DAZ Pferdebahn Titel - FDP

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fASZINATION MArAThON
Brasilianisches Top-Model Gisele Bündchen (34)
sagt der Modewelt ade Seite 20
Am Sonntag startet der Leipzig-Marathon,
die Laufbegeisterung wächst Seiten 3 und 17
2000 Erzieher aus
sächsischen Kitas
im Warnstreik
LeiPZiG/dReSden. In Sachsen blieben
gestern zahlreiche kommunale Kitas und
Horte wegen eines ganztägigen Warnstreiks der Erzieher geschlossen. Die Gewerkschaften GEW und Verdi schätzten,
dass etwa 2000 Erzieher im Freistaat die
Arbeit niederlegten. In Dresden blieben
124 von 168 Kitas ganz oder teilweise geschlossen. In Leipzig konnten nur 17 Einrichtungen nicht öffnen, wie die Stadt
mitteilte.
Mehr als 1800 Erzieher aus der mitteldeutschen Region fuhren nach Angaben
der Gewerkschaften zur zentralen Kundgebung nach Hannover, darunter knapp
300 Leute allein aus Dresden und Leipzig. In der niedersächsischen Landeshauptstadt fand die vierte Tarifrunde mit
den kommunalen Arbeitgebern statt. Sie
blieb allerdings ohne Ergebnis. Die Gespräche sollen nach Angaben von GEW
und Verdi am 20. und 21. April in Offenbach fortgesetzt werden. Die Gewerkschaften fordern eine höhere Eingruppierung der bundesweit 240 000 Beschäftigten im kommunalen Erziehungs- und Sozialdienst. Seit Ende März gibt es auch
immer wieder Warnstreiks in Leipzig,
Dresden und Chemnitz.
Ein
hartha. Lehrer lassen sich anzapfen. Das
gibt es nur an der Harthaer Oberschule.
Sie spenden zusammen mit Eltern und
weiteren Freiwilligen Blut, um Geld für den
© seite 12
Schulhof zu sammeln.
kuLTur
nach Flugzeugabsturz: Schau
für Leipziger Künstlerin
LeiPZiG. Mit einer Ausstellung in München
soll im Juli an die Leipziger Künstlerin Juliane
Noack erinnert werden. Sie starb beim
Absturz der Germanwings-Maschine am 24.
© Seite 7
März. Sie wurde 30 Jahre alt.
fINANZeN
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Von matthias Roth
Und WinfRied mahR
LeiPZiG. Es dauerte nur wenige Sekunden, war aber gestern Morgen deutlich
zu spüren: Ein Erdbeben hat um 8.38
Uhr Leipzig erschüttert. In Büros vibrierten die Computermonitore, Nutzer von
LVZ-Online berichteten von wackelnden
Gläsern im Schrank. Mit einer Stärke
von 3,3 bis 3,6 war es das bislang stärkste Beben in der Region. Schäden wurden zunächst nicht bekannt.
Der Erdstoß war im gesamten Leipziger Stadtgebiet spürbar. Über Twitter
wurden Erschütterungen in Böhlitz-Ehrenberg, Gohlis, Möckern und Neuschönefeld gemeldet. Auch außerhalb der
Stadt war die Erschütterung zu spüren.
Das Geophysikalische Observatorium
am Collm verzeichnete auf den Messge-
11° 2°
LeITArTIkeL
Von
diRk schmaleR
BeRLin. Die deutsche Wirtschaft bleibt
auf der Überholspur: Trotz weltweiter Risiken sagen die führenden Konjunkturforscher für 2015 und 2016 einen kräftigen Aufschwung voraus. Die Unternehmen profitieren vom billigen Öl, konsumfreudigen Verbrauchern und mehr
Exporten wegen des sehr schwachen
Euro. In ihrem gestern vorgestellten
Frühjahrsgutachten hoben die Institute
ihre Wachstumsprognose für 2015 deut-
lich von 1,2 auf 2,1 Prozent an. „Der
niedrige Ölpreis lässt den Deutschen
mehr Geld für den Konsum, der niedrige
Euro schiebt die Exporte an“, sagte der
Konjunkturchef des Ifo-Instituts, Timo
Wollmershäuser, in Berlin. Die Bundesregierung ist bislang vorsichtiger und
sieht 2015 ein Plus von nur 1,5 Prozent.
