Deutsche gehen auf Distanz zur Nato - ePaper

D O N N E R STAG , 1 3 . AU G U ST 2 0 1 5
KU N D E N S E R V I C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7
D 2,30 E URO
NRW beschränkt
Zeiten für
Hausaufgaben
Zippert zappt
D
THEMEN
Merkels
Dekade
Vor zehn Jahren, im Wahlkampf 2005, entstand dieses
Foto. Merkel startete mit
Umfragen, die ihr die absolute Mehrheit versprachen,
und landete als Kanzlerin
einer großen Koalition, nachdem sie im Fight mit Gerhard
Schröder Fehler gemacht
hatte. Kaum einer hätte
damals für möglich gehalten,
was aus ihr wurde. Heute ist
sie unangefochten in Partei
und Land, Chefin Europas
und weltweit ebenso geachtet
wie gefürchtet. Sie ist
einfach sehr mächtig. Seite 10
Die große chinesische
Erschütterung
FRANKFURT
KULTUR
Warum Amerikaner
plötzlich deutsche
Brettspiele lieben
Seite 26
POLITIK
Griechenland ist mit
dem Flüchtlingsansturm
auf Kos überfordert
Seite 8
FINANZEN
Postings: Foodporn
kann teuer werden
Seite 15
AUS ALLER WELT
D
er Verfall der chinesischen
Währung hat sich auch am
Mittwoch fortgesetzt. Dies
nährt Ängste vor einem
drastischen Rückgang der
deutschen Exporte und einem Einbruch
der Konjunktur in Deutschland. Als Reaktion stürzte der Dax um mehr als drei
Prozent ab, einzelne Firmen wie BMW,
Daimler und Henkel verloren sogar zwischen vier und neun Prozent.
In den vergangenen Monaten waren die
Exporte nach China ohnehin bereits zurückgegangen, da die dortige Wirtschaft
mit Problemen kämpft. Die Abwertung
des Yuan durch die chinesische Zentralbank kommt für deutsche Firmen nun als
weitere Belastung hinzu. Dennoch versuchen die Unternehmen zu beruhigen. „Es
ist wichtig, nicht in Panik zu verfallen“,
sagte Siemens-Chef Joe Kaeser.
Auch der stark in China engagierte Konsumgüterkonzern Henkel zeigt sich gelassen. „China bleibt Motor der Weltwirtschaft“, sagte Henkel-Chef Kasper Rorsted. Bei Volkswagen verwies ein Sprecher
auf den hohen Anteil der Produktion vor
Wie das Smartphone
eine Beziehung zerstört
Parallel zur Abwertung seiner Währung hat China auch einen neuen
Mechanismus zur Kursbestimmung
eingeführt. Dieser hängt nun stärker
als bisher vom Markt ab. Damit legt
Peking die Voraussetzung für eine
Aufnahme des Yuan in den Devisenkorb des Internationalen Währungsfonds, in dem bisher nur Dollar,
Euro, Yen und Pfund enthalten sind.
Eine Aufnahme wäre der erste und
wichtigste Schritt für den Aufstieg des
Yuan zu einer internationalen Reservewährung.
Kommentar Seite 3, Seiten 14 und 17
DAX
Der Bundesligist vertreibt ein T-Shirt, das Anhänger von Hertha BSC zeigt
EURO
DOW
Xetra-Schluss
EZB-Kurs
17.40 Uhr
10.924,61
1,1155
17.182,27
–3,27%
+0,90%
–1,27%
US-$
Punkte
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„Börse am Mittag“ und
„Börse am Abend“
mit Dietmar Deffner
Um 12.45 und 18.15 Uhr
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U L F P O S C H A R DT
– Das Bundeskabinett hat die
zweite Stufe der Pflegereform von
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) verabschiedet. Zentraler
Punkt ist ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, der Demenzkranken Anspruch auf die gleichen Leistungen
einräumt wie Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Zugleich
sollen die bisher drei Pflegestufen auf
fünf Pflegegrade ausgeweitet werden,
um dem Pflegebedarf jedes Einzelnen
besser Rechnung zu tragen. „Die Reform nutzt allen – den Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen und unseren
Pflegekräften“, sagte Gröhe am Mittwoch in Berlin.
