Polizei- und Ordnungsrecht/RLP Fall 3 Frage 1: Der Bescheid vom 09. Juni A. Zulässigkeit des Widerspruchs I. Verwaltungsrechtsweg, § 40 I 1 VwGO analog 1. Ausgangspunkt (+), modifizierte Subjektstheorie: Polizeirecht und übrige Voraussetzungen unproblematisch 2. Abdrängende Sonderzuweisung Problem: Sonderzuweisung des § 98 II 2 StPO analog? Ö Doppelfunktion der Polizei (§ 163 StPO bzw. § 53 OWiG); im Zweifelsfall Schwerpunktbildung bei doppelfunktionalen Akten! Voraussetzungen: (1.) repressives Handeln (2.) anstelle des eigentl. zuständigen Richters und (3.) Eilfall hier: (-), Angriffsgegenstand ist allein präventives Handeln, d.h. „Abhalten von Trunkenheitsfahrt“ 9 BAK-Feststellung zwar repressiv (§§ 163, § 81a I 2 StPO), doch wird diese hier nicht angegriffen 9 Beschlagnahme (-), Mofa kein Beweismittel (§ 94 StPO) 9 Kosten nach StPO nur über ein Strafverfahren einholbar, nicht aber Leistungsbescheid (§ 464 StPO) II. Statthaftigkeit des Widerspruchs Ausgangspunkt: Aufhebung des Kostenbescheids Anfechtungswiderspruch gem. §§ 68 I 1 VwGO (+), wenn im Anschluss Klage nach § 42 I 1.Alt VwGO und kein Fall des § 68 I 2 VwGO gegeben 1. VA-Natur des angegriffenen Bescheids Problem: VA-Charakter (Regelungswirkung) des Bescheids (Zahlungsaufforderung/Leistungsbescheid) Ö Leistungsbescheid, da Rechtspflicht zur Zahlung des Betrags erstmalig konstituiert zudem: die VA-Befugnis betreffend Kostenbescheide ist gewohnheitsrechtlich anerkannt 2. Erledigung des Bescheids? nur (+), wenn Fall des § 43 II VwVfG gegeben Problem: Verwertung und Ausschüttung erfolgt (§ 25 III 4 POG) womit keine Vollstreckung mehr droht I. II. III. 1. a) b) c) aa) bb) cc) aber: Leistungsbescheid ist Rechtsgrund für „Behaltendürfen des Geldes“; Beschwer damit weiterhin gegeben Folge: spätere Klage wäre Anfechtungsklage, womit Widerspruch mangels gesetzlichem Ausschluss statthaft III. Widerspruchsbefugnis, § 42 II VwGO analog hier: Adressatenstellung und zumindest Art. 2 I GG IV. Widerspruchsfrist, § 70 I 1 VwGO 1. Zustellung (= förmliche Bekanntgabe) hier: Zustellung nach §§ 1 I, 2 LVwZG i.V.m. §§ 2, 4 II 2 VwZG, womit Drei-Tages-Fiktion (ab 09. Juni) Ö 12. Juni, wobei früherer Zugang irrelevant 2. Fristberechnung beachte: §§ 79, 31 I VwVfG oder § 57 II VwGO i.V.m. § 222 I ZPO („Doppelstellung des WSV“) Ö im Ergebnis egal, da sowohl § 31 I VwVfG als auch § 222 I ZPO auf die §§ 187 ff. BGB verweisen Fristbeginn: 13. Juni Fristende: 12. Juli (Sonntag!) Ö nächster Werktag gem. § 193 BGB (oder § 222 II ZPO, sofern prozessual berechnet) Ö Montag, 13. Juli V. Formgerechte Einlegung, § 70 I 1 VwGO (+), vgl. Sachverhalt VI. Zuständige (Widerspruchs-)Behörde, § 70 I 1 VwGO (+), hier bei Polizeipräsidium als laut Sachverhalt zuständiger Ausgangsbehörde eingelegt Exkurs: Wer ist zuständige Widerspruchsbehörde? § 73 I 2 Nr.2 VwGO, zumal nächsthöhere Behörde gem. § 76 I POG das Ministerium Ö Polizeipräsidium ist Ausgangs- und Widerspruchsbehörde Zwischenergebnis: Der Widerspruch ist zulässig B. Begründetheit des Widerspruchs Obersatz: Anfechtungswiderspruch ist analog § 113 I 1 VwGO begründet, soweit der Leistungsbescheid rechtswidrig (bzw. zweckwidrig) ist und der Widerspruchsführer dadurch in seinen Rechten verletzt ist hier: keine Anhaltspunkte für Zweckwidrigkeit 1 2 Ermächtigungsgrundlage Ausgangspunkt: Vorbehalt des Gesetzes hier: § 25 III 1 POG, da Fall der §§ 22, 23 POG und (gewohnheitsrechtliche) VA-Befugnis bzgl. Leistungsbescheid Formelle Rechtmäßigkeit Ö Überprüfung von Zuständigkeit, Verfahren und Form hier: keine Fehler betreffend Leistungsbescheid ersichtlich Materielle Rechtmäßigkeit (+), wenn diese kumulativen Voraussetzungen erfüllt 9 zugrunde liegende Maßnahme rechtmäßig („Konnexität“, vgl. Wortlaut des § 1 I Nr.1 LGebG