Ein „Monaco von Sachsen“ soll es werden, das erste Zittauer Stadtringrennen am 22. 09.1935 Die Sensation war perfekt als am 25.08.1935 in der „Zittauer Morgen-Zeitung“ folgende Notiz erschien: „1. sächsisches Stadtringrennen in Zittau. Das Lückendorf Bergrennen abgelöst Massenstart am „Reichshof“. Was sich alle motorsportlichen Kreise Ostsachsens, Schlesiens und Nordböhmens schon immer gewünscht haben, soll nun Wirklichkeit werden: Das Lückendorf Bergrennen, das im Lauf der Jahre Hunderttausende von Sportfreunden begeisterte, wird in diesem Jahr dem ersten sächsischen Stadtringrennen weichen müssen. Dem Zug der Zeit folgend, die nun einmal beim Rennen auch den Kampf jeder gegen jeden erleben will, haben sich die maßgebenden Kreise des Gaues Sachsen im DDAC, vor allem Gausportleiter und stellvertretender Gauführer Karl Ertelt, Zittau, für ein Rundstreckenrennen in Zittau eingesetzt, das nun von Berlin aus die Genehmigung gefunden hat. Statt des Einzelstarts bei den bisherigen Lückendorf Bergrennen ist Massenstart Bedingung der Ausschreibung. Vorgesehen sind vier Rennen in acht Klassen für Motorradfahrer (Fahrer mit internationaler Lizenz oder nationalem Fahrerausweis). Rundstrecke ist der „Grüne Ring“ Zittaus. Die Strecke ist 2880 Meter lang und wird 20- oder 30mal zurückgelegt. Der Massenstart wird am „Reichshof“ stattfinden. Mit dieser motorsportlichen Großveranstaltung wird der gesamten Oberlausitz nicht nur ein einzigartiges, in dieser Form neuartiges Rennen geboten, sondern auch in würdiger Form an die große Tradition der Lückendorf Bergrennen angeknüpft. Das Training ist für Sonnabend, den 21. September angesetzt . . . . „ Ein kleines Monaco sollte es werden Die Klasseneinteilung erfolgt nach dem üblichen Standard, bis 250 ccm, bis 350 ccm und bis 500, die Rennlänge beträgt für die Lizenzfahrer bei 30 Runden, 86,4 Kilometer und für die Ausweisfahrer 57,6 Kilometer. Veranstalter ist die Ortsgruppe Zittau des DDAC und als Rennleiter fungiert der bewährte Karl Ertelt. Selbst in München wurde für Zittau Werbung gemacht Die Anzahl der Trainingspflichtrunden wurde auf 10 festgelegt, die Ausweis- und Lizenzfahrer erhalten zusätzlich am Rennsonntagvormittag jeweils 2 Stunden Gelegenheit zum Training. Nach den Trainingsergebnissen wird die Startreihenfolge festgelegt, jeweils 2 Klassen werden im Abstand von 60 Sekunden gemeinsam gestartet. Sofort nach der Zieldurchfahrt werden die Sieger auf die Ehrenrunde geschickt, unterdessen kann sich das nächste Feld auf den Start vorbereiten. Der Start erfolgt am Waentighaus (heute Polizeigebäude) und während des Rennens ruht jeglicher Verkehr auf dem „Grünen Ring“. Fußgänger haben die Möglichkeit über 2, eigens für das Rennen errichtete Holzübergangsbrücken, die Strecke zu überqueren, diese befinden sich am „Reichshof“ und am „Kaiser-Wilhelm-Platz“. Damit es zu einer guten Unterscheidung der Fahrer, welche in verschiedenen Klassen gemeinsam starten, kommt, sind diese mit farbigen Helmüberzügen ausgerüstet. Für die Ausweisfahrer 350 ccm mit grünem Überzug, 250 ccm weiß, die Lizenzfahrer bis 350 ccm tragen rote und 500 ccm blaue Kappen. Über 70 Nennungen sind eingegangen, 62 werden bestätigt, im ersten Lauf der Ausweisfahrer (250 / 350 ccm) steigen 20 Fahrer in den Sattel, die 500er gehen mit 19 Fahrern an den Start. In der Lizenzklasse starten 11 Teilnehmer bis 250 ccm und in einem gemeinsamen Lauf die 350 ccm mit den 500ern. Die schärfsten Duelle werden von Hans Richnow und Bernhard Petruschke, beide aus Berlin und auf sehr schnellen englischen Rudge im Rennen erwartet, beide bringen Erfahrung aus dem Kampf um die Europameisterschaft mit. Bei den Ausweisfahrern der Klasse bis 250 ccm geht ein Stern am sächsischen Rennsporthimmel auf, der junge Siegfried Wünsche hat seine Laufbahn auf DKW erst 1935 begonnen und fährt bereits reihenweise Siege ein, noch über Jahrzehnte ist er einer der erfolgreichsten deutschen Motorradrennfahrer und immer der Marke DKW treu geblieben. Ebenfalls auf DKW fährt der Zschopauer Keitel, erst kürzlich ist er als Sieger in Schleiz über die Ziellinie gefahren, er wird bei den 350ern als Favorit gerechnet. Der Ebersbacher Semmt hat in der 250 ccm Klasse als härtesten Konkurrenten Artur Müller zu sehen, dieser konnte sich beim „Großen Preis von Deutschland“ im August in Hohenstein Ernstthal, sehr gut in Szene setzen, er steht z.Zt. mit Weltrekordler Walfried Winkler in der deutschen Kraftradmeisterschaft sogar punktgleich. Die große Fahrerparade zur Eröffnung vor dem Waentighaus (heute Polizei), rechts außen Gerhard Semmt. Vor den Fahrern Rennleiter, Gauleiter und Stvtr. .Gauführer des D.D.A.C. Gau 16 Sachsen. Karl Ertelt Zitat aus der Beilage von Z.M.Z. vom 21.09.1935: „Das Lückendorf Bergrennen ist tot, es lebe das erste sächsische Stadtringrennen in Zittau! Die gesamte deutsche und ausländische Rennfahrerelite hat sich auf dem Lückendorfer Pass ein Stelldichein gegeben : Caracciola, v. Brauchitsch, Stuck, Chiron und der berühmte englische Motorradrennfahrer Tom Bullus sind vor dem „Waldfrieden“ an den Start gegangen. Trotzdem - sank die Besucherziffer von Jahr zu Jahr. Der sportliche Erfolg wurde immer größer, der finanzielle Ertrag immer bescheidener. . . . Morgen wird das Lückendorf Bergrennen erstmalig durch ein Rundstreckenrennen in Zittau abgelöst. Der rechte Deutsche liebt den Kampf, den Kampf auf Biegen und Brechen, und diesen gewährleistet eben nur in gesteigertem Maße ein Rundstreckenrennen. Die Motoren sind ins Tal herabgestiegen und werden donnernd und krachend um den grünen Ring unserer Stadt jagen, dem Pflasterer und Asphaltierer in den letzten Wochen kräftig zu Leibe gerückt sind. So ist eine ideale Rennstrecke entstanden, die hoffentlich alle Erwartungen erfüllt, die man glaubt an sie stellen zu können. Pünktlich um 14 Uhr wird vor dem Waentighaus der erste Startschuss tönen. 20 Motoren zugleich werden ihr metallenes Lied anstimmen und wie wild gewordene Tiere den steilabfallenden Töpferberg hinunterjagen. Schade, dass dieser grandiose Anlauf wieder abgebremst werden muss. Das weit in die Rennstrecke hineinragende Haus von KaffeKnothe zwingt zu einer nicht ungefährlichen S-Kurve. Beim „Fuhrmann Hentschel“ erwartet die Fahrer eine ähnliche Situation, doch ist hier immerhin ein scharfes schneiden noch eher möglich. Ziemlich „geruhsam“ führt dann die Strecke über Skagerrakplatz, Theodor-Körner-Allee, Kaiser-Wilhelm-Platz (vielleicht