Es gehe darum, dass „besser und
genauer abgebildet wird, was die einzelnen Pflegebedürftigen brauchen“.
Die Unterstützung starte deutlich früher als bisher, zum Beispiel, wenn eine
Dusche altersgerecht umgebaut werden müsse oder Hilfe im Haushalt nötig sei. Gröhe sagte, die Betroffenen
erhielten weiterhin „mindestens“ das,
was sie bisher bekämen. „Viele werden
mehr erhalten“, betonte er.
Seite 6
[email protected]
Pflegereform: Kabinett
beschließt zweite Stufe
BERLIN
S
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Noch eine Blamage für den HSV
Seite 21
Punkte
AUFSTIEG DES YUAN
ZUR RESERVEWÄHRUNG
Privat geht
vor Staat
chul- und Steuerpolitik sind die
letzten Schlachtfelder ideologischer Debatten, die eigentlich
schon eingestellt waren. Die Schulpolitik ist insbesondere für die Parteien
links der Mitte zu einem Mittel der
Selbstvergewisserung geworden. Hier
wird experimentiert, was der Lehrplan
hergibt, egal, wie beschämend Bildungsstudien die Ergebnisse dieser
Politik dann bewerten. Im Augenblick
fällt der rot-grünen Landesregierung
in Düsseldorf eine Art heroische Vorreiterrolle zu. In ihrem Tun lässt sich
studieren, wie die lustvolle Vereinigung von Paternalismus und Etatismus in Regulierung mündet.
Der neueste Vorstoß, die Hausaufgaben noch stärker zu regulieren und herunterzufahren, ist an Kontrollwut,
Freiheitsskepsis und Entmündigungslust schwer zu überbieten. Der Feldzug
gegen die Hausaufgaben als einen
Schauplatz, an dem sich die soziale Benachteiligung bildungsferner Kinder
vollendet, wird grell ausgeleuchtet. Waren Hausaufgaben nicht nur in bürgerlichen Familien, sondern auch und gerade in aufstiegsorientierten Arbeitermilieus ein Moment, den Bildungserfolg
zur gemeinsamen Sache zu machen, sehen Sozialdemokraten und Grüne dies
nun lieber in staatlicher bzw. schulischer Hand. Nur noch sehr limitiert
können Hausaufgaben aufgegeben werden. Die Lehrer werden in ihrer Freiheit beschnitten, und die von allen Bildungsexperten geforderte Autonomie
der Schulen wird mit Füßen getreten.
Das Aufheulen des Philologenverbands kommt spät, das Schulkind ist
schon in den rot-grünen Brunnen gefallen. Verheerender als diese Maßnahme ist das Menschen- und Beamtenbild, das dahintersteckt. Es macht
den Lehrer zum Befehlsempfänger einer profilierungssüchtigen Bildungspolitik. Die müsste im Zweifel kontrollieren, ob zu Hause nicht zu viele
Hausaufgaben gemacht werden, welche das Egalitätsanliegen gefährden
könnten. Hinzu kommt die schlichte
Vorstellung: One size fits all. Auch
beim Lernen hat’s der Herr nicht allen
gleich gegeben. Was für den Hochbegabten ein zehnminütiger Spaziergang
sein mag, ist für den um seinen Klassenerhalt fightenden Schüler möglicherweise eine Sache für Augenringe
am Schreibtisch statt Fernsehgucken.
Eltern und Lehrer sind dem Kind am
nächsten. Sie sollten entscheiden, was
für den Bildungserfolg am besten ist.