Für 2016 erwarten die Institute einen
Anstieg der Wirtschaftsleistung um 1,8
Prozent.
tensiv gebebt“, sagte Reinhard Mittag
von der Bergakademie Freiberg. 50 Stationen messen rund um die Uhr die seismischen Aktivitäten in Sachsen und
Thüringen.
In Haushalten und Unternehmen der
Region wurde das morgendliche Beben
zwar vielfach registriert. Außer Irritationen wurden bislang aber keine ernsthaften Schäden bekannt. Selbst auf dem
Flughafen Leipzig-Halle, der in der
Nähe des Epizentrums liegt, lief alles
reibungslos, wie ein Sprecher sagte.
Im westlichen Leipziger Stadtzentrum
kam es zur selben Zeit zu einem Stromausfall, von dem über 3100 Abnehmer
betroffen waren. Auch Ampeln und elektronische Anzeigetafeln fielen aus. „Es
handelte sich um einen Kabelschaden“,
sagte Stadtwerke-Sprecherin Miriam
Wortmann und schloss das Beben als Ur-
sache aus. Gegen 10.30 Uhr waren alle
Kunden wieder am Netz, versicherte sie.
Beim Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie glühten gestern
die Drähte. Besorgte Bürger und Unternehmen fragten nach den Ursachen der
Erschütterungen. „Falls es zu Schäden
an Gebäuden und Einrichtungen kommt,
fragen Versicherer bei uns nach und
schicken ihre Gutachter“, warnt Behördensprecherin Karin Bernhardt vor allzu
fadenscheinigen Schadensmeldungen.
Laut Buchholz sind Erdbeben in
Nordwestsachsen relativ selten. Die letzten stärkeren Beben wurden hier am 26.
Juli 2003 in Regis-Breitingen mit einer
Magnitude von 2,3 und am 6. Oktober
2010 bei Pegau mit einer Stärke von 2,9
registriert. Zuletzt kam es Mitte 2014
bei Pegau zu einem Erdbeben der glei© Seite 4
chen Stärke.
Machtpoker bei Volkswagen –
Aufsichtsrat sucht Ausweg
Salzburg/WolfSburg. Im beschaulichen Salzburg könnte VW-Geschichte
geschrieben werden. Der Machtpoker bei
Volkswagen steuerte gestern auf einen
neuen Höhepunkt zu. Fernab des VWStammwerks in Wolfsburg beriet der
engste Kreis des Aufsichtsrats, wie es
weitergeht in der Führungskrise. Das Präsidium des Aufsichtsrates will heute eine
Erklärung abgeben. Seit fast einer Woche
schwelt der Machtkampf bei VW – seit-
dem Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch
von seinem Ziehsohn, VW-Vorstandschef
Martin Winterkorn, abgerückt war mit einem einzigen Satz: „Ich bin auf Distanz
zu Winterkorn.“ Der Betriebsrat und das
Land Niedersachsen als wichtige
Machtpfeiler bei VW aber stellten sich
hinter Winterkorn. Er war bis zu den
Piëch-Aussagen als Nachfolger des VWPatriarchen an der Spitze des Aufsichts© Seite 6
rates gehandelt worden.
„Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich“
Günter Schabowskis berühmter Zettel vom 9. November ’89 ist jetzt im Museum zu sehen
SA
SO
10° 3°
12° 5°
© das ausführliche Wetter
auf Seite 10
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das aktuelle Regenradar für
Mitteldeutschland.
50016
4 198982 501205
räten einen deutlichen Ausschlag. Das
Epizentrum habe rund 15 Kilometer südöstlich von Halle bei Gröbers (Saalekreis) gelegen, sagte die wissenschaftliche Mitarbeiterin Petra Buchholz, das
Bebenzentrum in 22 Kilometer Tiefe.
Derart tiefe Beben sind meist weniger
intensiv als oberflächennahe, dafür aber
weithin zu spüren. Am Donnerstag haben Menschen in einem Radius von rund
60 Kilometern die Vibration bemerkt.
Ein kleineres Nachbeben registrierten
die Seismologen gegen 9.35 Uhr.