und § 83 I LVwVG) 9 Höhe der Kosten nicht zu beanstanden 9 richtiger Kostenschuldner 9 Verhältnismäßigkeit und Ermessen zunächst: Inzidentprüfung der Maßnahme erforderlich! Rechtmäßigkeit der Sicherstellung Ermächtigungsgrundlage §§ 22 Nr. 1, 23 POG Argument: atypischer Abschleppfall (Gefahr der Weiterfahrt) Formelle Rechtmäßigkeit der Sicherstellung Ö Überprüfung von Zuständigkeit, Verfahren und Form Zuständigkeit der Polizei: (+), Spezialfall des § 1 V POG, da Gefahr im Straßenverkehr; zudem: §§ 78 I, 85 I POG (örtlich) Problem: Bescheinigung nach § 23 II 1 POG fehlt aber: nach ratio legis zwar Verfahrensfehler, doch Maßnahme nicht bereits deshalb rechtswidrig (allenfalls Amtshaftung!), d.h. bloße Ordnungsnorm zudem: Verfahren (§ 28 II Nr.1 VwVfG) und Formfreiheit Materielle Rechtmäßigkeit der Sicherstellung Gegenwärtige Gefahr Ö bereits begonnen/unmittelbar bevorstehend? (+), drohende Fortsetzung der Fahrt mit Mofa Öffentliche Sicherheit oder Ordnung (+), § 6 PflVG und § 24a StVG bzw. § 316 StGB Tatbestand des § 22 Nr. 1 POG hier: Definition des Begriffs „Sicherstellung“ (+), Beendigung des Gewahrsams des Berechtigten an einer Sache unter Begründung neuen Gewahrsams durch die Behörde zum Zwecke der Gefahrenabwehr dd) Adressat M ist Verhaltens-/Zustandsverantwortlicher, §§ 4 I, 5 I, II POG ee) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, § 3 POG hier: Sicherstellung zum Abhalten von Trunkenheitsfahrt, womit legitimer Zweck und Geeignetheit (+) Problem: Erforderlichkeit fraglich, da ggf. bloßes Verbot der Weiterfahrt ausreichend Ö hier aber Folgendes zu beachten: 9 erstes Verbot schon nicht durch M beachtet 9 Sicherstellung Schlüssel (-), mögl. Zweitschlüssel des M 9 Diebstahlgefahr zudem: Angemessenheit (+) 2. Überprüfung der Kostenhöhe (Kausalität) a) Abschleppen und Verwahrung bis 09. Juni (+), § 25 III 1 POG b) Verwahrung ab 09. Juni (d.h. nach „Freigabe“) Problem: Polizei gibt durch Freigabebescheid zu verstehen, dass Gründe weggefallen sind bzw. Gefahrenabwehr erreicht zwar (+), doch Kausalität zwischen Unterstellkosten und Sicherstellung weiter gegeben (a.A. vertretbar) 3. Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids im Übrigen hier (+), keine Probleme betreffend 9 richtigem Kostenschuldner 9 Verhältnismäßigkeit und Ermessen C. Gesamtergebnis Leistungsbescheid ist rechtmäßig, womit Widerspruch zwar zulässig aber unbegründet 3 4 Frage 2: Entschädigungsansprüche des M I. Anspruch aus § 68 I 1 POG (-), M kein Nichtstörer nach § 7 I POG zudem: keine anerkannte Analogie einschlägig II. Anspruch aus § 68 I 2 POG beachte: hier keine rechtswidrige Maßnahme (Sicherstellung nach § 21 Nr. 1 POG, s.o.) der Polizei aber: Rechtswidrigkeit der Verwertung des Mofas? 1. Zulässigkeit der Verwertung durch Versteigerung (+), § 24 I Nr.5, III POG 2. Angemessene Fristsetzung, § 24 I Nr.5 POG hier: Frist betrug 10 Tage nach Freigabe, wobei nach Rspr. 7 Tage ausreichend, sofern nicht (bekannt) abwesend Argument: nur begrenzter Verwahrraum der Behörde 3. Problem: Passus „Kfz verkehrsunsicher“ beachte: irrelevant, M hätte Mofa schieben bzw. Abtransport organisieren müssen zudem: Abholung ist kausale Pflicht der Verwahrung, Reparaturkosten hingegen Frage der Entschädigung, womit immer fristgerecht abzuholen! Zwischenergebnis: Verwahrung, Fristsetzung und Versteigerung waren rechtmäßig III. Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff § 68 I 2 POG ist Spezialfall und verdrängt diesen Anspruch IV. Amtshaftungsanspruch, Art. 34 GG, § 839 BGB beachte: neben § 68 I 2 POG anwendbar, § 68 III POG hier: keine Amtspflichtverletzung, da rechtmäßiges Handeln der Polizei V. Gesamtergebnis Keine Entschädigungsansprüche des M gegeben 5
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