Verwaltungsrecht I 21 VwPrR 1 21.01.2016

Verwaltungsrecht I
Wintersemester 2015/16
21. Vorlesung
Verwaltungsprozessrecht (1)
Priv.-Doz. Dr. Ulrich Jan Schröder
21. Januar 2016
Programm für heute
● Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
● allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
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Verwaltungsprozessrecht (1)
Die Klage vor dem Verwaltungsgericht hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet
ist.
A. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Der Verwaltungsrechtsweg müsste eröffnet sein. Das richtet sich nach § 40
VwGO ...
B. Zulässigkeit
Die Klage müsste zulässig sein.
[Zulässigkeitsvoraussetzungen je nach Klageart, aber oft ähnlich]
C. Besonderheiten (selten)
Beiladung (§ 65 VwGO), objektive Klagehäufung (§ 44 VwGO)
D. Begründetheit
Die Klage müsste begründet sein.
vgl. für die Anfechtungsklage: § 113 I 1 VwGO
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Verwaltungsprozessrecht (1)
● Erfolg der Klage setzt voraus: Zulässigkeit und Begründetheit der Klage
● Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs und Zulässigkeitsvoraussetzungen =
Sachentscheidungsvoraussetzungen
○ Allgemeine
Klagearten)
Sachentscheidungsvoraussetzungen
(für
alle
○ Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen (je nach Klageart)
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Verwaltungsprozessrecht (1)
A. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
▪ vgl. Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
- Problem: öffentlich-rechtliche Streitigkeit?
▪ keine Frage der Zulässigkeit: Verweisung nach § 17a II
GVG
▪ Normalfall: der „ordentliche Rechtsweg“, § 13 GVG
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Verwaltungsprozessrecht (1)
A. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
▪ vgl. Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
„Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten
nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht
durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.“
I. Spezielle Regelungen:
1. Abdrängende Sonderzuweisungen
2. Aufdrängende Sonderzuweisungen
II. Tatbestand der Generalklausel
1. öffentlich-rechtliche Streitigkeit
2. nichtverfassungsrechtlicher Art
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II. Tatbestand der Generalklausel
1. öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht
a) Interessentheorie
Ulpian: „publicum ius est quod ad statum rei Romanae spectat, privatum
quod ad singulorum utilitatem“
b) Subordinationstheorie
Öffentliches Recht regelt das Über-Unterordnungsverhältnis zwischen
Staat und Bürger
c) Subjektstheorie (Sonderrechtstheorie)
Maßgeblich für Entscheidung des Rechtsstreits sind Rechtssätze, die einen
Träger von Hoheitsgewalt berechtigen oder verpflichten.
aa) formale Subjektstheorie: ... Rechtssätze, die ausschließlich einen
Träger von Hoheitsgewalt berechtigen bzw. verpflichten
bb) materielle Subjektstheorie: ... Rechtssätze, die einen Träger von
Hoheitsgewalt als solchen berechtigen bzw. verpflichten
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II. Tatbestand der Generalklausel
1. öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Bezugspunkt der Streitigkeit
● Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Anspruch hergeleitet wird
(Rspr.)
○ Rechtsverhältnis = Gesamtrechtsverhältnis oder die sich aus
einer Regelung ergebenden rechtlichen Beziehungen?
● Rechtsnatur des geltend gemachten materiellrechtlichen Anspruchs
(in Lit.)
= Rechtsnatur der streitentscheidenden Normen
○ Arg.: Bindung der Klageart an das Klagebegehren (§ 88 VwGO)
○ Arg.: Rechtsverhältnis kommt in § 40 I 1 VwGO, § 13 GVG nicht vor
○ wahre Rechtsnatur (nicht Behauptung des Klägers maßgeblich)
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II. Tatbestand der Generalklausel
2.
nicht verfassungsrechtlicher Art
● Abgrenzung zur Zuständigkeit der Verfassungsgerichte
● für viele Fälle: Verfassungsorgane streiten um Verfassungsrecht
○ nicht erfasst: Der Bürger verlangt Aufhebung/Erlass eines
Parlamentsgesetzes
● besser: Rechtsschutzgegner ist Verfassungsrechtssubjekt, das als solches
verpflichtet werden soll
problematische Fälle:
○ Parteien klagen gegen Bundestagspräsidenten wegen
Wahlkampfkostenerstattung
○ Weisungen des Bundesministers an Länder im Rahmen der
Bundesauftragsverwaltung
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
(= Zulässigkeitsvoraussetzungen)
1. Ordnungsgemäße Klageerhebung (§ 81 f. VwGO)
2. Deutsche Gerichtsbarkeit
3. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 VwGO)
4. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts (§§ 45 ff. VwGO)
5. Beteiligungsfähigkeit (§ 61 VwGO)
6. Prozessfähigkeit (§§ 62, 67 VwGO)
7. Keine anderweitige Rechtshängigkeit (§ 17 I 2 GVG) Streitgegenstand
8. Keine rechtskräftige Entscheidung (§ 121 VwGO) Streitgegenstand
9. Kein Fall des § 44 a VwGO
10. Keine schiedsvertragliche Vereinbarung (§ 173 VwGO iVm § 1032 ZPO)
11. Kein Rechtsschutzverzicht
12. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Quelle: Ehlers, aaO, S. 524 f.