Die Region liege an der etwa 40 Kilometer breiten tektonischen Störungszone Leipzig–Regensburg, die sich auch
durchs Vogtland zieht. Während in den
Bergen Erschütterungen dieser Stärke
nicht unüblich seien, habe „die Erde im
Raum Leipzig-Halle in den zurückliegenden hundert Jahren noch nie so in-
Konjunkturforscher: Deutsche
Wirtschaft im Höhenflug
WeTTer
FR
LeiPZiG/dReSden. Sachsens Autofahrer
haben sich gestern offensichtlich auf den
Blitz-Marathon eingestellt. Angesichts
der angekündigten Kontrollen hielten
sich laut Polizei die meisten an die vorgegebene Geschwindigkeit. So war beispielsweise von den bis zum Mittag auf
der vielbefahrenen Permoserstraße in
Leipzig-Paunsdorf kontrollierten 143 Autos das schnellste mit 64 Stundenkilometern unterwegs – bei erlaubten 60. Im
Landkreis Bautzen wurde indes ein Fahrer erwischt, der 103 statt 50 Stundenkilometer auf dem Tacho hatte. Die Landespolizei war seit gestern 6 Uhr mit 480
Beamten im Einsatz, hinzu kamen noch
örtliche Dienststellen. Raserei gilt auch
in Sachsen als eine der Hauptunfallursachen. 22 Länder in Europa nahmen an
© Leitartikel/Seite 4
der Aktion teil.
Geologe: Heftigste Erschütterung seit 100 Jahren / Viele Menschen beunruhigt / Zentrum lag bei Gröbers
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für
Gestern 8.38 Uhr: Erdbeben lässt
in Leipzig die Gläser wackeln
Weg zur Maylust
bald wieder begehbar
aderlass für einen
schöneren schulhof
Schild
Rainer Möhrig von der Baustellen- und Verkehrstechnik Landsberg GmbH (rechts)
hievte das neue Werbeschild für die Pferdebahn gestern Morgen an der Autobahn
bei Leisnig an seinen Platz. Döbelns Oberbürgermeister Hans-Joachim Egerer
(CDU, 2.v.r.) und seine Mitarbeiter waren dabei. Der Traditionsverein Döbelner
Foto: Sven Bartsch
Pferdebahn hatte den Termin aber abgesagt. © Seite 11
WendisHain/klosterbucH
HartHa
Blitz-Marathon:
Autofahrer meist
auf der Hut
Döbeln
Heute in der daZ
Wendishain. Bis Pfingsten soll der
Maylust-Steig wieder begehbar sein. Erst
war es eine Linde, dann waren es Buchen,
die den Weg oberhalb der Mulde zerstör© seite 12
ten.
25. Jahrgang, Nr. 89 • Freitag, 17. 4. 2015 • 1,20 Euro
Von ReinhaRd URschel
E
in lange verschwundener Notizzettel
ist wieder da, die Wissenschaft feiert
das dünne, linierte Blatt Papier in 1aDDR-Qualität als „eines der wenigen
Dokumente der jüngeren Zeitgeschichte, von dem man sagen kann, dass es die
Weltgeschichte beeinflusst hat“.
Ausgerufen hat dies Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte in Bonn, als er das gute Stück in
den Händen hielt. Es handelt sich um
den vorübergehend verschollenen Notizzettel des SED-Politbüro-Mitglieds
Günter Schabowski aus seiner Pressekonferenz vom 9. November 1989. Natürlich ist das Blatt, das mit schwarzem
Kugelschreiber krakelig beschrieben ist,
mit vereinzelten rot markierten Passa-
gen, ein feines
Stück, aber die
Weltgeschichte beeinflusst hat es nur
um ein paar Ecken
herum. Wenn Politiker
mit
einem
Sprechzettel anrücken, heißt es, die
Ohren zu spitzen: Es
gilt nämlich „das gesprochene Wort“. Im
Fall Schabowski muss
man sagen, ohne ihm
nachträglich zu nahe
zu treten, es galt das
gestammelte Wort.
Der entscheidende
Vermerk auf dem Zettel steht ganz unten:
„Verlesen Text Reiseregelung“. Gemeint war damit
die am selben Tag beschlossene Regelung, wonach DDR-Bürgern künftig Reisen in den Westen
erlaubt sein sollten. Die
DDR-Führung hatte es
damit nicht so eilig, die
Reisen sollten vielleicht
vor Weihnachten beginnen, aber bestimmt
nicht noch in derselben
Dokument der Welt­
geschichte: Schabowskis
Zettel vom 9. November
1989.