Dass dazu auch das Bedürfnis nach
Freizeit, Freunden, Mistbauen gehört,
ist selbstverständlich. Der Staat sollte
sich raushalten – und Lehrern, Rektoren und Elternvertretungen vertrauen
und sie damit stark machen. Aber das
ist gegen den Geist der beiden Regierungsparteien. Sie wollen regieren.
Demenzkranke
bekommen mehr
Unterstützung
das damit nach Frankreich, den USA und
Großbritannien viertwichtigster Außenhandelspartner war.
Durch den schwächeren Yuan verteuern
sich deutsche Produkte jedoch. Bisher ist
dieser Effekt noch relativ gering. Im Vergleich zum Dollar verlor der Yuan am
Mittwoch 1,6 Prozent, nach 1,9 Prozent am
Vortag. Die Verluste gegenüber dem Euro
waren allerdings noch stärker. Zudem
wachsen die Befürchtungen, dass der Abwertungsdruck auf den Yuan auch in den
kommenden Tagen und Wochen anhält.
Dies halten Experten inzwischen zunehmend für wahrscheinlich.
„Es gibt keine überzeugenden Gründe,
warum sich der Yuan wieder erholen sollte, die Wirtschaftsdaten und der spekulative Druck sprechen eher für anhaltende
Schwäche“, sagt Jason Daw, Devisenexperte bei der Société Générale. Seine Bank
rechnet mit einer Abschwächung bis auf
6,80 Yuan je Dollar, von derzeit 6,35 Yuan.
Andere Berechnungen sehen die Währung
um bis zu 13 Prozent überbewertet. Dies
gelte umso mehr vor dem Hintergrund einer schwachen Konjunktur. Offiziell liegt
die Wachstumsrate noch bei 7,0 Prozent.
Diese gilt jedoch weithin als geschönt.
Seite 27
Im Minus
DAX
Ort in China selbst. Dadurch ergebe sich
eine natürliche Absicherung gegen Währungsschwankungen.
Kein Land in der Eurozone ist wirtschaftlich so stark verflochten mit China
wie Deutschland. Viele große Firmen machen über 20 Prozent ihres Geschäfts im
Reich der Mitte. Insgesamt exportierten
deutsche Unternehmen 2014 Waren im
Wert von 74,5 Milliarden Euro nach China,
DÜSSELDORF – Mit dem Schulstart in
Nordrhein-Westfalen ist ein Erlass des
Schulministeriums von Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) in Kraft getreten, der eine starke zeitliche Beschränkung der Hausaufgaben vorsieht. So müssen die Hausaufgaben etwa in der siebten Klasse künftig im
Rahmen einer Stunde, in der neunten
in 75 Minuten zu erledigen sein. Bisher handelte es sich um eine Sollvorgabe, die großzügigere Zeiten vorsah.
Der Chef des Deutschen Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger,
hält die Neuregelung für untauglich.
„Das ist eine Luftnummer und nicht
überwachbar“, sagte er der „Welt“. Sie
werde dazu führen, dass die Neigung
der Lehrer, überhaupt Hausaufgaben
zu erteilen, weiter zurückgehe. Direktoren beklagen einen Verfall der Hausaufgabenkultur. Meidinger wirft Löhrmann vor, damit nicht nur eine Entlastung der Schüler zu verfolgen: „Ich
sehe in allem den Versuch, die Hausaufgaben generell zurückzudrängen.“
Die betroffenen Schulen arbeiten zum
Schulstart häufig noch an der Umsetzung des Erlasses in die Praxis.
Siehe Kommentar und Seite 7
Wirtschaft auf Talfahrt, Währung abgewertet: Chinas Probleme sorgen
an den Märkten für Nervosität. Deutsche Firmen warnen vor Panik
FRANK STOCKER
KOMMENTAR
Neuregelung stellt
Lehrer vor Probleme
PHOTOSELECTION/MATHIAS BOTHOR; DPA/PATRICK SEEGER
as Boot ist voll, mehr
geht einfach nicht
mehr, das müssen die
berufsmäßigen Gutmenschen
endlich auch mal einsehen.