etwas holperig!), Hindenburgring zur Goltzburg, die Wegweiser für eine „pfundige“ Rechtskurve in die Hammerschmied-Straße hinein ist. Das Buttighaus wird nur mit gedrosseltem Motor zu nehmen sein. Dieser reichlich ausgefallenen Spitzkurve folgt eine etwa 1000 Meter lange Gerade, die höchste Geschwindigkeit zulässt. Auf dem Ottokarplatz wird allerdings etwas Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit sein. Mit großer Fahrt werden dann die Matadore des Motorrades über die gepflasterte Augustusallee und am Waentighaus vorbei in eine neue Runde gehen. Dem Laien wird etwas bänglich werden, wenn er sich vorstellt, mit welcher ungeheuren Wucht die Rundstreckenfahrer erneut den steilen Töpferberg nehmen werden. - - Zittau, das 2. Monaco, ladet Der erfahrene Altmeister Bernhard Petruschke aus Berlin und der heranwachsende Heißsporn Siegfried Wünsche aus Langebrück, dahinter Vater Wünsche nochmals alle Motorsportfreunde diesseits und jenseits unserer Grenzen zu seinem ersten Stadtringrennen ein. Donnernde Motoren werden um seine herrlichen Promenaden toben und mit gewaltigem Dröhnen das neue Rundenrennen aus der Taufe heben. Möge es eine glückhafte Veranstaltung sein. Sport frei - das Rennen kann beginnen!“ Strahlender Sonnenschein am Renntag begleitete bereits vor früh 6.00 Uhr einige tausend Schaulustige an die Rennstrecke, das Training lockte die Hartgesottenen zeitig aus den Betten, aber mit Trainingsbeginn war, wegen dem Dröhnen der Rennmotoren, sowieso nicht mehr an Schlaf zu denken. Ohne schwere Stürze, jedoch mit reichlich vielen, ohne nennenswerte Verletzungen, verlief das Training, so dass durch die Rennleitung an Schwerpunkten nochmals Strohballen zur Sicherheit angebracht wurden. Wie schon erwartet zeigten die bereits genannten Fahrer vorrangig schon beachtliche Leistungen, besondere Erwähnung bedarf Bernhard Petruschke, welcher bereits beim Kennenlernen der Strecke hart an der Grenze des Möglichen fuhr. „Die feierliche Flaggenparade bildete den Auftakt zum ersten Zittauer Stadtringrennen, hell blinken die Helme des NSKK und die Instrumente seines Musikzuges in der hochsommerlich scheinenden Sonne auf, und nur das vom Wind der losdonnernden Motorräder zum munteren Spiel entfesselte erste bunte Laub der Promenadenbäume gemahnte an den herannahenden Herbst . . . „ Das Feld an der Kurve zur Weberkirche Als Starter Zöllner erstmalig die Startflagge senkt vergehen einige bange Sekunden, die Räder rollen, von den Fahrern mit verbissener Kraftanstrengung angeschoben über den Startstrich, dann heulen die Motoren auf und die Maschinen schießen auf die Strecke. Aber nicht alle, der Ponitzer Pröhl schiebt um sein Leben, um endlich doch noch die Imperia Rudge zum Leben zu erwecken, das Feld ist längst seinen Blicken entschwunden und der Oybiner - Zöllner schickt auch schon die 250 ccm Ausweisfahrer in das Rennen. Aber bereits aus der 1. Runde kommend hat der tapfere Bursche Anschluss an das Feld und die 1. Sensation des Tages ist perfekt, als er in Runde 5 die Führung seiner Klasse übernimmt und diese bis in das Ziel ständig weiter ausbaut, um in Minutenabstand vor Reuschel - Tannenberg und Schlechte - Dresden zu siegen. Die 2. Sensation des Tages ist aber