Foto: dpa
Nacht. All das war Schabowski entgangen, weil er bei der Besprechung gar
nicht dabei gewesen war. So antwortete
er auf die Frage eines italienischen Journalisten, ab wann die neue Regelung
gelte: „Das tritt nach meiner Kenntnis ...
ist das sofort, unverzüglich.“ Was wiederum, genial in dieser einzigartigen
Verknappung, zum geflügelten Wort
wurde.
Den Zettel gab Schabowski im Jahr
darauf einem Bekannten, der ihn noch
mindestens einmal weiterreichte. Nun
meldete sich der Eigentümer, der anonym bleiben will. Ihm kaufte das Bonner
Museum das Dokument für 25 000 Euro
ab. Kein hoher Preis, sagen die Museumsleute, denn wäre das Papier erst auf
den Auktionsmarkt gelangt, hätte es ungleich mehr gekostet.
E
Erziehung per
Blitzer?
s war wohl der größte Polizeieinsatz
des Jahres. 13 000 Polizisten in der
ganzen Republik haben gestern die Verbrechensbekämpfung hintangestellt, um
die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Deutschlands Straßen
zu überprüfen. An 7000 Kontrollpunkten
standen die Beamten beim sogenannten
Blitz-Marathon von früh morgens bis
Mitternacht an Deutschlands Straßenrändern, um Autofahrer zu kontrollieren.
Tatsächlich interpretieren viele Autofahrer das Tempolimit offenbar eher als
Richtwert denn als tatsächliche Regel:
Trotz öffentlichkeitswirksamer Ankündigung gingen den Beamten Tausende in
die Falle. Und doch ist die Aktion nicht
mehr als ein ärgerlicher PR-Gag der Verkehrsminister. Denn die unter chronischem Personalmangel leidende Polizei
hat wahrlich Besseres zu tun.
Die Zahl der Einbrüche steigt seit
Jahren stetig an, die Aufklärungsquote
liegt bei weit unter 20 Prozent. In manchen Bundesländern sieht sich die Polizei personell nicht mehr in der Lage, ein
Fußball-Bundesligaspiel ordentlich zu
begleiten. Ermittler klagen, gefährliche
Islamisten nicht beobachten zu können,
weil der Aufwand zu groß ist. Vor wenigen Wochen erst musste die Polizei in
Leipzig eine Demonstration des PegidaAblegers Legida verbieten, weil sie sich
nicht in der Lage sah, ausreichend Polizisten zur Sicherung zur Verfügung zu
stellen. Man mag zu den islamophoben
Kundgebungen stehen, wie man will:
Hier wurde ein demokratisches Grundrecht verwehrt – wegen „Polizeinotstands“. Wer also die Handlungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden demonstrieren will, hätte dazu ausreichend sinnvollere Gelegenheiten.
Sicherlich gehört dazu auch der Straßenverkehr. Immer noch sterben jedes
Jahr Tausende Menschen auf den Straßen, oft ist erhöhte Geschwindigkeit ein
Unfallgrund. Regelmäßige Kontrollen an
heiklen Punkten, etwa vor Schulen, vor
scharfen Kurven auf der Landstraße oder
Fußgängerüberwegen sind deshalb ein
wirksames Mittel, um Bürger vor Rasern
zu schützen. Wer hier derartige Maßnahmen als „Abzocke“ bezeichnet, dem
fehlt es an Empathie für die Opfer.
Der eintägige Blitz-Marathon aber simuliert nur Tatkraft, zur Straßensicherheit trägt er herzlich wenig bei. Vielmehr offenbart er eine problematische
Geisteshaltung der Regierenden. Niedersachsens Verkehrsminister sprach
gestern von einer erzieherischen Funktion, die die Blitz-Aktion habe. Nur ist der
Staat nicht dazu da, seine Bürger zu erziehen. Er hat den Bürgern gegenüber
eine dienende Funktion. Dazu gehört es,
dort für Sicherheit zu sorgen, wo besondere Gefahrenstellen lauern. Allerdings
nicht nur einmal im Jahr mit einer Marketingaktion mit dem reichlich unsinnigen Namen Blitz-Marathon, der direkt
aus dem Verkehrsfunk eines Privatradios stammen könnte. Er muss das immer dann tun, wenn es nötig ist. Um im
besten Fall anschließend sagen zu können: Es ist nichts passiert. Auch wenn
das manchem Politiker schwer fällt.
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