Fall zum Verwaltungsakt Die Ampel Autofahrer Schnell ärgert sich

Fall zum Verwaltungsakt
Die Ampel
Autofahrer Schnell ärgert sich darüber, dass er schon wieder an einer ‚roten’ Ampel halten
muss. Während er wartet, überlegt Schnell, ob er gegenwärtig Adressat eines Verwaltungsaktes ist. Prüfen Sie dies anhand aller Merkmale des Verwaltungsakts!
Lösung:
Ein Verwaltungsakt liegt dann vor, wenn die Voraussetzungen des § 35 VwVfG erfüllt sind,
es sich bei dem Ampelsignal also um die Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung handelt.
1. Zunächst müsste eine Maßnahme vorliegen. Dies ist jedes zweckgerichtete Verhalten mit
Erklärungsgehalt. Die Erklärung kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise, also auch in Form eines (verständlichen) Zeichens erfolgen.
Das Ampelsignal macht dem Autofahrer deutlich, dass er, solange das Signal rot bleibt, nicht
weiterfahren darf (vgl. § 37 Abs. 2 StVO: Rot ordnet an: „Halt vor der Kreuzung“). Damit
kommt dem Signal ein Erklärungsgehalt zu, so dass es sich um eine Maßnahme im Sinne des
§ 35 S. 1 VwVfG handelt.
2. Ferner müsste eine Behörde gehandelt haben. Nach § 1 Abs. 4 VwVfG ist darunter jede
Stelle zu verstehen, die Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnimmt. Bei der Aufstellung
von Ampelanlagen und der Einrichtung der Wechsellichtzeichen handelt es sich um eine Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung, für die nach der Straßenverkehrsordnung die Straßenverkehrsbehörden zuständig sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass der zuständige
Amtsträger und damit eine Behörde gehandelt hat.
3. Die Maßnahme müsste auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ergangen sein. Nach der
modifizierten Subjektstheorie hat eine Maßnahme öffentlich-rechtlichen Charakter, wenn der
ihr zugrundeliegende Rechtssatz ausschließlich einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigt
oder verpflichtet. Vorliegend ergeben sich die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften aus der
Straßenverkehrsordnung. Danach sind zum Aufstellen von Ampelanlagen ausschließlich die
Straßenverkehrsbehörden berechtigt. Es handelt sich mithin um eine Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts.
4. Die Maßnahme müsste Regelungscharakter haben, sie müsste also darauf gerichtet sein,
einseitig und unmittelbar verbindlich eine Rechtsfolge zu setzen. Das Ampelsignal begründet
für den Autofahrer unmittelbar verbindlich die Pflicht, vor der Kreuzung anzuhalten. Diese
Rechtswirkung ist von der Behörde gewollt und tritt aufgrund ihres Willens ein.
Damit liegt eine Regelung im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG vor.
5. Darüber hinaus müßte der Regelung Außenwirkung zukommen, d.h. die Rechtsfolgen der
Maßnahme müssten bei einer außerhalb der Verwaltung stehenden Person eintreten. Diese
Voraussetzung ist unproblematisch gegeben, da es sich bei dem betroffenen Autofahrer um
eine außerhalb der Verwaltung stehende Person handelt.
6. Schließlich müsste es sich um einen Einzelfall handeln.
Die Regelung betrifft zwar einen konkreten Sachverhalt, da für einen bestimmten Zeitraum,
nämlich solange die Ampelanlage „Rot“ zeigt, das Weiterfahren verboten ist.
Voraussetzung ist aber außerdem, dass sich die Regelung an einen individuellen Adressaten
richtet. Vorliegend ist jedoch nicht nur der Autofahrer Schnell selbst betroffen, sondern auch
die vor und hinter ihm stehenden Autofahrer sowie weitere, eventuell noch hinzukommende
Verkehrsteilnehmer. Die genauen Adressaten lassen sich nicht überschauen. Es handelt sich
daher nicht um einen individuellen Adressaten, sondern um einen generellen Adressatenkreis.
Insofern liegt eine individuelle Regelung im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG nicht vor.
§ 35 S. 2 VwVfG bestimmt aber, dass ein Verwaltungsakt auch in Form einer Allgemeinverfügung ergehen kann. Nach § 35 S. 2 Alt. 1 VwVfG müßte sich die Regelung an einen nach
allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richten. In dem Moment, in dem die Ampelanlage auf „Rot“ schaltet, steht der genau betroffene Personenkreis
noch nicht fest, da auch nach dem Umschalten noch Autofahrer auf die Ampel zufahren können. Der Adressatenkreis könnte aber bestimmbar sein. Aus Praktikabilitätsgründen verlangt
das Merkmal der Bestimmbarkeit nicht, dass der Personenkreis bei Erlass der Regelung abschließend feststeht. Vielmehr werden geringfügige Unsicherheiten in Kauf genommen. Da
die Regelung nur von kurzer Dauer und der räumliche Geltungsbereich beschränkt ist, kann
von einem bestimmbaren Personenkreis ausgegangen werden.
Damit liegt ein Verwaltungsakt in Form der adressatenbezogenen Allgemeinverfügung nach §
35 S. 2 Alt. 1 VwVfG vor.
Hinweis:
Anders als ein Verkehrsschild produziert die Ampelanlage bei jedem Signalwechsel einen
„neuen“ Verwaltungsakt. Während das Verkehrszeichen der Benutzungsregelung im Sinne
des § 35 S. 2 Alt. 3 VwVfG zuzuordnen ist, lässt sich das Ampelsignal § 35 S. 2 Alt. 1
VwVfG zuordnen, da der Adressatenkreis aufgrund der in kurzen Zeitabständen wechselnden
Regelungen bestimmbar ist. Insofern ist das Ampelsignal den Handzeichen eines Polizeibeamten vergleichbar, die ebenfalls unter § 35 S. 2 Alt. 1 VwVfG gefasst werden, sofern sie
nicht nach der konkreten Sachlage bereits einen VA im Sinne des § 35 S. 1 darstellen.