Wir können in unserem kleinen, dicht besiedelten Land
niemand mehr aufnehmen. Es
sind ja jetzt schon zu viele. Sie
belästigen uns überall und
fressen uns alles weg. Es gibt
einfach zu viele Wespen, das
wird man ja wohl noch sagen
dürfen. Sie bedrohen unsere
Pflaumenkuchenbestände, sie
vermiesen uns die Stimmung,
wenn wir draußen beim Kaffeetrinken sitzen oder uns
einen gepflegten deutschen
Aperol Spritz reinlöten wollen. Das Schinkenbrot verschmähen sie genauso wenig
wie Schwarzwälder Kirschtorte. Dabei haben wir diese
Typen nicht gerufen, die haben sich hier einfach breitgemacht. Warum hat Horst
Seehofer nicht schon längst
Zeltlager an der Grenze aufgebaut, wo die Wespen mit
vergorenem Obst angelockt,
eingefangen und abgeschoben
werden? Wir brauchen auch
keine gut ausgebildeten Wespen, die deutsche Wirtschaft
benötigt nun einmal keine
Stichexperten. Schieben wir
die verdammten Wespen doch
einfach nach England ab, da
fühlen die sich wohl, denn da
regiert auch eine Königin.
B **
W
er den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu
sorgen. Als würde der Hamburger SV nicht schon
genug Häme über sich ergehen lassen müssen, ist er
sehenden Auges in das nächste Fettnäpfchen getreten. Jener
Klub aus dem Norden, der sich am vergangenen Sonntag beim
Viertligisten Carl Zeiss Jena blamierte und sich seitdem auch
noch Fragen nach einem Rucksack gefallen lassen muss.
Am Montag war publik geworden, dass interne Dokumente
von Knäbel in einem Hamburger Park gefunden worden waren.
Nach einem Bericht der „Bild“ sollen die Gehälter der HSVProfis, Prämienzahlungen und Vertragsdetails darin aufgelistet
gewesen sein. Eine Altenpflegerin hatte Knäbels Unterlagen
entdeckt. Nach Angaben des Sportchefs waren die Gegenstände
in seinem Rucksack, der ihm gestohlen worden war.
Seit Mittwoch nun sorgt der HSV für hämisches Gelächter,
weil er in seinem Fan-Shop ein T-Shirt angeboten hatte, auf dem
ein Ausschnitt einer Choreografie verwendet wird, die aber nicht
von den eigenen Anhängern gemacht wurde, sondern von Fans
des Bundesliga-Rivalen Hertha BSC. Das weiße Shirt, auf dem
vier Ausschnitte von Stadionaufnahmen in schwarz-grau aufgedruckt sind, dazu noch die HSV-Raute, hatte der Klub erst neu
ins Sortiment aufgenommen.
Bis kurz nach neun Uhr war das Shirt am Mittwoch im FanShop online erhältlich. Unter der Rubrik Bekleidung war es bei
den T-Shirts an Nummer drei gesetzt. Auf dem Bild, auf dem das
Shirt zu sehen war, prangte oben rechts noch ein in goldener
Farbe gehaltener „NEU“-Button. Der Preis: 22,50 Euro. Die Häme
und der Spott, den es für den T-Shirt-Fauxpas schon in den frühen Morgenstunden in den sozialen Netzwerken gab, dürften
wohl auch dem HSV nicht entgangen sein. Nicht anders ist es zu
erklären, dass das Fan-Shirt nun nicht mehr erhältlich ist. Die
Choreo, die auf dem Shirt verwendet wird, stammt übrigens vom
Bundesliga-Heimspiel der Berliner am 23. August 2013 – Gegner
damals: der Hamburger SV. Lars Gartenschläger
DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern
verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030/25910, Fax 030/259171606, E-Mail:
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GUT FÜR DIE ZÄHNE?
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