Datum: 30.06.2015 Finanzplatz Schweiz: Viele Probleme, noch mehr Lösungsansätze Der Schweizer Finanzplatz steht vor grossen Herausforderungen. Am Swiss International Finance Forum versuchten gestern namhafte Ökonomen, Banker und Politiker, Lösungsansätze zu finden. Die Meinungen gingen teilweise weit auseinander. VON ZOLTAN TAMASSY BERN Wer gestern am von der «Neuen Zürcher Zeitung» im Berner Nobelhotel Bellevue Palace veranstalteten Swiss International Finance Forum glaubte, das Hauptthema werde die Griechenland-Krise sein, fand sich getäuscht. Das Gezerre um Gelder und Reformen zwischen Brüssel und Athen wurde zwar erwähnt, doch im Zentrum der Diskussionen stand der Finanzplatz Schweiz. Kein Wunder, denn dieser ist ebenfalls nicht frei von Problemen. Sei es das für ausländische Kunden gefallene Bankgeheimnis, die Frankenstärke, die Negativzinsen, die Too-big-to-failDiskussion, die anziehende Regulierung oder schlicht und einfach das unsichere wirtschaftlich-geopolitische Umfeld. Namhafte Ökonomen, Banker und Politiker hatten sich im Rahmen von mehreren Reden und Podiumsdiskus- sionen zum Thema geäussert, zum Beispiel Eveline Widmer-Schlumpf, Vor- steherin des Eidgenössischen Finanzdepartements, Thomas Jordan, Präsi- Themen-Nr.: 660.003 dent der Schweizerischen Nationalbank, Axel Weber, Verwaltungsratspräsident von UBS, Urs Rohner, Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, oder Mark Branson, Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). So viel vorweg: Eine Lösung wurde ten zu können. Die Frage, ob denn eine eidgenössische Taskforce zur Problembehebung beitragen könne, wurde von einem Moderator in die Runde geworfen. «Unsinn», antwortete der Publizist und Autor Beat Kappeler. Visionen, wohin der Finanzplatz Schweiz sich in nicht gefunden. Dafür sind die Prob- Zukunft bewegen solle, müssten die Finanzinstitute entwickeln und nicht leme des Finanzplatzes Schweiz zu viel- eine staatliche Kommission. schichtig. An einem Beispiel erläutert: «Too big to fail» sind nicht nur Gross- banken wie UBS oder Credit Suisse. Aus Gründen der Systemrelevanz nicht untergehen darf ebenso sehr auch die SIX Group, wie deren Geschäftsführer Alexandre Zeller erläuterte. Denn der Finanzmarktdienstleister betreibt die schweizerische Finanzplatzinfrastruktur. Entsprechend scharf wird auch die SIX Group überwacht, entsprechend umfassend sind auch für sie die regulatorischen Vorschriften. Kundensicht wichtig Bankmanager wie Patrick Odier (Lombard Odier Gruppe und Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung) oder Pierin Vincenz (Geschäftsführer Raiffeisen Gruppe) plädierten für einen verbesserten Zugang der Finanzinstitute zu den internationalen Finanzmärkten. Davon, den Schweizer Bankenmarkt mit neuen, innovativen Geschäftsmodellen wettbewerbsfähiger zu machen, versprachen sich Odier und Vincenz allerdings nicht viel. Mat- Asien oder Brüssel? Angesichts dieser Vielschichtigkeit erstaunt es wenig, dass die Meinungen thias Reinhart hielt dagegen. Der Geschäftsführer der VZ Holding forderte, dass Banken heute viel stärker aus der Referenten und Diskussionsteil- Kundensicht aufgebaut werden müs- nehmer teilweise weit auseinandergingen. Der Zuger SVP-Nationalrat Tho- «Auch 100 Jahre Tradition schützen mas Aeschi zum Beispiel verlangte, dass der Schweizer Finanzplatz sich keine Bank vor dem Untergang», sagte Reinhart. stärker auf die asiatischen Märkte kon- Entsprechend divergierend waren auch die Meinungen bei der Einschät- sen, sonst würden sie untergehen. zentrieren soll, statt nach Brüssel zu schauen. Dieter Wirth, Bankenexperte beim Wirtschaftsprüfer PwC, dagegen erachtete es als unerlässlich, dass sich die Schweiz teilweise den regulatorischen Vorgaben der EU - des grössten Abnehmers von Schweizer Produkten anpasst, um den europäischen Markt von der Schweiz aus verstärkt bearbei- Abo-Nr.: 660003 zung der Verfassung des Schweizer Finanzplatzes - sie reichten von «kein Problem» bis «besorgniserregend». Patrick Odier lag irgendwo dazwischen: «Je länger ich die Entwicklung beobachte, umso mehr Sorgen mache ich mir. Wenn ich in die Zukunft blicke, bin ich aber trotzdem beruhigt.» Auflage: 20'326 Argus Ref.: 58354208
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