiterhin die Kneipe betreiben. Dies kann er möglicherweise mit einem Widerspruch nach § 68 VwGO erreichen. Dieser Rechtsbehelf ist u.a. statthaft, wenn der Betroffene
die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt.
(1. Widerspruchsführer begehrt die Aufhebung eines Verwaltungsaktes)
Bei der Untersagungsverfügung könnte es sich Verwaltungsakt handeln. Dann müsste es sich
um die hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur
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Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen, also um einen
Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG.
Das Merkmal der hoheitlichen Maßnahme ist gegeben, wenn ein zweckgerichtetes Handel mit
Erklärungsinhalt vorliegt. Die Stadtverwaltung Kaiserslautern handelt hier zweckgerichtet und
mit Erklärungsinhalt, denn sie untersagt dem Jung den Betrieb seiner Gaststätte. Somit liegt
eine Maßnahme vor. Diese ist auch hoheitlich, weil sie von einem Hoheitsträger – nämlich der
Stadtverwaltung - vorgenommen wird. Weiter müsste eine Behörde handeln; auch dies ist der
Fall, da hier die Stadtverwaltung Kaiserslautern tätig wird und dies eine Stelle ist, die
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 2 LVwVfG vornimmt. Die Tätigkeit
der Behörde müsste auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ergehen. Dies ist dann gegeben,
wenn die Rechtsgrundlage auf der ihr Handeln beruht dem öffentlichen Recht zugeordnet
werden. Auch dies ist gegeben. Hinsichtlich der Theorien zur Abgrenzung von öffentlichem
recht und Privatrecht darf insoweit auch auf die Ausführungen im Prüfungspunkt – öffentlichrechtliche Streitigkeit – im Rahmen des § 40 VwGO verwiesen werden. Das Merkmal der
Regelung nach § 35 VwVfG ist dann gegeben, wenn die Maßnahme unmittelbar auf
Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist insbesondere bei einem Verbot, Gebot, einer
Rechtsgewährung (Erlaubnis) oder einer Rechtsversagung (Widerruf). Durch die Maßnahme
der Stadtverwaltung Kaiserslautern wird dem Jung der Betrieb seiner Gaststätte untersagt,
somit wird eine Rechtsfolge, nämlich die Rechtsversagung, die Gaststätte weiter zu betreiben,
unmittelbar herbeigeführt. Eine Regelung liegt somit vor. Da sich diese Regelung nur auf den
Jung bezieht und dieser auch außerhalb der Verwaltung steht, sind Merkmale des Einzelfalles
und der Außenwirkung auch gegeben.
Da alle Merkmale des § 35 VwVfG vorliegt, ist ein Verwaltungsakt gegeben und da sich Jung
gegen diesen wendet, ist sein Anfechtungswiderspruch der statthafte Rechtsbehelf.
(2. Kein Ausschluss des Widerspruchsverfahrens)
Eine Unstatthaftigkeit des Widerspruchsverfahrens, insbesondere gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2
VwGO ist nicht gegeben.
(3. Ergebnis)
Herr Jung begehrt die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, des Bescheides der Stadt
Kaiserslautern. Also ist der Widerspruch der statthafte Rechtsbehelf.
III. Widerspruchsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO
Der Widerspruchsführer – hier Herr Jung - müsste widerspruchsbefugt sein gemäß § 42 Abs.
2 VwGO analog. Er muss geltend machen können, durch den Verwaltungsakt möglicherweisein seinen Rechten verletzt zu sein (Möglichkeitstheorie). Dies ist vorliegend möglich, denn
durch die Verfügung könnte zumindest auch das Recht auf die frei Berufsausübung verletzt
sein.
ODER - bitte beachten – beide Theorien sind nicht erforderlich – es reicht eine aus !
Der Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes ist stets klage- und widerspruchsbefugt, da
in seine subjektiv-öffentlichen Rechte eingegriffen wird (Adressatentheorie). Es ist zumindest
ein Eingriff in die Rechte des Herrn Jung aus Art. 12 (Berufsausübung) und Art. 2 Abs. 1 GG
(allgemeine Handlungsfreiheit) denkbar. Herr Jung ist der Adressat des belastenden
Verwaltungsaktes. Folglich ist er widerspruchsbefugt.
IV. Einhaltung der Widerspruchsfrist nach § 70 Abs. 1 VwGO
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Der Widerspruch des Jung müsste innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides der
Stadt Kaiserslautern eingelegt worden sein. Das hat er nach dem Sachverhalt getan.
V. Formelle ordnungsgemäße Einlegung der Widerspruchseinlegung
Nach den §§ 69, 70 VwGO ist der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift bei der
Ausgangsbehörde oder der Widerspruchsbehörde einzulegen. Dies ist vorliegend erfolgt.
Die folgenden Punkte immer nur prüfen, wenn dafür Anhaltspunkte vorliegen !!
VI. Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen
1. Beteiligtenfähigkeit
Herr Jung müsste auch beteiligungsfähig sein nach den § 1 LVwVfG iVm §§ 11, 79 VwVfG
(es genügt, wenn die Bearbeiter nur bei der ersten Nennung des VwVfG Bezug zum LVwVfG
nennen). Als natürliche Person ist Herr Jung gemäß § 11 Nr. 1 VwVfG beteiligtenfähig.
2. Handlungsfähigkeit
Darüber hinaus ist er auch gemäß §§ 12, 79 VwVfG verfahrenshandlungsfähig.
3. Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde
Die Stadt Kaiserslautern müsste als Widerspruchsbehörde sachlich zuständig sein.
Die Stadt Kaiserslautern ist sachlich zuständige Widerspruchsbehörde nach § 73 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 VwGO in Verbindung mit § 112 GemO.)
