«Schöne Steuerwelt» geht ins Parlament – Ein Regulierungsgewitter steht an 9. Juni 2015: Der Bundesrat hat seine Sitzung vom vergangenen Freitag, 5. Juni 2015, dazu genutzt, gleich drei Vorlagen zur grundlegenden Neugestaltung der Verhältnisse in der schweizerischen Steuerlandschaft ins Parlament zu schicken. Das Ziel: Ab dem 1. Januar 2017 werden der schweizerische Finanzplatz und der schweizerische Unternehmensstandort in steuerlicher Hinsicht ehrlich, transparent und auch im Übrigen so gestaltet sein, dass die Schweiz keinerlei Kritik mehr aus dem Ausland ausgesetzt sein kann. Ist das der Weg in die Zukunft oder die Verwirklichung aller Alpträume für den Finanzplatz? Mit den neuen Abkommen und dem Gesetz für den Automatischen Informationsaustausch (AIA) nach dem Meldestandard der OECD, der Unternehmenssteuerreform III, welche Steuerprivilegien bei Bundes- und kantonalen Steuern abschaffen soll, sowie einer weiteren „kleinen Revision“ des Geldwäschereigesetzes, welche über Sorgfaltsstandards unversteuerte Gelder endgültig vom Finanzplatz vertreiben sollen, will der Bundesrat den letzten „grossen Pflock“ der zu Ende gehenden Legislatur „einschlagen“. Macht er damit den Weg frei für eine erfolgreiche Zukunft des Finanzplatzes oder wird er zum Totengräber des Vermögensverwaltungsstandorts Schweiz? Zwischen den Dossiers bestehen zwar keine rechtlichen Verknüpfungen; die wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen den Vorlagen sind aber enorm. Nichtsdestotrotz hat es der Bundesrat unterlassen, eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Dabei geht um nicht weniger als um die Frage, ob die Schweiz einen Weg finden wird, den Unternehmensstandort international attraktiv zu halten, und ob dem Finanzplatz, insbesondere dem Vermögensverwaltungsstandort für Privatpersonen, überhaupt eine Zukunft bleibt, oder die Tage des Finanzplatzes als globaler Hub für Kunden aus der ganzen Welt, die global investieren, gezählt sind. Die Einführung des AIA im Verhältnis zu demokratisch verfassten Rechtsstaaten, die Bürgerrechte, namentlich den Datenschutz respektieren, erscheint auch aus Sicht des VSV nicht mehr vermeidbar. Dass der Bundesrat jedoch den betroffenen Menschen den individuellen Rechtsschutz gegen den Missbrauch ihrer Daten verweigern will, und die Aufnahme des automatischen Informationsaustausch mit weiteren Staaten von der Referendumspflicht ausnehmen will, ist für den VSV nicht gangbar. Dies läuft auf eine weitere Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit und der Volksrechte hinaus, die nicht mitgetragen werden kann. Mit der geplanten Herausgabe von Daten an Staaten mit zweifelhaften Regimes, in denen elementare Rechte regelmässig missachtet werden, stellt sich weiter die Frage, ob der Ruf der Schweiz als humanitäres Land nicht schweren Schaden nimmt. Mit der Abschaffung des heutigen Holdingprivilegs und der Abschaffung der privilegierten Steuerregimes von Bund und Kantonen muss sehr tief ins schweizerische Steuersystem eingegriffen werden. Der VSV unterstützt die vorgeschlagenen Massnahmen zum Erhalt der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit. Mit den bundesrätlichen Vorschlägen dürfte zwar der Steuerstreit mit der EU im Bereich des Unternehmenssteuerrechts beigelegt werden. Vor dem Hintergrund der Gesamtsumme aller Probleme, welche die Schweiz derzeit mit der EU hat, wird dieses Entgegenkommen jedoch kaum wesentlich zur Verbesserung der Beziehungen beitragen können. Bei einem Steuersatz von rund 16% auf den Unternehmensgewinnen und einem Strauss