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
1. Ordnungsgemäße Klageerhebung (§ 81 f. VwGO)
● Erhebung der Klage führt zur Rechtshängigkeit (§ 90 I 1 VwGO)
● Form nach § 81 I VwGO
● Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens (§ 82 I 1 VwGO)
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
2. Deutsche Gerichtsbarkeit
● räumlicher Bereich der Handlungen des Gerichts
● personelle Zuständigkeit
○ grds. alle Personen
○ Einschränkungen durch Völkerrecht
- Immunität fremder Staaten bei hoheitlichem Handeln
(acta iure imperii vs. acta iure gestionis)
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
3. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
s.o.
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
4. Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts
● sachliche Zuständigkeit
grds. erstinstanzlich das VG (§ 45, s. aber §§ 47, 48, 50 VwGO)
● instanzielle Zuständigkeit
erstinstanzlich,Berufungs- oder Revisionsinstanz, Beschwerdegericht
● örtliche Zuständigkeit
§ 52 VwGO
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
5. Beteiligungsfähigkeit
● Spezialvorschriften (zB § 3 ParteiG)
● § 61 VwGO bzw. § 47 II 1, 2 VwGO
● § 61 Nr. 2 VwGO analog für alle teilrechtsfähigen Subjekte
( Innenrechtssubjekte wie AStA, Gemeinderat ...)
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
6. Prozessfähigkeit
● Fähigkeit, selbst oder durch einen Bevollmächtigten
Prozesshandlungen vornehmen bzw. entgegennehmen zu können
wirksam
● § 62 VwGO
● Abgrenzung zu
○ Prozessführungsbefugnis (Geltendmachung eines fremden Rechts
im eigenen Namen)
○ Postulationsfähigkeit (Befugnis, selbst, nicht durch einen
Prozessvertreter, Prozesshandlungen vorzunehmen), vgl. § 67 VwGO
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
7. Keine anderweitige Rechtshängigkeit
● § 173 S. 1 VwGO iVm § 17 I 2 GVG
● Ende der Rechtshängigkeit durch
○ Klagerücknahme (§ 92 VwGO)
○ Prozessvergleich (§ 106 VwGO)
○ übereinstimmende Erledigungserklärung
○ Rechtskraft der Entscheidung
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
8. Keine rechtskräftige Entscheidung
● formelle Rechtskraft
Entscheidung kann nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln
angefochten werden
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● materielle Rechtskraft
inhaltliche Bindung an formell rechtskräftige Entscheidungen, vgl. §
121 VwGO
- wer wird gebunden?
- woran ist man gebunden?
Entscheidungssatz = Tenor (ggf. auszulegen,
insbes durch tragende Gründe der Entscheidung)
- wie weit reicht die Bindung?
Streitgegenstand (Bedeutung str., hM:
zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff:
Klagebegehren und Lebenssachverhalt
- entfällt, wenn sich entscheidungserhebliche Sach- oder
Rechtslage ändert
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
9. Kein Fall des § 44 a VwGO
●
Zweck: Verzögerungen des Verwaltungsverfahrens verhindern
● Verfahrenshandlungen = Maßnahmen zur Vorbereitung einer
Sachentscheidung (gleichgültig, ob vorbereitende Maßnahme ein VA oder
nicht)
●
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Sachentscheidung iSv § 44 a VwGO = VA? str.
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
10. Keine schiedsvertragliche Vereinbarung
●
§ 173 S. 1 VwGO iVm § 1032 ZPO
Klage in Angelegenheit, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, ist als unzulässig
abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur
Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die Schiedsvereinbarung
nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist.
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
11. Kein Rechtsschutzverzicht
● prozessualer Verzicht
● Abgrenzung vom Verzicht auf den (prozessualen) Anspruch
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Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
12. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
● es gibt kein effektiveres Mittel, das Klagebegehren zu erreichen
● (gerichtlicher) Rechtsschutz ist nutzlos
● Rechtsmissbrauch
● zu frühe Geltendmachung von Rechtsschutz (bes. bei Unterlassungsklagen)
● zu späte Geltendmachung von Rechtsschutz (Verwirkung)
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Verwaltungsprozessrecht (1)
Literaturhinweise
Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 9. Aufl. 2013, S. 135-205
Ehlers, in: Ehlers/Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öffentlichen
Recht, 2009, § 21 (S. 521-601) – allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
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