VII. Ergebnis
Damit ist der Widerspruch zulässig.
Frage 2: Hätte Herr Jung angehört werden müssen und welche Auswirkungen hat die unterbliebene Anhörung?
Die Anhörung ist eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchführung eines
ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens gemäß § 9 VwVfG i.V.m. § 28 VwVfG, wenn Ziel
des Verwaltungsverfahrens der Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes ist.
Herr Jung ist nicht angehört worden, so dass ein Verstoß gegen die Anhörungspflicht
Beteiligter nach § 28 VwVfG vorliegen könnte. Jung hatte keine Gelegenheit sich zu den für
die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Fraglich ist zunächst, ob eine solche
Anhörung überhaupt erforderlich ist. Das ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG der Fall, wenn ein
Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift. Als Adressat der
Betriebsuntersagung ist Jung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG Beteiligter. Es handelt sich
auch um einen belastenden Verwaltungsakt, so dass auch ein Eingriff in die Rechte des Jung
vorliegt. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG konnte die Stadt Kaiserslautern jedoch von der
Anhörung absehen, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im
öffentlichen Interesse notwendig erschien. Ein Gast hatte bereits eine mittelschwere
Lebensmittelvergiftung erlitten. Da Jung auch nicht über die für den Betrieb einer Speisewirtschaft erforderlichen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse verfügt, ist konkret zu befürchten,
dass sich eine derartige Vergiftung wiederholt. Insoweit war vor der Betriebsuntersagung
Gefahr im Verzug. Eine zumindest mehrere Tage in Anspruch nehmende Eröffnung einer
Anhörungsmöglichkeit hätte das notwendige sofortige behördliche Einschreiten unzulässig
verzögert.
Damit war eine vorherige Anhörung nicht erforderlich.
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Wer allerdings nicht so prüft und argumentiert, sondern dazu kommt, dass eine Anhörung
erforderlich sei, der muss dann prüfen, ob nicht eine Heilung nach § 45 VwVfG möglich
ist.
Eine Nichtigkeit des Verwaltungsaktes infolge der fehlenden Anhörung nach § 44 VwVfG ist
nicht gegeben. Die Anhörung könnte nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden sein. Ausdrücklich wurde Jung zwar nicht zur Stellungnahme
aufgefordert. Allerdings brachte er in seinem Widerspruch alle aus seiner Sicht relevanten
Argumente vor, wie wirtschaftliche Existenz, nachträgliche Erteilung der Gaststättenerlaubnis
statt Betriebsuntersagung. Dies reicht für eine konkludente Nachholung der Anhörung aus,
wenn die Argumente des Jung auch tatsächlich zur Kenntnis genommen und berücksichtigt
wurden. Aus dem Sachverhalt ist zwar nicht ersichtlich, dass sich die Stadt Kaiserslautern mit
dem Vorbringen des Jung schon auseinandergesetzt hat. Aber es wird spätestens im
Widerspruchsverfahren der Fall sein und dann erfolgte eine wirksame Nachholung der
Anhörung; der Verfahrensfehler wurde geheilt.
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Frage 3: Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Untersagungsverfügung vor?
Rechtsgrundlage für die Untersagungsverfügung ist § 31 GastG in Verbindung mit § 15 Abs.
2 Satz 1 GewO. Dann müsste der Widerspruchsführer Jung ein Gewerbe ohne die erforderliche Zulassung betreiben. Er schenkt in seiner Kneipe „kleine Krabbe“ an jedermann Getränke
aus und serviert kleine Speisen. Damit betreibt er nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Nr.
1 und 2 GastG eine Schank- und Speisewirtschaft und damit ein Gaststättengewerbe. Im
Übrigen fällt seine Kneipe als selbständige, dauerhafte, mit Gewinnerzielungsabsicht
betriebene Tätigkeit, die weder private Vermögensverwaltung noch einen freien Beruf noch
Urproduktion darstellt, auch unter die allgemeine Definition des Gewerbes. Für den Betrieb
der Kneipe bedurfte Jung des Weiteren nach § 2 Abs. 1 GastG auch einer Erlaubnis.
Ausnahmetatbestände der Absätze 2 bis 4 sind nicht einschlägig. Diese Gaststättenerlaubnis
ist Jung auch nicht erteilt worden.
Damit ist der Tatbestand des § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO erfüllt.
Frage 4: Hat Jung einen Anspruch auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis?
Nach § 31 GastG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 GewO hat Jung einen Anspruch auf Erteilung
einer Gaststättenerlaubnis, soweit keine zwingenden Versagungsgründe des § 4 Abs. 1 GastG
vorliegen.
Jung beschäftigt seine minderjährige Nichte Susanne Frei ohne die erforderliche ärztliche
Eingangsuntersuchung und unter Überschreitung der für Jugendliche zugelassenen
Höchstarbeitszeiten. Damit hat Jung die Vorschriften des Arbeits- und Jugendschutzes nach §
4 Abs. 1 Nr. 1 GastG nicht eingehalten. Folglich besitzt er bereits deshalb nicht die für einen
Gaststättenbetrieb erforderliche Zuverlässigkeit. Darüber hinaus hat Jung auch nicht
nachgewiesen, über die Grundzüge der notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse
unterrichtet worden zu sein und mit ihnen als vertraut zu gelten, womit nach § 4 Abs. 1 Nr. 4
GastG ein weiterer Versagungsgrund vorliegt. Ein Indiz dafür, dass er diese lebensmittelrechtlichen Grundzüge tatsächlich nicht beherrscht und sie demzufolge auch nicht einhält, ist die
mittelschwere Lebensmittelvergiftung eines Gastes des Jung. Damit liegt eine weiterer
Hinweis für seine mangelnde Zuverlässigkeit vor.
Damit hat Jung keinen Anspruch auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis.