Fall 4 Subventionen für die örtliche Presse

Juristisches Repetitorium
hemmer
Verwaltungsrecht AT Niedersachsen
Fall 4
Lösung Fall 4, Seite 1 von 7
Lösung Fall 4
Subventionen für die örtliche
Presse
Der Verleger V beklagt die wettbewerbsverzerrende Praxis der Stadt Hannover. Diese gewährte im Monat März den beiden größeren
Tageszeitungen der Stadt eine Subvention in
Millionenhöhe aus dem im Haushaltsplan vorgesehenen Fonds „zugunsten der örtlichen
Kulturpflege“. Die Zeitung des V ist von der
Subventionsvergabe nicht erfasst.
Möglichkeiten des Rechtsschutzes für V
Im vorliegenden Fall kommt eine Klage beim
Verwaltungsgericht in Betracht, um die Auszahlung der Pressesubventionen an die Konkurrenzblätter zu verhindern.
Die Klage hat vor dem Verwaltungsgericht Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und soweit
sie begründet ist.
A.
Verwaltungsrechtsweg, § 40 I 1 VwGO
Es müsste eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit
i.S.d. § 40 I 1 VwGO vorliegen.
Gegenstand der Streitigkeit ist die Subventionsentscheidung der Stadt Hannover zugunsten
der Konkurrenzblätter.
Subventionen sind vermögenswerte Zuwendungen des Staates an Privatpersonen zur Förderung eines im öffentlichen Interesse liegenden
Zwecks.1
V ist der Auffassung, dass derartige finanzielle
Zuwendungen, wenn überhaupt, nur aufgrund
eines formellen Gesetzes zulässig sind. Die
Vergabe der Geldmittel verstoße jedenfalls
gegen Art. 5 GG.
Anmerkung:
Als Zuwendungen kommen in Betracht:
 verlorene Zuschüsse (Geldleistungen, die
nicht zurückzuzahlen sind)
 Darlehen (unter günstigeren Voraussetzungen als in der Privatwirtschaft)
 Bürgschaften und sonstige Gewährleistungen für Darlehen
 Realförderungen (beispielsweise bevorzugte
Berücksichtigung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge oder Veräußerung staatlicher
Grundstücke)
Im August fragt V nach, ob er die Vergabe
der Subvention an die Konkurrenzblätter
durch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht verhindern kann.
Hinweis:
Eine Vergabesatzung der Stadt besteht nicht.
Zumeist richten sich die Modalitäten der Auszahlung der Subventionssumme („wie“ der Auszahlung) nach privatrechtlichen Regelungen
(etwa Darlehensvertrag gemäß § 607 BGB).
Dagegen wird die Entscheidung des Hoheitsträgers über die Subventionierung („ob“ der Subventionierung) dem öffentlichen Recht zugerechnet (sogenannte Zwei-Stufen-Theorie). Bei
dem Streit über eine Subventionierung ist also
immer zu prüfen, ob sich die Entscheidung auf
die Subventionsvergabe (öffentlich-rechtlicher
Streit) oder die Art und Weise der Auszahlung
(privatrechtlicher Streit) bezieht.2
Diese Unterscheidung gilt jedoch nicht im Fall
einer einmaligen Auszahlung ohne Rückzahlungspflicht (verlorener Zuschuss). Streitigkeiten
1
2
RAe Dr. Schlömer/Daxhammer
Ausführlich zu Subventionen HEMMER/WÜST, VerwR I,
Rn. 34 ff.
HEMMER/WÜST, VerwR II, Rn. 14.
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diesbezüglich liegen in jedem Fall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts.3
Im Fall steht ein derartiger verlorener Zuschuss
in Frage, weil keine Regelungen über eine
Rückzahlungspflicht getroffen wurden. Es besteht somit ein öffentlich-rechtlicher Streit.
Eine anderweitige Rechtswegzuweisung ist
nicht ersichtlich. Es liegt kein Verfassungsrechtsstreit vor.
Der Verwaltungsrechtsweg ist damit eröffnet.
B.
Zulässigkeit der Klage
I.
Statthafte Klageart
Die Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren.
V richtet sich gegen die Subventionierung der
Konkurrenzunternehmen. Er will die Leistung an
die Konkurrenten verhindern (negative Konkurrentenklage oder Konkurrentenabwehrklage).
Hierfür käme die Anfechtungsklage gemäß
§ 42 I 1. Alt. VwGO in Betracht.
Im Fall ist an V aber überhaupt kein Verwaltungsakt gerichtet. V müsste darlegen können,
welche Rechtsverletzung ihm möglicherweise
durch die Leistungen an die Konkurrenten droht.
Der V steht mit den Konkurrenten im Wettbewerb um einen Leser- und Anzeigenkundenkreis, der nicht beliebig vermehrbar und ausdehnungsfähig ist. Werden die Konkurrenten
des V durch Geldzuwendungen unterstützt, so
wird deren Stellung im Wettbewerb verbessert
und in gleichem Maße die Wettbewerbsstellung
des V beeinträchtigt. Der begünstigende Verwaltungsakt für die Konkurrenten hat nachteilige
Folgen für den V. Es liegt somit ein die Konkurrenten begünstigender Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung vor.
Der V könnte im vorliegenden Fall in der Wettbewerbsfreiheit beeinträchtigt sein, die nach der
herrschenden Meinung durch Art. 2 I GG i.V.m.
Art. 3 I GG garantiert ist (nach anderer Ansicht
Schutz auch über Art. 12, 14 GG) und den Anspruch umfasst, durch die Staatsgewalt nicht mit
indirekten Nachteilen belastet zu werden, die in
der verfassungsmäßigen Ordnung keine Grundlagen finden.4
Er könnte sich auch darauf berufen, dass die
Subventionierung seiner Konkurrenten nicht mit
der Garantie der Pressefreiheit in Art. 5 I 2 GG
vereinbar sei. Die presserechtliche Wettbewerbsfreiheit, die ebenfalls durch Art. 5 I 2 GG
geschützt ist, könnte durch wettbewerbsverzerrende Maßnahmen betroffen sein.
Die Verletzung dieser subjektiven Rechte durch
die Subventionierung der Konkurrenzunternehmen erscheint zumindest als möglich.
Die Klagebefugnis des V ist somit gegeben.
Exkurs:
Wollte V ebenfalls die Vergünstigung erzwingen
(positive Konkurrentenklage oder Konkurrentengleichstellungsklage), müsste die Verpflichtungsklage gemäß § 42 I 2.Alt. VwGO geprüft
werden.
Voraussetzung für die Anfechtungsklage ist,
dass die Subventionierung der Konkurrenten einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S.1 VwVfG darstellt.
Die Gewährung von Subventionen kann in verschiedenen Rechtsformen erfolgen, zum Beispiel durch verwaltungsrechtlichen Vertrag, zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakt oder einen Verwaltungsakt verbunden mit einem sich
anschließenden privatrechtlichen Vertrag. Im
Einzelfall muss untersucht werden, in welcher
Form die Subvention erteilt wurde.
Regelform der Gewährung ist dabei die Subvention aufgrund eines Subventionsbescheides.
Dieser stellt als Einzelfallregelung einer Behörde einen Verwaltungsakt dar. Der Sachverhalt
bietet keine gegenteiligen Anhaltspunkte, so
dass auch hier von einem Verwaltungsakt ausgegangen werden kann.
Somit ist die Anfechtungsklage statthaft.
II.
3
Klagebefugnis, § 42 II VwGO
V müsste geltend machen, dass die Möglichkeit
einer Rechtsverletzung durch den Verwaltungsakt besteht (Möglichkeitstheorie).
Diese Möglichkeit ist immer dann gegeben,
wenn der Kläger Adressat eines belastenden
Verwaltungsakts ist.
HEMMER/WÜST, VerwR I, Rn. 34.
RAe Dr. Schlömer/Daxhammer
III.
Vorverfahren, §§ 68 ff. VwGO
Die Durchführung eines Vorverfahrens gem.
§ 68 I VwGO ist gem. § 68 I 2 VwGO,
§ 80 I Nds.JustizG unstatthaft.
Anmerkung:
Ist ein Vorverfahren zur Klageerhebung erforderlich, wurde es aber nicht durchgeführt, so
kann es noch nachgeholt werden. Entgegen der
Formulierung in § 68 I 1 VwGO ist der Widerspruch dabei auch noch dann rechtzeitig eingelegt, wenn die Voraussetzungen des § 68
VwGO im Zeitpunkt des Schlusses der letzten
mündlichen Verhandlung vorliegen.
IV.
4
Klagefrist, § 74 VwGO
Die Klage muss gem. § 74 I 2 VwGO innerhalb
eines Monats erhoben werden.
Im August könnte diese Frist für einen im März
erlassenen Verwaltungsakt abgelaufen sein. Die
BVerwGE 30, 191.
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Frist beginnt aber erst mit der Bekanntgabe des
Verwaltungsakts an den Beschwerdeführer. Im
vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass
die Subventionsbescheide nur den Konkurrenten bekannt gegeben wurden, nicht aber dem V.
Nach einer Ansicht beginnt die Frist des § 74 I
VwGO ohne Bekanntgabe an den Beschwerdeführer überhaupt nicht zu laufen.5 Allerdings ist
in diesen Fällen das Recht zur Erhebung der
Klage durch den Grundsatz von Treu und Glauben (Verwirkung) zeitlich eingeschränkt.6
Für den Fall bedeutet dies, dass der V noch
Klage erheben könnte.
An dieser Meinung ist zu kritisieren, dass ein
drittwirkender Verwaltungsakt praktisch nie in
Bestandskraft erwächst. Noch erhebliche Zeit
nach dem Erlass kann ein Drittbetroffener die
Regelung zu Fall bringen. Das schutzwürdige
Interesse des Begünstigten wird nicht ausreichend gewahrt.
Nach einer anderen Ansicht gilt für den Fall,
dass ein Verwaltungsakt dem Beschwerdeführer
nicht bekannt gegeben wird, analog § 58 II
VwGO die Jahresfrist ab Kenntniserlangung
vom Erlass des Verwaltungsakts. Im Fall ist die
Jahresfrist noch nicht verstrichen. Auch nach
dieser Ansicht ist die Erhebung der Klage noch
möglich.
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Auffassung des V zugrunde legt, die Subventionierung ohne gesetzliche Grundlage sei rechtswidrig. Es gibt keinen Anspruch auf Gleichheit
im Unrecht.8
V.
Passive Prozessführungsbefugnis und sonstige Voraussetzungen
Nach § 78 I Nr.1 VwGO ist die Klage gegen die
Stadt Hannover zu richten. Der Kläger ist
§ 61 Nr. 1 1. Alt. VwGO beteiligten- und gem.
§ 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Beklagte
ist § 61 Nr. 1 2. Alt. VwGO beteiligten- und gem.
§ 62 III i.V.m. § 86 I 2 NKomVG prozessfähig.
Die Klage des V ist somit zulässig.
C.
Beiladung der Konkurrenten, § 65 II
VwGO und Klagehäufung, § 44 VwGO
Das Verwaltungsgericht müsste die Konkurrenten, deren Zuwendungsbescheide angefochten
werden, gem. § 65 II VwGO notwendig beiladen, da die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Eine positive
Entscheidung gegenüber V würde die Aufhebung der Subventionsbescheide bewirken. Da
es zwei Subventionsbescheide sind, gegen die
V vorgeht, sind auch zwei Anfechtungsklagen in
einem Verfahren gem. § 44 VwGO im Rahmen
einer kumulativen Klagenhäufung zu verbinden.
Anmerkung:
Da die Beiladung gem. § 65 VwGO keine Sachurteilsvoraussetzung ist, muss dieser Prüfungspunkt zwischen Zulässigkeit und Begründetheit angesprochen werden. Beachten Sie
auch, dass die Beiladung im Zusammenhang
mit einer Rechtskrafterstreckung des Urteils zu
sehen ist (§ 121 VwGO).
Anmerkung:
Das gleiche Problem stellt sich dann, wenn ein
Dritter gegen einen drittwirkenden Verwaltungsakt Widerspruch einlegen will. Maßgebliche
Vorschrift ist dann § 70 VwGO. Die Ansicht, die
auf eine Jahresfrist abstellt, stützt sich hier auf
die analoge Anwendung des § 70 II i.V.m.
§ 58 II VwGO.
V.
5
6
7
Rechtsschutzbedürfnis
Das Rechtsschutzbedürfnis ist dem V zu versagen, wenn er einen einfacheren Weg hätte, die
angegriffene „Unregelmäßigkeit“ auszugleichen.
Der V hätte unter Umständen die Möglichkeit,
selbst subventioniert zu werden. Er hält aber die
Subvention als solche für rechtswidrig. Die Verweisung auf die Möglichkeit der eigenen Beteiligung an der Begünstigung reicht im vorliegenden Fall nicht zur Wahrung schutzwürdiger Belange des nicht begünstigten V aus. Dem V
kann nicht zugemutet werden, an einer seiner
Ansicht nach grundgesetzwidrigen Aktion teilzunehmen, um einer eigenen Rechtsbeeinträchtigung zu entgehen.7
Zudem wäre eine Teilhabeklage des V als positive Konkurrentenklage erfolglos, wenn man die
BVerwGE 44, 294; BENDER, NJW 1966, 1995.
HEMMER/WÜST, VerwR I, Rn. 186.
BVerwGE 30, 197.
RAe Dr. Schlömer/Daxhammer
D.
Begründetheit der Klage
Die Klage ist begründet, soweit der Subventionsbescheid rechtswidrig ist und den V dadurch
in seinen Rechten verletzt, vgl. § 113 I 1 VwGO.
I.
Rechtmäßigkeit der Subventionsvergabe
Die Subventionsvergabe wäre rechtswidrig,
wenn die in Frage stehenden Subventionen nur
aufgrund einer gesetzlichen Grundlage erfolgen
dürften und diese Rechtsgrundlage fehlen würde.
1.
8
Gemäß Art. 20 III GG ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden, wobei unter dem Begriff der vollziehenden Gewalt die
Eingriffsverwaltung, die Leistungsverwaltung
und die Fiskalverwaltung fallen.
Bei der Vergabe einer Subvention gewährt die
Verwaltung dem Bürger einen Vorteil. Es handelt sich um Leistungsverwaltung.
VG Berlin, DVBI 75, 271.
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-
Exkurs:
a) Die Leistungsverwaltung
Die Leistungsverwaltung kann unterteilt werden
in leistende und ordnende/ gestaltende Verwaltung, die nach ihrem Tätigkeitsgehalt zu unterscheiden ist.
Um ordnende bzw. gestaltende Verwaltung
handelt es sich dann, wenn sich das Verwaltungshandeln nicht gegen einen einzelnen Bürger richtet und ihn auch nicht in seiner Rechtssphäre, also in Freiheit und Eigentum, berührt.
Die Arten der Leistungsverwaltung i.e.S. sind
die Vorsorgeverwaltung (Versorgungs-, Entsorgungseinrichtungen; Unterrichts- und Bildungseinrichtungen; Einrichtungen der Gesundheitspflege und sonstige Gemeinschaftseinrichtungen), die Sozialverwaltung (Sozialversicherung;
Jugendhilfe und Sozialhilfe usw.), die Förderungsverwaltung
(Subventionierungen
und
sonstige Förderungen wie Vermögensbildung,
Ausbildungs- und Wirtschaftsförderung).
Als Leistungsarten lassen sich Geld-, Sach- und
Dienstleistungen sowie sonstige Leistungen,
zum Beispiel die Übernahme von Bürgschaften,
unterscheiden.
b) Die Eingriffsverwaltung
Die Eingriffsverwaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich um eine exekutive Tätigkeit handelt, bei der die Verwaltung dem Bürger
Lasten auferlegt, also in seine Rechte eingreift.
Gemäß Art. 20 III GG darf die Verwaltung den
Gesetzen nicht zuwider handeln (Grundsatz
vom Vorrang des Gesetzes). Hieraus folgt jedoch noch nicht, dass die Verwaltung nur dann
handeln darf, wenn sie durch eine gesetzliche
Vorschrift zu dem Handeln ausdrücklich befugt
ist (Vorbehalt des Gesetzes9).
Durch die Eingriffsverwaltung wird stets der
Rechtskreis des Einzelnen beschränkt. Aus den
Grundrechten, insb. aus Art. 2 I, 14 GG, folgt
das Prinzip, dass Beeinträchtigungen durch
staatliches Handeln unter Gesetzesvorbehalt
stehen.10 Bei der Eingriffsverwaltung gilt somit
der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes generell (Art. 20 III GG).
Die Geltung von Vorrang und Vorbehalt des
Gesetzes haben im Bereich der Eingriffsverwaltung folgende Konsequenzen:
-
-
2.
 Belastende Verwaltungsakte, denen eine
gesetzliche Ermächtigung fehlt, sind rechtswidrig.
 Die gesetzliche Grundlage für belastende
Verwaltungsakte muss bestimmt genug sein,
Wesentlichkeitslehre:
9
10
Schmidt/Bleibtreu in SBK, Art. 20, Rn. 10.
M/D/H, Art. 20 GG, Rn. 25; VON MÜNCH/KUNIG, Art. 20 GG,
Rn. 38 f., 43.
RAe Dr. Schlömer/Daxhammer
11
12
Der Gesetzgeber muss das Wesentliche
selbst regeln
Das Wesentliche muss im Gesetz stehen
(mindestens Tatbestand und Rechtsfolge)
Die Wesentlichkeit richtet sich nach der
Stärke des Eingriffs
Strittig ist, inwieweit im Bereich der Leistungsverwaltung der Grundsatz des Vorbehalts des
Gesetzes gilt.
a)
Vorrang des Gesetzes
Nach einer Meinung unterliegt die Leistungsverwaltung, insbesondere bei der Subventionsvergabe, nur dem Vorrang des Gesetzes. Begünstigungen können für den Bürger keinen
Eingriff bedeuten. Eine gesetzliche Ermächtigung als Rechtfertigung für Verwaltungshandeln
sei auf diesem Wege nicht nötig.
Diese Ansicht übersieht, dass im Rahmen der
Leistungsverwaltung sehr wohl Belastungen für
Bürger möglich sind, beispielsweise die mittelbare Beeinträchtigung des nicht geförderten
Konkurrenten.
b)
Totalvorbehalt
Nach der Lehre vom Totalvorbehalt gilt auch im
Bereich der Leistungsverwaltung der Grundsatz
des Gesetzesvorbehalts. Der Grund soll darin
liegen, dass besonders im Bereich der Daseinsvorsorge die staatlichen Leistungen für die Freiheit des Bürgers von gleicher Bedeutung sind
wie staatliche Eingriffe.
c)
Abgeschwächter Gesetzesvorbehalt
Nach der herrschenden Meinung gilt deshalb
auch im Rahmen der Leistungsverwaltung
grundsätzlich der abgeschwächte Vorbehalt des
Gesetzes.11
Die demokratisch legitimierte Verwaltung wird
im Grundgesetz als originäre Staatsgewalt anerkannt. Es ist davon auszugehen, dass die gesetzesfreie Leistungsverwaltung ein Teil des
vom Grundgesetz vorausgesetzten Rechts- und
Verwaltungssystems ist.
Das Prinzip der gesetzesfreien Verwaltung ist
eingeschränkt. Die Gewährung von Leistungen
ist nur dann zulässig, wenn sie im Haushaltsplan festgelegt ist und in den Verwaltungsvorschriften als Vergaberichtlinien geordnet wird.
Damit wird sichergestellt, dass die Verwaltung
nicht ohne Billigung des Gesetzgebers (Haushaltsgesetz ist förmliches Gesetz) über öffentliche Mittel verfügt. Die Leistungsgewährung ist
also demokratisch legitimiert.12
Es gilt somit grundsätzlich das Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes. Diesem wird aber durch
Vgl. MAURER, § 6, Rn. 13 ff.
BVerfG, NJW 1966, 1499.
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den Erlass eines Haushaltsplans in Verbindung
mit den Vergaberichtlinien genügt.
Anmerkung:
Die Ausweisung der Mittel im Haushaltsplan allein begründet kein subjektives Recht, § 3 II
HaushaltsgrundsätzeG.
d)
Anwendung auf den Fall
Im Bereich von Pressesubventionen reicht der
Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes nicht.
Art. 5 I 2 GG garantiert die Staatsfreiheit der
Presse als ein „Mehr“ zur allgemeinen Meinungsfreiheit. Gemäß Art. 5 I 2 GG darf es keine staatlichen Lenkungen im Vorfeld der Pressetätigkeit geben. Der Verfassungsgarantie des
Art. 5 I 2 GG würde es zuwiderlaufen, wenn die
Presse ganz oder teilweise steuerbar ist13, weil
die Pressefreiheit für die moderne Demokratie
ein schlechthin konstituierendes Recht darstellt
(„Presse als vierte Staatsgewalt“).
Das bedeutet aber nicht, dass die staatliche
Förderung der Presse unmöglich ist. Aufgrund
des überragenden Grundrechtsschutzes darf sie
nach der Wesentlichkeitstheorie nur nicht allein
der Exekutive überlassen sein. Die Förderung
muss durch das demokratisch legitimierte Parlament, also durch ein formelles Gesetz, erfolgen, das alle wesentlichen Regelungen der
Vergabe selbst festlegt. Bei Subventionen im
Bereich der grundrechtlich geschützten Presse
gilt der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes
in seiner strengen Form als Totalvorbehalt.14
Im Fall ist ein Gesetz als Rechtsgrundlage zur
Vergabe der Subventionen nicht gegeben. Die
Subventionierung ist somit rechtswidrig.15
II.
Rechtsverletzung
Der V ist dadurch auch in seinen subjektiven
Rechten verletzt, denn es steht ihm aus
Art. 5 I 2 GG ein Abwehranspruch gegen die
unzulässige Konkurrentenförderung zu. Der
Abwehranspruch ergibt sich hier auch gegen die
mittelbare Beeinträchtigung, weil der Schutzbereich von Art. 5 I 2 GG auch indirekte Beeinträchtigungen der freien Presse abwehren soll.
Der V wird in seiner Ausübung der Pressetätigkeit gemäß Art. 5 I 2 GG beeinträchtigt, wenn
das Konkurrenzunternehmen unzulässig gefördert wird. Die Vergabe bedeutet somit für ihn eine Rechtsverletzung i.S.d. § 113 I 1 VwGO.
13
SEIFERT/HÖMIG, Art. 5 GG, Rn. 13.
OVG Berlin, NJW 1975, 1938.
Vgl. Sie zur Vergabe kommunaler Subventionen den Anhang.
14
15
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E.
Ergebnis
Die Klage des V ist begründet. Das Verwaltungsgericht wird die drittbegünstigenden Verwaltungsakte aufheben.
Wiederholungsfragen
1. Bestimmen Sie den Begriff der Subvention!
2. Wie werden Subventionen vergeben?
3. Gilt der Gesetzesvorbehalt auch für die Leistungsverwaltung?
Vertiefungsfragen
1. Nennen Sie die Wurzeln des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes.
2. Wann gilt der Gesetzesvorrang und wann der Vorbehalt des Gesetzes?
3. Wann ist das Ermessen der Behörde auf Null reduziert?
4. Gibt es einen allgemeinen Anspruch auf fehlerfreie
Ermessensausübung?
Anhang: Problemfelder des Subventionsrechts
A.
Begriff
Subventionen sind vermögenswerte Zuwendungen des Staates oder eines anderen Verwaltungsträgers an Privatpersonen zur Förderung
eines im öffentlichen Interesse liegenden
Zwecks vgl. § 264 VII StGB.
Sie werden gewährt in Form von:
1. verlorenen Zuschüssen (zum Beispiel Prämien, Finanzhilfen, Beihilfen, Zuschüsse)
2. Darlehen zu günstigen Konditionen
3. Bürgschaften und sonstigen Gewährleistungen für Darlehen
4. Realförderungen, zum Beispiel die bevorzugte Berücksichtigung bei öffentlichen Aufträgen
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B.
Relevanz in der öfftl.-rechtl. Klausur
I.
Verwaltungsrechtsweg
1.
2.
Verwaltungsrecht AT Niedersachsen
Ist die Vergabe von Subventionen öffentlichrechtlicher Natur?
Nach der herrschenden Zwei-Stufen-Theorie ist
zwischen dem „ob“ und dem „wie“ der Subventionsvergabe zu unterscheiden.
 Erste Stufe: Bewilligung (ob), öffentlichrechtlich, Verwaltungsakt
 Zweite Stufe: Abwicklung (wie), privatrechtlich, zum Beispiel Darlehensvertrag
Eine Ausnahme ist bei verlorenen Zuschüssen
zu machen, da diese nur einstufig durch Verwaltungsakt bewilligt und ausgezahlt werden.
Kritik an der Zwei-Stufen-Theorie
 Häufig lassen sich tatsächlich diese zwei
Stufen nicht unterscheiden/ einheitliches Lebensverhältnis.
Lösung Fall 4, Seite 6 von 7
IV.
Ist eine gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Subventionen erforderlich?
1.
Lehre vom Totalvorbehalt
Vorbehalt des Gesetzes soll auch bei Begünstigungen uneingeschränkt gelten.
Arg.: Begünstigungen haben heute fast eine
größere Bedeutung als Eingriffe
2.
Vorbehalt des Gesetzes gilt gar nicht
Arg.:Flut von Normen/ Lähmung der Verwaltung
3.
Vermittelnde Auffassung (h.M.)
Veranschlagung im Haushaltsplan soll grds. als
gesetzliche Grundlage genügen („Etatlegitimierung“); Ausnahmen im grundrechtssensiblen
Bereich.
V.
1.
 Widerruf anfänglich rechtmäßiger Subventionen gemäß § 49 III VwVfG auch für die
Vergangenheit
 Rücknahme anfänglich rechtswidriger Subventionen gemäß § 48 VwVfG
Zulässig ist ein Erst-Recht-Schluss: In den Fällen des § 49 II VwVfG kann einem rechtmäßig
Begünstigten seine Position entzogen werden.
Dies muss dann erst recht für den rechtswidrig
Begünstigten gelten. Somit sind die Widerrufsgründe des § 49 II und des § 49 III VwVfG auch
für die Aufhebung rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte anwendbar.16
Statthafte Klageart
1.
Negative Konkurrentenklage (Verhinderung
der Subvention des Konkurrenten)
Anfechtungsklage, gemäß § 42 I 1 VwGO bei
Verwaltungsakt, sonst allgemeine Leistungsklage
2.
Ausschließende Konkurrentenklage (Bekämpfung der Begünstigung des Mitbewerbers
und Erstrebung der Subvention für sich selbst)
 Anfechtungsklage, gemäß § 42 I 1 VwGO
bei Verwaltungsakt, sonst allgemeine Leistungsklage und
2.
Ländersubventionen
Bei Ländersubventionen in Niedersachsen gilt
das gleiche wie im Bundesrecht.
3.
Kommunale Subventionen
Überträgt man die Dogmatik zur gesetzlichen
Grundlage für die Subventionsgewährung strikt
auf die kommunale Ebene, wäre die Subventionierung durch Kommunen schlechthin unzulässig. Anders als die Haushaltspläne des Bundes/
der Länder wird der kommunale Haushaltsplan
nicht als formelles Gesetz, sondern nur als Satzung erlassen und erfährt insoweit keine Legitimation.