teilweise sehr komplexer Ausgleichsmassnahmen rechnet der Bund mit Einnahmenausfällen von rund CHF 1.3 Mia. pro Jahr. Die betroffenen Kantone, insbesondere in der romanischen Schweiz, müssen mit weit höheren Einnahmenausfällen rechnen. Nicht ohne Grund war an der Medienkonferenz des Bundesrats von einem sehr schlechten Tag für Genf und das Waadtland die Rede. Wie eine Gegenfinanzierung der infolge Unternehmensabwanderung und Reduktion der allgemeinen Steuersätze abzusehenden Steuerausfälle erfolgen soll, ist heute nicht erkennbar. Die Teilabschaffung bei der privilegierten Besteuerung von Dividenden bei qualifizierten Beteiligungen mit einer verbindlichen Besteuerung mit einem Satz von mindestens 70% wird bei weitem nicht ausreichen, die Steuerausfälle auszugleichen. Es ist deshalb zu befürchten, dass am Ende die Steuerlast für die Unternehmen nicht im erhofften Umfang reduziert werden kann und zusätzlich die Steuerlast der natürlichen Personen erhöht werden muss. Glücklich schätzen dürfen sich Schweizer Unternehmer dagegen, dass der Bundesrat auf eine Besteuerung der Kapitalgewinne im Privatvermögen verzichten will. Die Unternehmenssteuerreform ist für die Finanz-KMU in der Schweiz somit ein zweischneidiges Schwert. Der VSV wird hier weiter sein Augenmerk darauf richten, dass die Beendigung des Steuerstreits mit der EU am Ende nicht „auf dem Buckel“ der schweizerischen KMU und ihrer Inhaber ausgetragen wird. Eine „Giftpille“ ohne (internationales) Beispiel bildet die Neuauflage der steuerlichen Sorgfaltspflichten für alle Finanzintermediäre im Geldwäschereigesetz. Die neuen Aufgaben für Finanzdienstleister, welche diese de facto zu Steuerpolizisten machen, werden für den Vermögensverwaltungsstandort Schweiz nicht tragbar sein. Auch die unabhängigen Vermögensverwalter sollen gezwungen werden, die in Verwaltung gegebenen Vermögen, auf ihre ordnungsgemässe Versteuerung in allen möglichen Ecken und Enden der ganzen Welt zu überprüfen. Eine solche Regulierung ist nicht nur ohne Grundlage in den vom Bundesrat immer wieder angerufenen „internationalen Standards“. Sie ist mit vernünftigem Aufwand, gerade von den KMU im Finanzsektor (wie Kantonal-, Regionalbanken, Sparkassen und unabhängige Vermögensverwalter), gar nicht umsetzbar. Global tätige Vermögensverwalter wie die beiden Grossbanken sowie eine Handvoll grosser Privatbanken werden damit weniger Mühe haben, weil sie ihr Vermögensverwaltungsgeschäft in höherem Masse als bisher auf andere „Hubs“ ausserhalb der Schweiz verlagern können. Das Vertrauen ausländischer Kunden in den schweizerischen Finanzplatz wird weiter leiden. Ob nun steuerehrlich oder nicht: Der erwachsene und selbstbewusste Kunde des schweizerischen Finanzplatzes, der die Schweiz als globalen Finanz-Hub nutzen will, wird sich diese Schnüffelei in seinen persönlichen Angelegenheiten nicht bieten lassen – und gehen. Wer will es ihm verargen. Das Mehr an Qualität, das der schweizerische Finanzplatz heute noch zu bieten hat, vermag das Unanständige an der steuerlichen Aushorcherei nicht aufzuwiegen. Gerade steuerehrliche ausländische Kunden brauchen sich ein solches Verhalten der von ihnen bezahlten Dienstleister nicht gefallen zu lassen. Sie haben die Wahl. Der VSV wird deshalb diese Vorlage auch in der parlamentarischen Beratung mit den ihm gebotenen Mitteln bekämpfen. Details zu den drei Botschaften entnehmen Sie hier: Botschaft Grundlagen für den AIA Botschaft zur Änderung des Geldwäschereigesetzes Botschaft Unternehmenssteuerreform III
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