die, dass noch vor Pröhl der junge Siegfried Wünsche aus Langebrück, welcher ja mit Minutenabstand zur größeren Klasse in das Rennen ging über die Ziellinie geht und als überlegener Sieger der Klasse 250 ccm abgewinkt wird. Das letzte Rennen der Ausweisfahrer, Klasse bis 500 ccm wird gestartet und Matador Gustl Keitel aus Zschopau hat etwas Startprobleme, stellt aber in Runde 2 die Rangordnung als Sieger her und fährt mit dem Stundenmittel von 88,6 km/h das Rennen zu Ende, schade, dass der lange an 2. Stelle liegende Rausch durch Sturz aus dem Rennen scheiden musste, seinen Platz nimmt der Breslauer Kierstein ein, Platz 3 erkämpft sich der Zittauer Walter Paul auf OD trotz eines Sturzes in der Buttighaus - Kurve. Wie nicht anders zu erwarten war gab es für Meister Arthur Müller aus Zschopau auf seiner DKW kein halten auf dem Weg zum Sieg, eindeutig demonstriert er seine Überlegenheit, welche er sich in vielen internationalen Rennen erworben hat. Mit dem Stundenmittel von 89,4 km/h siegt er mit Rundenvorsprung vor Heinrich Mann aus Bayreuth und Otto Scheufler aus Reichenberg auf Ogar. Vom Pech verfolgt war Gerhard Semmt, der Haudegen hatte mit seiner Rex Acme erhebliche Probleme, obwohl er von der 4. bis zur 10. Runde bauen musste nahm er das Rennen wieder auf ohne dann in die Entscheidung noch eingreifen zu können. Dass der Kampf um die Tagesbestzeit zwischen Richnow und Petruschke in der Klasse bis 350 ccm Lizenz entschieden werden musste, daran gab es kaum Zweifel. Richnow übernahm sofort die Führung, dicht bedrängt von Petruschke, und nun setzte ein Katz - und Mausspiel zwischen den beiden Klassefahrern ein, welches so recht nach dem Geschmack der 15 000 Zuschauer war. Ein ständiger Positionswechsel hält die Begeisterung enorm hoch, doch Fortuna wirft das Handtuch für den tapferen Richnow, in der 16. Runde gibt die Rudge, von Meister Koch eigentlich perfekt vorbereitet, plötzlich ihren Geist auf. Petruschke fährt aber ohne deswegen das Tempo zu drosseln sein Rennen zu Ende und siegt in der Zeit von 54:34,9 min. = 95 km/h Durchschnitt mit 3 Runden Vorsprung vor dem Werdauer Gustav Adolf Hetzer auf Imperia und Artur May auf Velocette aus Berlin. Karl Ertelt ehrt „Sissi“ Wünsche mit dem Lorbeer des Siegers v.l. Wünsche, DKW 250, Pröhl aus Ponitz auf Imperia-Rudge, Keitel aus Zschopau auf DKW 500 Relativ farblos dagegen verlief das Rennen der 500 ccm Lizenz, gerade einmal noch 2 Fahrer erreichten das Ziel, als Sieger ist Richard Heinrich aus Leipzig auf Rudge vor Willy Krenkel aus Dresden mit der gleichen Marke zu nennen. Nach jedem Rennen fuhren die 3 Erstplatzierten eine Siegerrunde und wurden stürmisch gefeiert. Es begann bereits zu dämmern als DDAC Gauführer Graumüller aus Dresden im Anschluss an die Ehrenrunde der Ersten aller Klassen zur Siegerehrung schritt. In seinen abschließenden Dankesworten an die Veranstalter sagte er: „ Das Zittauer Stadtringrennen hat - rein sportlich gesehen - einen guten Start gehabt. Das nächste Mal werden sich noch mehr Qualitätsfahrer in die Startlisten einschreiben. Unser wirtschaftlich schwer ringender Grenzbezirk kann solche Großveranstaltungen sehr wohl gebrauchen.“
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