Nach allgemeiner Auffassung soll jedoch für die
Subventionsvergabe im kommunalen Bereich
eine haushaltsrechtliche Ermächtigung in Form
der Haushaltssatzung ausreichen, sofern keine
zielgerichtete und intensive Grundrechtsbeeinträchtigung des Konkurrenten stattfindet.
Streitig ist allerdings, ob eine weitere Konkretisierung der Vergabe durch den Rat notwendig
 Verpflichtungsklage gemäß § 42 I 2 VwGO,
bzw. allgemeine Leistungsklage.
3.
Partizipative/ Positive Konkurrentenklage
(Kläger will auch Subvention)
Verpflichtungsklage gemäß § 42 I 2 VwGO,
bzw. allgemeine Leistungsklage
III.
Klagebefugnis
Bei der negativen Konkurrentenklage ist eine
drittschützende Norm zu suchen (vgl. Schutznormtheorie).
Hier greift häufig Art. 12 I GG in seiner klassischen Abwehrfunktion ein.
Bei der Erstrebung einer eigenen Subvention
muss möglicherweise ein Anspruch bestehen.
Zu denken ist hier auch immer an Art. 3 I GG
i.V.m. der Selbstbindung der Verwaltung.
RAe Dr. Schlömer/Daxhammer
Bei Bundessubventionen
 Widerruf anfänglich rechtmäßiger Subventionen gemäß § 49 II VwVfG für die Zukunft
 Auch bei der Abwicklung des Subventionsverhältnisses kann der Hoheitsträger einseitig gestaltend tätig werden.
Daher geht eine Mindermeinung von einem einheitlichen Verhältnis aus, das entweder öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur sein
kann.
II.
Ermächtigungsgrundlage für die Rückforderung von Subventionen
16
Schnapp/Cordewener JuS 1999, 39, 42 f.
Juni 15
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ist und wenn ja, ob der Erlass von Vergaberichtlinien ausreicht oder eine eigene Vergabesatzung notwendig ist. Weiter stellt sich im Falle
von Vergaberichtlinien (= Verwaltungsvorschriften) die Frage, ob ihre Publikation erforderlich
ist, da sie Ermessenscharakter haben und eventuelle Konkurrenten die Möglichkeit eines effektiven Rechtsschutzes haben müssen, die zumindest Kenntnis voraussetzt.17
VI.
1.
Sonderprobleme
Subventionen
zur
Rückforderung
von
Muss der Hoheitsträger eine allgemeine
Leistungsklage erheben, oder kann/ muss er
einen Verwaltungsakt auf Rückzahlung erlassen?
 Im Rahmen des § 49 III VwVfG muss er einen Verwaltungsakt erlassen. Dies normiert
§ 49a I 2 VwVfG.
 Im Rahmen des § 48 VwVfG setzt § 49a I 2
VwVfG eine Verwaltungsaktbefugnis fest.
 Auch im Rahmen des § 49 II VwVfG ist wegen der Kehrseitentheorie eine Rückforderung in Form eines Verwaltungsakts möglich
und erforderlich.
Anmerkung:
Auf die Kehrseitentheorie muss man sich stützen, wenn die Rückforderung auf einem Widerruf mit Wirkung für die Zukunft nach § 49 II
VwVfG beruht. Dieser Fall wird nicht von § 49a
VwVfG erfasst.
Ist von Anfang an klar, dass der Bürger gegen
die Rückforderung durch Verwaltungsakt Anfechtungsklage erheben wird, darf auch die Behörde gleich eine allgemeine Leistungsklage erheben. Denn die Gerichtsbarkeit würde ohnehin
bemüht werden. Für den Bürger hätte es den
Vorteil, dass er nicht in die Klägerrolle gedrängt
wird.
2.
17
Auswirkungen des Europarechts auf § 48
VwVfG
Vgl. Extra-Übersicht im Hauptkurs
Vgl. zum Ganzen: Stober, GewArchiv 1993, 190 f.
RAe Dr. Schlömer/Daxhammer
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